25. Juni 2022
Urologische Tumorerkrankungen machen in Deutschland bei Männern etwa 39% und bei Frauen etwa 4% aller Krebserkrankungen aus (1). Voraussetzung für die Erfassung und wissenschaftliche Auswertung der Versorgungsqualität urologischer Tumorerkrankungen ist deren standardisierte Dokumentation. Seit Mai 2018 dokumentieren Mitglieder von d-uo (Deutsche Uro-Onkologen e.V.) urologische Tumorerkrankungen im Rahmen der nicht-interventionellen prospektiven VERSUS-Studie (VERSorgUngsStudie).
Harnblasenkarzinome gehen wie die Tumoren der übrigen ableitenden Harnwege (Nierenbecken, Harnleiter, Harnröhre) überwiegend vom Urothel aus. Das Harnblasenkarzinom ist nach dem Prostatakarzinom der zweithäufigste urologische Tumor und in Deutschland der vierthäufigste Tumor bei Männern. Bei Frauen steht das Harnblasenkarzinom auf Platz 14. Im Jahr 2018 erkrankten 18.270 Personen an einem invasiven Harnblasenkarzinom (definiert als ≥ T1), etwa ein Drittel davon waren Frauen (1). Hinzu kamen noch rund 12.770 Erkrankte an nicht-invasiven papillären Karzinomen und In-situ-Tumoren der Blase (definiert als Ta und CIS). Vor allem bei CIS besteht ein erhöhtes Risiko für ein Rezidiv und/oder eine Progression. Daher besitzen sie besondere klinische Relevanz, obwohl sie nach ICD-10 in derzeit unzutreffender Weise formal nicht zu den bösartigen Tumoren gezählt werden (sog. D-Diagnose).
Etwa 75% der Harnblasenkarzinome sind bei Erstdiagnose nicht-muskelinvasiv (NMIBC: non-muscle-invasive bladder cancer, früher auch als „oberflächlich“ bezeichnet) und eine transurethrale Resektion reicht für die primäre Therapie aus. Bei den übrigen 25% liegt schon primär ein muskelinvasives Wachstum (MIBC: muscle-invasive bladder cancer) vor, welches eine radikale Zystektomie (alternativ: perkutane Radiatio bzw. Radiochemotherapie, trimodale Therapie u.a.) zur kurativen Therapie erforderlich macht.
Aus der Häufigkeit des Urothelkarzinoms, der hohen medizinischen und volkswirtschaftlichen Relevanz, den zum Teil jahrelangen Therapien zur Rezidivprophylaxe sowie palliativen systemischen Therapie erklärt sich die hohe Bedeutung der Erfassung der Versorgung der Betroffenen unter realen Alltagsbedingungen. Ambulante Urolog:innen sind in Deutschland fast ausschließlich für die Versorgung der NMIBC und überwiegend für die Therapie der MIBC zuständig.
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d-uo starten Nationales Register Urothelkarzinom (UroNAT)
Erschienen am 16.11.2021 • Deutsche Uro-Onkologen e.V. starten das UroNAT-Register. Lesen Sie hier, wie Sie Ihre Patienten mit Urothelkarzinom einbringen können.
Erschienen am 16.11.2021 • Deutsche Uro-Onkologen e.V. starten das UroNAT-Register. Lesen Sie hier, wie Sie Ihre Patienten mit...
Nach Fertigstellung des Studienprotokolls und Erteilung eines positiven Ethikvotums für die prospektive VERSUS-Studie wurden im Mai 2018 die ersten Patientendaten über die Dokumentationsplattform von d-uo eingegeben. d-uo stellt seinen Mitgliedern die Dokumentationsplattform kostenlos zur Verfügung. Ebenso kostenlos sind Wartung und Pflege der Software sowie eine Hotline. Bei allem ist sichergestellt, dass die Datenhoheit ausschließlich bei d-uo liegt. Die Umsetzung der genannten Qualitätskriterien und Kooperationen ermöglichen somit eine unabhängige Versorgungsforschung in der Hand von Uro-Onkolog:innen. In 4 Jahren wurden mehr als 12.000 Patient:innen von d-uo-Mitgliedern dokumentiert (Tab. 1).
Tab. 1: Dokumentationsstand der VERSUS-Studie (Stand 4/2022).
Dokumentationsstand der VERSUS-Studie
Ein Urothelkarzinom wurde bei 3.105/12.224 Patient:innen (26,7%) dokumentiert (Tab. 1). Die Verteilung der verschiedenen Tumorentitäten entspricht in etwa den aktuellen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) – diese sind aus dem Jahr 2018 (1).
Diagnoseanlass in der VERSUS-Studie
Der mit Abstand häufigste Diagnoseanlass für ein Urothelkarzinom war – wie zu erwarten – die Tumorsymptomatik. Diese führte in 56% der Fälle zur Diagnose (Tab. 2). Die in der Tabelle genannten Diagnoseanlässe sind aus dem GEKID-Basisdatensatz entnommen. Allerdings werden diese Kriterien nur von 4 der etwa 20 klinischen Krebsregister in Deutschland gefordert. Die Frage nach dem Diagnoseanlass wird demgegenüber von d-uo für alle Patient:innen erhoben.
Tab. 2: Diagnoseanlass für ein Urothelkarzinom in der VERSUS-Studie (Stand 4/2022).
Stadienverteilung in der VERSUS-Studie
Das RKI gibt für seine Fallzahlen aus dem Jahr 2018 die Verteilung für die UICC-Tumorstadien an. Dies betrifft allerdings nur Patient:innen mit der Diagnose C67 (1). Somit sprechen wir über das invasive Urothelkarzinom (T1), wobei damit nicht-muskelinvasiv (T2-4) gemeint ist. Daten zur Tumorkategorie CIS und Ta werden vom RKI somit nicht geliefert. d-uo kann demgegenüber eine Einteilung nach UICC mit UICC-Stadium 0 oder auch ohne das Stadium UICC 0 (so wie das RKI) vornehmen (Tab. 3).
Tab. 3: Tumorstadien in der VERSUS-Studie (Stand 4/2022). *Mann/Frau
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Neudiagnose Urothelkarzinom: 30-Monatsdaten aus der nicht-interventionellen, prospektiven Registerstudie VERSUS von d-uo
Erschienen am 15.12.2020 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: 30-Monatsdaten aus der nicht-interventionellen, prospektiven Registerstudie VERSUS von d-uo – Neudiagnose Urothelkarzinom
Erschienen am 15.12.2020 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: 30-Monatsdaten aus der nicht-interventionellen, prospektiven...
Die aktuellen Ergebnisse aus der prospektiven VERSUS-Studie von d-uo zeigen eine den Daten des RKI vergleichbare Verteilung der Tumorentitäten und Tumorstadien (1). Im April 2022 hatten wir 3.105 Patient:innen mit einem Urothelkarzinom in der Datenbank von d-uo dokumentiert. Eine Tumorsymptomatik führte die Mehrzahl der Patient:innen mit einem Urothelkarzinom in die Arztpraxis. Die Stadienverteilung kann von uns – im Gegensatz zum RKI – bezogen auf alle klinisch wichtigen Szenarien berechnet werden.
Zusammenfassend sollen Daten zur ambulanten urologischen Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Urothelkarzinoms in Deutschland Transparenz bezüglich der Behandlungsrealität erzeugen, zur Qualitätssicherung und Hypothesengenerierung sowie als Unterstützung bei der Nutzenbewertung genutzt werden. Zum Ende des Jahres 2022 erwarten wir einen Anstieg der in das System von d-uo dokumentierten neudiagnostizierten Tumorerkrankungen auf mehr als 15.000. Und zunehmend werden wir neben der Auswertung der Daten zu den Neuerkrankungen auch Krankheitsverläufe über die Zeit auswerten und publizieren.
Seit Oktober 2021 haben wir ein neues Projekt – das nationale Register Urothelkarzinom (UroNAT) eröffnet (2). Erstmals in Deutschland existiert nun eine Datenbank, in der das gesamte Therapiespektrum, vom operativen Eingriff über die medikamentösen Therapien bis hin zu komplexen multimodalen Therapieansätzen abgebildet werden kann. Dabei ist es uns gelungen, die Finanzierung des Projekts für die kommenden 3 Jahre zu sichern. Auch nach dieser Zeit wird dieses Register für das Urothelkarzinom fortgeführt.
Mit der hier vorgestellten neuartig geschaffenen Struktur besitzt d-uo in Deutschland ein absolutes Alleinstellungsmerkmal (3, 4).
Geschäftsstelle Berlin
Lepsiusstraße 92
12165 Berlin
Literatur:
(1) Robert Koch-Institut, Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister, Zentrum für Krebsregisterdaten. Krebs in Deutschland für 2017/2018. Im Internet: www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs (Aufruf am 24.5.2022)
(2) Eichenauer R et al. Journal Onkologie 2022; 2/2022:80-82.
(3) Johannsen M et al. Uro-News 2020;24:14-16.
(4) Klier J et al. UroNews 2021;11/2021:30-31.