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JOURNAL ONKOLOGIE 03/2023

Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms – Update 2023

PD Dr. med. Manfred Johannsen, Dr. med. Rolf Eichenauer, Dr. med. Jörg Klier, Prof. Dr. med. Frank König, Dr. med. Robert Schönfelder, Dr. med. Jörg Schröder, Elke Hempel und Prof. Dr. med. Christian Doehn

Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms – Update 2023
© Crystal light - stock.adobe.com
Die systemische Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC) befindet sich in einem stetigen Wandel, seitdem Anfang 2019 die Immun-Immun-Kombination aus den Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) Nivolumab und Ipilimumab zugelassen wurde (1). Aktuell sind 4 weitere Therapiekombinationen aus ICI und Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) zugelassen worden und konkurrieren um den Standard in der Erstlinientherapie (2). In diesem Überblick werden die aktuellen Daten in der systemischen Erstlinientherapie des mRCC vorgestellt und bewertet.

Erstlinientherapie des mRCC

Verfügbare Substanzkombinationen

In Tabelle 1 werden die 5 bisher zuge­lassenen Kombinationstherapien sowie die erste publizierte Dreifach-Kombination aufgeführt. Weiterhin werden die aktuellsten berichteten Nach­beobach­tungszeiten der Studien angegeben, die sich teilweise erheblich unterscheiden, was die Vergleichbarkeit der Studien­ergebnisse erschwert.
 
Tab. 1: ICI-basierte Kombinationstherapien mit Nachbeobachtungszeiträumen. n=Anzahl, *Patient:innen (intermediäre und schlechte Prognose) bzw. Patient:innen (alle 3 Risikogruppen), **bisher noch keine Vollpublikation verfügbar, ***Minimum anstelle Median
Tab. 1: ICI-basierte Kombinationstherapien mit Nachbeobachtungszeiträumen.

Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Wirksamkeitsparameter der 5 bisher zugelassenen Kombinationstherapien (Immun-Immun-Kombination Nivolumab + Ipilimumab, ICI-TKI-Kombinationen), bei denen der Vergleichsarm jeweils aus Sunitinib bestand, sowie der kürzlich vorgestellten Phase-III-Studie COSMIC-313, die als einzige eine Kombination als Vergleichsarm aufwies (Dreifach-Kombination vs. Nivo­lumab + Ipilimumab) (1, 3-12). Letztere schloss, wie auch überwiegend die CheckMate 214-Studie (Nivolumab + Ipilimumab vs. Sunitinib), Patient:innen mit intermediärem oder hohem Risiko nach den Kriterien des International Metastatic Renal-Cell Carcinoma Database Consortium (IMDC) ein, während alle anderen Studien alle Risikogruppen einschlossen (13). Dementsprechend wurde Nivolumab + Ipilimumab nur für die intermediäre und hohe Risikogruppe zugelassen, während die ICI-TKI-Kombinationen eine Zulassung in allen Risikogruppen erhielten.
 
Tab. 2: Überblick der Phase-III-Kombinationsstudien zur Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms. IMDC=International Metastatic Renal-Cell Carcinoma Database Consortium, CR=Komplettremission, PFS=progressionsfreies Überleben, OS=Gesamtüberleben, NR=noch nicht erreicht, HR=Hazard Ratio
Tab. 2: Überblick der Phase-III-Kombinationsstudien zur Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms.

Die 5 Kombinationsstudien unterschieden sich im Hinblick auf diverse Patient:innen- und Tumorfaktoren, vor allem der unterschiedlichen Anteile an eingeschlossenen Patient:innen mit den jeweiligen IMDC-Risikokategorien. Damit ist eine Vergleichbarkeit nur bedingt gegeben. Im Folgenden sollen die verschiedenen Parameter der Wirksamkeit dargestellt werden.

Ansprechrate

Das Ansprechen besteht aus dem kompletten Ansprechen (CR) und dem partiellen Ansprechen (PR) und stellte seit der Einführung der TKI einen wichtigen Parameter dar. Obwohl die TKI teilweise Ansprechraten bis 40% erreichten, war eine CR selten. Die ICI-basierten Kombinationen erreichen deutlich höhere Ansprechraten: von 42% (Nivolumab + Ipilimumab) bzw. 53% (Avelumab + Axitinib) sowie 56% (Nivolumab + Cabozantinib) und 60% (Pembrolizumab + Axitinib) bis zu 71% (Pembrolizumab + Lenvatinib, Tab. 2) (3-11). Unter Sunitinib-Monotherapie wurden in den Vergleichsarmen niedrigere Ansprechraten zwischen 27% und 40% berichtet.

Auch die CR-Rate war bei den Therapiekombinationen mit bis zu 17,2% (Pembrolizumab + Lenvatinib) vs. 4,2% unter Sunitinib enorm hoch (Tab. 2) (7).

Vor einer Therapiewahl sollte auch die Rate an primären Progredienzen in die Betrachtung einbezogen werden, die sich vor allem zwischen der Immun-Immun-Kombination aus Nivo­lumab + Ipilimumab (20%) und den ICI-TKI-Kombinationen deutlich unterscheidet (Pembrolizumab + Axitinib: 10%, Avelumab + Axitinib: 11%, Nivolumab + Cabozantinib: 5,6%, Pembrolizumab + Lenvatinib: 5,4%).

In der COSMIC-313-Studie erzielte die Dreifach-Kombination gegenüber dem Prüfarm Nivolumab + Ipilimumab einen marginalen Vorteil in der Ansprechrate, jedoch war die Rate an CR in beiden Armen gleich (8).

Progressionsfreies Überleben

Beim progressionsfreien Überleben (PFS) zeigt sich der deutlichste Unterschied zwischen einer reinen Immuntherapie (Nivolumab + Ipilimumab), bei der das PFS mit 11,2 vs. 8,3 Monaten unwesentlich höher ist als im Vergleichsarm, und den ICI-TKI-Kombinationen, wobei die Kombination aus Pembrolizumab + Lenvatinib mit 23,9 vs. 9,2 Monaten das höchste PFS zeigte (Tab. 2). Während die TKI mit ihrer Ansprechrate einen relativ raschen und breiten klinischen Benefit erzeugen, werden unter der Immuntherapie initial vergleichsweise mehr Patient:innen progredient. Der vorrangige Benefit der Immuntherapie liegt jedoch im langen Gesamtüberleben (OS) derjenigen Patient:innen, die auf die Therapie ansprechen.

In der COSMIC-313-Studie erzielte die Dreifach-Kombination mit Cabozantinib gegenüber dem Prüfarm Nivolumab + Ipilimumab ein signifikant längeres PFS und war damit bezüglich des primären Studienendpunkts positiv (8). Der Vorteil im PFS bestand in der aktuellen Auswertung vom amerikanischen ASCO-GU-Kongress 2023 nur in der intermediären, nicht jedoch in der ungüns­tigen Risikogruppe und betrug dort 17,9 vs. 11,3 Monate (HR=0,68) (9).
 
 

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Gesamtüberleben

Die ICI-basierten Kombinationen zeigten bislang alle einen signifikanten Vorteil im OS, mit Ausnahme von Avelumab + Axitinib, weshalb diese Kombination auch nur nachrangig in den Leitlinien Berücksichtigung findet (Tab. 2). Die CheckMate 214-Studie weist die längste Nachbeobachtungszeit auf und zeigte ein medianes OS für Patient:innen mit intermediärem oder hohem Risiko nach IMDC von 48,1 Monaten unter Nivolumab + Ipilimumab gegenüber 26,6 Monaten unter Sunitinib (11). Für die Kombination aus Nivolumab und Cabozantinib wurden die Daten mit 44 Monaten Nach­beobachtungszeit gerade beim ASCO-GU-Kongress 2023 präsentiert (9). Es konnte in der ITT-Population ein signifikanter Vorteil im OS von 49,5 Monaten vs. 35,5 unter Sunitinib demonstriert werden (HR=0,70). In der Subgruppe mit günstigem Risiko gab es keinen Vorteil für den Prüfarm gegenüber Sunitinib, jedoch in den intermediären und ungünstigen Risikogruppen (zusammengenommen 49,5 Monate vs. 29,2 Monate; HR=0,65). In den übrigen ICI-TKI-Kombinationen ist das OS noch nicht erreicht bzw. sind die Daten präliminär, es zeigt sich jedoch bereits ein Vorteil bzw. ein eindeutiger positiver Trend.

Etwas problematisch ist, wie oben schon angedeutet, die Beurteilung der Ergebnisse bei Patient:innen in der günstigen Risikogruppe, in der bislang keine der ICI-TKI-Kombinationen – ungeachtet der bestehenden Zulassung – einen signifikanten OS-Vorteil zeigen konnte. Aufgrund der noch zu niedrigen Anzahl an Ereignissen in diesen Subgruppen ist noch kein Vorteil der Kombinationen über die Monotherapie mit Sunitinib zu demonstrieren. Es scheint vor diesem Hintergrund auch unsicher, ob eine Kombination wirklich für jeden Patienten/jede Patientin mit mRCC und günstigem Risikoprofil als Standard angesehen werden sollte (14).

Therapieempfehlungen in der Erstlinie

Die Auswahl der systemischen Erstlinientherapie sollte grundsätzlich individuell anhand des vorliegenden IMDC-Prognose-Scores, der zu erwartenden Effektivität, des Toxizitätsspektrums und der Komorbidität der Patient:innen erfolgen. In die Therapieentscheidung einfließen sollten sowohl Patientenfaktoren (Allgemeinzustand, Alter, Begleitmedikation etc.) als auch Tumorfaktoren (Dynamik der Erkrankung, Symptomatik, Metastasenlast, histologischer Subtyp etc.).

Als Therapiestandards bei Pati­ent:innen mit mRCC aller Risikogruppen gelten die ICI-TKI-Kombinationen Pembrolizumab + Lenvatinib, Nivolumab + Cabozantinib und Pembrolizumab + Axitinib (15, 16). Für Patient:innen mit intermediärem oder hohem Risiko sollte neben den genannten auch Nivolumab + Ipilimumab verwendet werden (20). Für Patient:innen mit Kontraindikationen gegen eine ICI-Therapie können TKI zum Einsatz kommen (bei Patient:innen mit günstigem oder intermediärem Risiko Pazopanib, Sunitinib oder Tivozanib, bei Patient:innen mit hohem Risiko Cabozantinib oder Sunitinib) (15-17).

Die Frage, ob bei intermediärem/ungünstigem Risiko eher eine TKI + ICI- oder die Immun-Immun-Kombination zum Einsatz kommen sollte, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die höhere Ansprechrate der ICI-TKI-Kombinationen macht diese zu einer sicheren und effektiven Wahl, wird jedoch mit dauerhaften TKI-Nebenwirkungen erkauft. Unter Nivolumab + Ipilimumab sind die höhere Wahrscheinlichkeit einer primären Progredienz und das Risiko erheblicher immunvermittelter Nebenwirkungen zu bedenken, jedoch ist für die Patient:innen, die auf diese Therapie ansprechen, die Aussicht auf ein langes OS bei guter Lebensqualität unter Nivolumab attraktiv.

Die Dreifach-Kombination Nivolumab + Ipilimumab + Cabozantinib in der COSMIC-313-Studie war zwar formal positiv, jedoch kann der nur marginale Vorteil in der Ansprechrate sowie vor allem der Umstand, dass die Rate an CR in beiden Armen gleich war, als enttäuschend gewertet werden (9). Somit muss trotz noch ausstehender Analyse des OS bezweifelt werden, dass dieser Dreifach-Kombination, die auch mit einer höheren Toxizität einhergeht, eine große Bedeutung hinsichtlich zukünftiger Therapiestandards zukommen wird.
 
 

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Systemtherapie des nicht-klarzelligen mRCC

Im Vergleich zu Patient:innen mit klarzelligem mRCC zeigen Patient:innen mit nicht-klarzelligem Nierenzellkarzinom ein eher schlechteres Ansprechen auf VEGF- oder mTOR-gerichtete Therapien sowie ein kürzeres medianes OS (16). Da nicht-klarzellige mRCC in den meisten Studien ausgeschlossen wurden oder nur in sehr geringer Zahl eingeschlossen waren, ist die optimale Therapiestrategie bisher nicht gesichert. Grundsätzlich lautet die Empfehlung, die für die klarzelligen mRCC empfohlenen Therapiestrategien auch bei nicht-klarzelligen Tumoren einzusetzen, wobei die papillären relativ gut, die chromophoben mRCC jedoch schlecht auf alle verfügbaren Therapien ansprechen (16).

Für die Therapie des papillären mRCC kristallisieren sich in Phase-II-Studien die Kombinationen Nivolumab + Cabozantinib bzw. Pembrolizumab + Lenvatinib als vergleichsweise besonders effektiv heraus (18, 19). Bei Patient:innen mit papillären mRCC wurden in diesen Studien Ansprechraten von 47,5% unter Nivolumab + Cabozantinib (n=47) bzw. 52,9% unter Pembrolizumab + Lenvatinib (n=51) erreicht.

Eine sarkomatoide Differenzierung findet sich bei bis zu 5% aller Nierenzellkarzinome und geht mit einem aggressiveren Krankheitsverlauf einher. Sarkomatoide Nierenzellkarzinome scheinen eine höhere PD-L1-Expression und eine höhere PD-1-positive Zelldichte als klarzellige Nierenzell­karzinome zu haben und sollten daher unbedingt eine ICI-basierte Kombinationstherapie erhalten. Bei mit Ipilimumab + Nivolumab behandeltem sarkomatoiden mRCC mit intermediärem und hohem Risiko wurde eine Ansprechrate von 60,8% gegenüber 23,1% in der Sunitinib-Gruppe sowie eine Rate von 19% gegenüber 3% an CR berichtet (20). Auch die ICI-Kombination Pembrolizumab + Axitinib zeigte bei diesen Patient:innen eine hohe Ansprechrate von 58,8% (4).
 
PD Dr. med. Manfred Johannsen
PD Dr. med. Manfred Johannsen
d-uo-Vorstand - Stellvertretender

Geschäftsstelle Berlin
Lepsiusstraße 92
12165 Berlin
   
Literatur:

(1) Motzer RJ et al. N Engl J Med 2018;378:1277-90.
(2) Johannsen M et al. UroNews 2021;25(4):36-41.
(3) Motzer R et al. N Engl J Med 2019;380:1103-15.
(4) Rini BI et al. N Engl J Med 2019;380:1116-27.
(5) Choueiri T et al. N Engl J Med 2021;384:829-41.
(6) Powles T et al. Poster presented at ASCO GU 2023. Abstr. 605.
(7) Motzer R et al. N Engl J Med 2021;384:1289-1300.
(8) Choueiri et al. Ann Oncol 2022;33:S1430-S1431.
(9) Burotto M et al. Presented at ASCO GU 2023. Abstr. 603.
(10) Rini BI et al. J Clin Oncol 2021;39:4500.
(11) Motzer RJ et al. Cancer 2022;128(11):2085-97.
(12) Choueiri TK et al. Ann Oncol 2020;31(8):1030-9.
(13) Heng D et al. Lancet Oncol 2013;14(2):102-3.
(14) Ciccarese C et al. Eur Urol 2023;83(2):e45-e46.
(15) Ljungberg B et al. Eur Urol 2022;82:399-410.
(16) Leitlinienprogramm Onkologie: Nierenzellkarzinom, Langversion 3.0, 2021, AWMF-Registernummer: 043/017OL, Stand: 20.02.2023.
(17) Krege S et al. Dtsch Arztebl 2021;118(11):[6].
(18) Lee CH et al. J Clin Oncol 2022;40(21):2333-41.
(19) Albiges L et al. Ann Oncol 2022;33(suppl_7): S660-S680.
(20) McDermott DF et al. J Clin Oncol 2019;37:4513.


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