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JOURNAL ONKOLOGIE 07/08/2020

Die Immunonkologie in der Erstlinientherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – verdrängt oder ergänzt sie die Chemotherapie?

R. Eichenauer, M. Johannsen, R. Schönfelder, F. König, J. Klier, J. Schröder, E. Hempel, C. Doehn, Berlin.
Die Einführung der Immuncheckpoint-Inhibitoren, welche die PD-1/PD-L1 (programmed cell death-ligand 1)-Achse blockieren, hat zu einer erheblichen Erweiterung des therapeutischen Spektrums in der Uroonkologie geführt. Im Bereich des Urothelkarzinoms (UK) traf diese Entwicklung auf eine seit mehr als 10 Jahren andauernde therapeutische Stagnation. Die sog. Immunonkologika (IO) sind bereits Bestandteil der ersten beiden Therapielinien beim metastasierten UK (mUK). Die Frage, ob sie die Chemotherapie in der Erstlinientherapie als Standard ergänzen oder sogar verdrängen könnten, ist bislang unbeantwortet. Beim diesjährigen ASCO-Kongress wurden 2 Studien in dieser Indikation vorgestellt, die neue Konzepte für die Zukunft erkennen lassen.
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Die PD-L1-Expression kann beim mUK als prädiktives Selektionskriterium gelten, seit Zwischenauswertungen der 3-armigen Erstlinienstudien für die Substanzen Pembrolizumab (KEYNOTE-361) und Atezolizumab (IMvigor130) ergaben, dass die Mono-IO-Arme bei Patienten mit geringer PD-L1-Expression deutlich schlechtere Ergebnisse hinsichtlich des Gesamtüberlebens (OS) zeigten. Daraufhin erwirkte die EMA, dass nur die Kombinationsstudienarme der IO mit der Chemotherapie sowie die Mono-Chemotherapie-Arme weitergeführt wurden. In der Konsequenz darf eine Monotherapie mit Pembrolizumab oder Atezolizumab bei Cisplatin-ungeeigneten Patienten in der Erstlinie nur dann durchgeführt werden, wenn der Nachweis eines kombinierten positiven Scores (CPS) ≥ 10 (für Pembrolizumab) bzw. Immunzellen-Scores (IC) ≥ 5 (für Atezolizumab) vorliegt. Welche weiteren Ergebnisse den Stellenwert der IO in der Erstlinientherapie des mUK definieren könnten, wurde mit Spannung erwartet. Zwei unterschiedliche Strategien der Erstlinientherapie des mUK, nämlich die weiteren Ergebnisse mit Atezolizumab aus der IMvigor130-Studie und die Erhaltungstherapie mit Avelumab nach initialem Ansprechen auf eine Chemotherapie, sollen in diesem Beitrag vorgestellt werden.
Atezolizumab mit oder ohne Chemotherapie
Die multizentrische, randomisierte, Placebo-kontrollierte, 3-armige Phase-III-Studie IMvigor130 verglich bei 1.200 Patienten mit mUK die Kombination aus dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab mit Chemotherapie (Arm A) mit der Atezolizumab-Monotherapie (Arm B) und der Chemotherapie + Placebo (Arm C, Abb. 1). Primäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS) und das OS. Die ersten Daten wurden zum ESMO-Kongress 2019 präsentiert (1): Das mediane PFS lag bei 8,2 vs. 6,3 Monaten mit Atezolizumab/Platin-haltige Chemotherapie vs. Placebo/Platin-haltige Chemotherapie (HR=0,82; p=0,007). Die Interimsanalyse des OS zeigte einen Trend für ein besseres Ergebnis in der Kombinationsgruppe vs. Platin-haltiger Chemotherapie alleine (16 vs. 13,4 Monate). Bei Patienten mit einer Überexpression von PD-L1 zeigte sich in der Analyse des OS ein Trend zugunsten einer Monotherapie mit Atezolizumab vs. Platin-haltige Chemotherapie (15,7 vs. 13,1 Monate). Die Gesamtansprechrate lag bei 47% vs. 23% vs. 44% mit der Kombination vs. Atezolizumab vs. Platin-haltige Chemotherapie. Die Rate eines kompletten Ansprechens betrug 13% vs. 6% vs. 7%. Somit wurde die Kombination von Atezolizumab + Chemotherapie trotz der guten Ansprechrate und des PFS-Vorteils noch nicht als neuer Standard gesehen.
 
Abb. 1: Studiendesign der IMvigor130-Studie.
Abb. 1: Studiendesign der IMvigor130-Studie.



Beim diesjährigen ASCO-Kongress wurden nun Daten zur explorativen Analyse von mit Tumorzellen und Tumormutationslast assoziierten Biomarkern und dem OS berichtet (2). Als Marker für ein verbessertes OS bei Patienten im Atezolizumab-Monotherapie-Arm (Arm B) gegenüber dem Platin-haltigen Chemotherapie + Placebo-Arm (Arm C) wurden v.a. eine hohe PD-L1-Expression (Abb. 2), weiterhin eine hohe tumor mutational burden (TMB) und die APOBEC (apolipoprotein B mRNA editing enzyme, catalytic polypeptide-like)-Mutationssignatur identifiziert. Im Kombinationsarm (Arm A) waren diese Effekte jedoch nicht so ausgeprägt, was die Ergebnisse bislang schwer interpretierbar macht. Des Weiteren erfüllen laut Literatur ca. 30% der mUK-Patienten nicht die Kriterien für die Gabe von Cisplatin (3). In der IMvigor130-Studie erhielten jedoch nur 30% der Chemotherapie-Patienten Cisplatin und 70% Carboplatin, was nicht der deutschen Therapierealität entsprechen dürfte.
 
Abb. 2: Gesamtüberleben (OS) in der IMvigor130-Studie.
Abb. 2: Gesamtüberleben (OS) in der IMvigor130-Studie.
 
Avelumab als Erhaltungstherapie nach Ansprechen auf eine Chemotherapie
Die JAVELIN Bladder 100-Studie untersuchte die innovative Fragestellung, ob bei Patienten, die auf eine Platin-haltige Erstlinienchemotherapie mit Remission oder Stabilisierung ansprachen, der Wechsel zu einem Checkpoint-Inhibitor als Erhaltungstherapie sinnvoll ist. In dieser multizentrischen randomisierten, offenen Phase-III-Studie mit Parallelgruppe wurde der PD-L1-Inhibitor Avelumab + Best Supportive Care (BSC) im Vergleich zu BSC allein bei 700 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder mUK untersucht, deren Tumorerkrankung nach Abschluss einer Platin-haltigen Erstlinienchemotherapie (max. 6 Zyklen) nicht fortgeschritten war (4). BSC umfasste dabei z.B. Flüssigkeitszufuhr, Schmerztherapie oder eine palliative lokale Strahlentherapie, jedoch keine systemische Antitumor-Therapie. Der primäre Endpunkt der Studie war das OS, sekundäre Endpunkte waren u.a. PFS und Antitumor-Aktivität (Abb. 3). Etwa die Hälfte aller Patienten wies einen positiven PD-L1-Status auf. Ein Crossover war nicht vorgesehen, jedoch erhielten 43,7% der Patienten im Kontrollarm nach Progress unter BSC einen PD-1/PD-L1-Inhibitor.

 
Abb. 3: Studiendesign der JAVELIN Bladder 100-Studie.
Abb. 3: Studiendesign der JAVELIN Bladder 100-Studie.

Die JAVELIN Bladder 100-Studie erreichte ihren primären Endpunkt (Abb. 4): Das mediane OS wurde durch die Avelumab-Erhaltungstherapie von 14,3 auf 21,4 Monate verlängert (HR=0,69; 95%-KI: 0,56-0,86; p<0,001). Nach 12 Monaten lebten 71% vs. 58% der Patienten beider Studienarme, nach 18 Monaten 61% vs. 44%. Allerdings handelt es sich um ein bereits positiv selektioniertes Ausgangskollektiv, da Patienten mit Progress auf die Chemotherapie nicht eingeschlossen wurden. Avelumab als Erstlinien-Erhaltungstherapie für Patienten, deren Erkrankung unter einer Platin-haltigen Induktionschemotherapie nicht fortgeschritten ist, könnte einen neuen Standard in der Erstlinienbehandlung des mUK darstellen.
 
Abb. 4: Gesamtüberleben (OS) in der JAVELIN Bladder 100-Studie.
Abb. 4: Gesamtüberleben (OS) in der JAVELIN Bladder 100-Studie.
 
Fazit
Die Frage, ob die IO die Platin-haltige Chemotherapie in der Erstlinientherapie des mUK ersetzen könnte, muss derzeit noch verneint werden. Die Platin-haltige Chemotherapie erzielt nach wie vor in dieser Indikation einen hohen klinischen Benefit von ca. 85%. Die Sinnhaftigkeit der Kombination mit der IO, beispielsweise Atezolizumab, erscheint bei noch unreifen Daten zum OS derzeit fraglich. Da das Problem der Platin-haltigen Chemotherapie in der Erstlinientherapie eher in der Toxizität und dem – unter Chemotherapiepause – zu erwartenden erneuten Krankheitsauftreten besteht, sind neue Ansätze willkommen, wie die IO und die Chemotherapie sinnvoll kombiniert oder alterniert werden können. Hier könnte die Avelumab-Erhaltungstherapie für die Mehrheit der Patienten – nämlich alle diejenigen, die ein Ansprechen oder eine Stabilisierung zeigen – zukünftig eine gut verträgliche und effektive Therapieoption darstellen. Avelumab ist in Deutschland bisher nur für die Therapie des Nierenzellkarzinoms in Kombination mit Axitinib zugelassen. Die Deutschen Uro-Onkologen (d-uo) werden die Versorgungslage beim Urothelkarzinom mit einem Urothelkarzinom-Register begleiten und für deutsche „real world data“ sorgen (5).


Deutsche Uro-Onkologen e.V.
Geschäftsstelle c/o SMG Forschungsgesellschaft mbH
Claire-Waldoff-Str. 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284450-05, Fax: 030/284450-09
E-Mail: info@smgf.de, Internet: www.d-uo.de
Literatur:

(1) Grande E et al. Ann Oncol 2019;30 (suppl_5): v851-v934.
(2) Galsky M et al. J Clin Oncol 38: 2020 (suppl; abstr 5011).
(3) Dash A et al. Cancer 2006;107(3):506-13.
(4) Powles T et al. J Clin Oncol 38: 2020 (suppl; abstr LBA1).
(5) Johannsen M et al. Uro News 2020; 24(1): 14-16.


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