Management von Krebspatienten in Zeiten der Coronavirus-Pandemie
M. Johannsen, J. Klier, F. König, R. Eichenauer, R. Schönfelder, C. Doehn, d-uo-Vorstand (Geschäftsstelle Berlin, Claire-Waldoff-Str. 3; 10117 Berlin), J. Schröder, d-uo-Servicegesellschaft (Berlin), E. Hempel, SMG Forschungsgesellschaft mbH (Berlin), T. Speck, Vorstand Deutsche Gesellschaft für Urologie, R. Zillmann, Vorstand Gesellschaft zur Förderung der ambulanten Uro-Onkologie Berlin-Brandenburg e.V. (GfAUO).
27. April 2020
Aufgrund der rasch steigenden Zahl der in Deutschland mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten und infolgedessen an COVID-19 erkrankten Menschen (Stand 09. April 2020: 108.202 bestätigte Erkrankungsfälle, darunter 2.107 Todesfälle (1)) und Berichten über eine erhöhte Erkrankungsrate bei an Krebs erkrankten Personen sind viele Patienten beunruhigt. Daher möchten die Deutschen Uro-Onkologen (d-uo) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) mit den folgenden Informationen zur Aufklärung beitragen, welches Vorgehen bei Krebspatienten und deren Behandlung nach dem derzeitigen Stand empfohlen werden kann. Grundsätzlich sollte die Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus nicht die Behandlung einer Krebserkrankung beeinträchtigen.
Ist das COVID-19-Risiko bei Krebspatienten erhöht?
COVID-19 ist der Name einer durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2, das strukturell mit dem Erreger von SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) verwandt ist, hervorgerufenen Viruserkrankung. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann zu Symptomen wie Fieber, trockenem Husten, Schnupfen und Abgeschlagenheit führen, auch über Atemprobleme, Halskratzen, Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost und Geschmacksstörungen wurde berichtet. Einige Betroffene leiden an Übelkeit und Durchfall. Die Krankheitsverläufe sind unterschiedlich, von symptomlosen Verläufen, überwiegend milden Beschwerden bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen (1). Die Sterblichkeit liegt laut der Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) bei ca. 3,4% (Stand: 3. März 2020) (2), variiert jedoch stark nach Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen. Bei Männern ist die Sterblichkeitsrate einer Studie aus China zufolge höher als bei Frauen. Die höchste Sterblichkeitsrate fand sich bei vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ca. 10,5%), wohingegen diese bei Krebspatienten mit ca. 5,6% vergleichsweise niedriger war als bei Patienten mit Diabetes (7,3%), Atemwegserkrankungen (6,3%) oder Bluthochdruck (6%) (3). Der Krankheitsverlauf ist somit schwerwiegender bei älteren Patienten und bei Patienten mit vorbestehenden Krankheiten. Für eine höhere Gefährdung von Patienten mit Krebserkrankungen spricht derzeit jedoch nichts (4).
Sind immungeschwächte Patienten besonders gefährdet?
Es gibt bisher keine Berichte über eine erhöhte Erkrankungsrate bei Patienten mit primären oder sekundären Immundefekten. Es wird jedoch angenommen, dass diese Patientengruppe ein höheres Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 und entsprechenden Erkrankungsfolgen haben könnte (5). Dazu gehören auch die chemotherapiebedingte Leukozytopenie oder die ggf. therapiebegleitende Immunsuppression mit Steroiden oder Antikörpern. Behandelnde Ärzte sollten mit ihren Patienten über das individuelle Risiko sprechen und im Einzelfall gemeinsam entscheiden.
Worauf müssen Krebspatienten achten?
Für Krebspatienten gelten die gleichen Schutzmaßnahmen, die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für die Gesamtbevölkerung empfohlen werden (Zugriff: 07. April 2020) (6): Hände häufig mit Seife waschen oder desinfizieren, Distanz (1,5 Meter) zu Personen mit Infekten halten sowie die Einschränkung sozialer Kontakte. Seit dem 23. März 2020 gilt eine bundesweite Kontaktsperre, d.h. Ansammlungen von mehr als 2 Personen sind in der Öffentlichkeit verboten. Bei Anzeichen einer Erkrankung wie Husten, Erkältungssymptomen und Fieber sollte man zuhause bleiben. Im Falle ernsterer Symptome wird zu telefonischem Kontakt mit dem Hausarzt bzw. dem ärztlichen Bereitschaftsdienst geraten (Nummer: 116117). Die mittlere Inkubationszeit liegt bei etwa einer Woche. Nach einer Quarantäne von 14 Tagen gilt eine Infektion als unwahrscheinlich, jedoch nicht als ausgeschlossen. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hält Informationen zum Umgang mit dem Verdacht bzw. einer Erkrankung an COVID-19 bereit (Zugriff: 07. April 2020) (7).
Worauf müssen behandelnde Ärzte achten?
Für behandelnde Ärzte gelten ebenfalls die o.g. Verhaltensregeln, sofern diese im Patientenkontakt abhängig von den medizinischen Erfordernissen aufrechtzuerhalten sind. Bezogen auf die aktuelle Situation sind frühzeitige Informationen über Virus-bedingte Symptome ihrer Patienten und eine Infektion mit SARS-CoV-2 essenziell. Dass COVID-19 einen ähnlichen Verlauf wie eine Hypersensitivitätspneumonie haben kann (8), ist bei Medikamenten wie Checkpoint-Inhibitoren zu berücksichtigen, die diese Nebenwirkung ebenfalls verursachen können. Notwendige Bluttransfusionen sollten nicht verzögert werden, da bisher keine Berichte über die Übertragung von COVID-19 durch Blutübertragungen vorliegen. Personen mit Infektionen sowie Personen mit Kontakt zu Infektionsträgern in den letzten 4 Wochen werden in Deutschland ohnehin nicht zur Blutspende zugelassen.
Sollen Krebstherapien verschoben werden?
In einem weitreichenden Beschluss von Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder vom 12. März 2020 sollen ab dem 16. März 2020 u.a. alle nicht dringlichen elektiven Operationen in den Krankenhäusern auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Dies gilt jedoch nicht grundsätzlich für dringliche Operationen bei Krebserkrankungen. Eine Kontraindikation für die Durchführung einer Chemo-, Antikörper- oder Immuntherapie besteht angesichts der aktuellen Pandemielage ebenfalls nicht. Bei den meisten Krebskranken steht der Nutzen einer sinnvollen und geplanten Krebstherapie über dem Risiko einer möglichen Infektion mit SARS-CoV-2. Bei Patienten mit chronischer und in Remission befindlicher Krebserkrankung kann individuell über eine Therapieverschiebung entschieden werden. Bei Krebspatienten mit nachgewiesener COVID-19-Erkrankung sollte die Tumortherapie unterbrochen werden, bis die Patienten keine Virus-bedingten Symptome mehr haben und nachgewiesen negativ sind. Einen detaillierteren Überblick zum Thema gibt die Onkopedia-Leitlinie (Zugriff: 07. April 2020) (9).
Deutsche Uro-Onkologen e.V. (Geschäftsstelle)
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