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JOURNAL ONKOLOGIE 07/08/2022

Wird die Tripeltherapie der neue Standard für das mHSPC? – die Sicht von d-uo

PD Dr. med. Manfred Johannsen, Dr. med. Jörg Klier, Dr. med. Robert Schönfelder, Dr. med. Rolf Eichenauer, Prof. Dr. med. Christian Doehn, Dr. med. Jörg Schröder, Elke Hempel und Prof. Dr. med. Frank König

Wird die Tripeltherapie der neue Standard für das mHSPC? – die Sicht von d-uo
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Die Androgendeprivationstherapie (ADT) ist bis heute Standard in der Behandlung des Prostatakarzinoms. Seit der Einführung der Chemohormontherapie für das hormonsensitive metastasierte Prostatakarzinom (mHSPC) im Jahr 2014 hat sich die medikamentöse Therapie jedoch noch weiter von der Sequenz in Richtung der frühen Kombination verändert – stehen doch nunmehr bereits 2 Tripeltherapien zur Verfügung bzw. vor der Zulassung. Diese Entwicklung hat nicht nur zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) der betroffenen Patienten geführt, sie scheint auch weiter zu untermauern, dass eine intensivierte frühe Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms den Verlauf deutlich günstiger beeinflusst, als dies nachfolgende Therapien im kastrationsresistenten Stadium noch vermögen. Inwieweit dies nur für die Patienten mit „High-volume“- bzw. „High-risk“-Kriterien gilt, die verfügbare Evidenz zur Tripeltherapie des mHSPC sowie noch offene Fragen werden in diesem Beitrag vorgestellt.
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Medikamentöse Therapie des mHSPC

Die Ergebnisse der CHAARTED-Studie wurden 2014 auf der ASCO-Jahrestagung in Chicago erstmalig vorgestellt. Die simultane Gabe von bis zu 6 Zyklen Chemotherapie mit Docetaxel zusätzlich zur ADT erbrachte bei Patienten mit „High-volume“-Kriterien (mindestens 4 Knochenmetastasen, davon mindes­tens eine außerhalb von Becken und Wirbelsäule und/oder viszerale Metastasen) einen Vorteil im OS von 17 Monaten (1). Dagegen profitierten die Patienten mit „Low-volume“-Kriterien nicht von der Doppeltherapie (2). Die LATITUDE-Studie erbrachte 2017 den Nachweis, dass neu diagnostizierte (de-novo-)Patienten mit einem mHSPC und den hier zugrundegelegten „High-risk“-Kriterien (mindestens 2 der 3 Kriterien: Gleason-Score ≥ 8, ≥ 3 ossäre Metastasen bzw. messbare viszerale Läsionen) unter einer simultanen Doppeltherapie mit ADT + Abirateron/Prednison einen OS-Vorteil von 16,8 Monaten aufwiesen (3). Beide bisherigen Ansätze, die Chemohormontherapie und die ADT-Abirateron/Prednison-Kombination, konnten in 2 verschiedenen Armen der britischen STAMPEDE-Studie ebenfalls bestätigt werden (4, 5).

Zwei weitere Androgenrezeptor-Antagonisten der 2. Generation, Apalutamid und Enzalutamid, wurden ebenfalls in Kombination mit der ADT bei Patienten ohne Unterteilung in Risikokriterien geprüft und 2019 vorgestellt. Sowohl in der TITAN-Studie (Apalutamid) als auch in der ENZAMET-Studie (Enzalutamid) konnte das OS durch die Kombination gegenüber ADT allein signifikant verlängert werden (6, 7). Die ARCHES-Studie konnte zuvor auch einen Vorteil für die Kombination von Enzalutamid + ADT zeigen, hatte jedoch nicht das OS als primären Endpunkt (8). Apalutamid ist seit 2020, Enzalutamid seit 2021 zur Behandlung des mHSPC in Deutschland zugelassen.
 
 

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Tripeltherapie des mHSPC

Die Entwicklung der Kombinationstherapie des mHSPC im Laufe der Zeit von der Doppel- zur Tripeltherapie ist schematisch in Abb. 1 dargestellt. In 3 der oben genannten Studien mit Androgenrezeptor-Antagonisten der 2. Generation waren in unterschiedlichem Umfang auch Patienten eingeschlossen, die zusätzlich Docetaxel – also eine Dreifachtherapie – erhalten hatten: TITAN (11%, vor Apalutamid), ARCHES (18%, vor Enzalutamid) und ENZAMET (45%, überwiegend simultan mit Enzalutamid). In der TITAN-Studie verlängerte Apalutamid auch in der Docetaxel-vorbehandelten Subgruppe zwar das radiographische progressionsfreie Überleben (rPFS), jedoch nicht das OS. Auch in der ARCHES-Studie konnte durch Enzalutamid ein Vorteil im rPFS auch bei den Docetaxel-vorbehandelten Patienten erzielt werden, jedoch kein OS-Vorteil gegenüber den nicht chemotherapierten Patienten. In der ENZAMET-Studie handelte es sich um überwiegend gleichzeitige, jedoch z.T. auch vor Enzalutamid-Beginn erfolgte Docetaxel-Administration. Hier zeigte sich interessanterweise zwar ein signifikanter Vorteil bei den dreifach behandelten Patienten, was das biochemische und das klinische PFS betrifft, jedoch erneut kein Vorteil im OS.
 
Abb. 1: Entwicklung der Kombinationstherapie des mHSPC im Wandel der Zeit: von der Doppel- zur Tripeltherapie (Studien jeweils unter den Substanznamen aufgeführt. Darolutamid ist beim mHSPC in Deutschland noch nicht zugelassen).
Abb. 1: Entwicklung der Kombinationstherapie des mHSPC im Wandel der Zeit: von der Doppel- zur Tripeltherapie (Studien jeweils unter den Substanznamen aufgeführt. Darolutamid ist beim mHSPC in Deutschland noch nicht zugelassen).

Ob die Studienzusammensetzung eine Rolle dabei gespielt haben könnte, dass in keiner dieser Studien ein OS-Vorteil für die dreifach behandelten Subgruppen gezeigt werden konnte, bleibt spekulativ. Möglicherweise spielt es eine Rolle, dass die Chemotherapie gleichzeitig mit dem Androgenrezeptor-Antagonisten der 2. Generation verabreicht wird, was nur in der ENZAMET-Studie, und auch dort nur zum Teil, der Fall war. Zudem waren die Patienten in diesen Studien „all-comers“, also nicht nur Hochrisiko-Patienten, und der Anteil an de-novo-mHSPC in diesen Studien betrug zwischen 61% und 81%, während er in der PEACE-1-Studie 100% betrug.

PEACE-1-Studie

Die PEACE-1-Studie war die erste Studie, die systematisch untersuchte, ob Patienten mit einem mHSPC und einer Doppeltherapie (ADT + Docetaxel) zusätzlich profitieren, wenn sie simultan Abirateron und/oder eine Bestrahlung erhalten. Fizazi et al. konnten 2021 in einem 2+2-faktoriellen Design an 1.173 Patienten zeigen, dass Patienten mit „High-risk“-Kriterien durch eine zusätzliche Behandlung mit Abirateron und/oder einer Bestrahlung einen zusätzlichen Überlebensvorteil von > 1 Jahr im Vergleich zur Kombination von Chemotherapie und ADT haben (9). Bei einem medianen Follow-up von 4,4 Jahren bestand ein OS-Vorteil in dem Arm mit der Tripeltherapie mit Abirateron/Prednison von 25%, entsprechend einer Hazard Ratio (HR) von 0,75. Dabei schien die Bestrahlung für den Effekt nicht ausschlaggebend zu sein. In der Gruppe mit „Low-risk“-Kriterien war der Effekt hinsichtlich des OS nicht signifikant. Im Hinblick auf die Verträglichkeit gab es bei den Grad-3-5-Nebenwirkungen unter zusätzlicher Abirateron/Prednison-Gabe mehr Lebertoxizität (6% vs. 1%) und Hypertonie (22% vs. 13%).

ARASENS-Studie

Beim ASCO-GU 2022 wurden die Daten der ARASENS-Studie vorgestellt. Insgesamt 1.305 Patienten mit einem mHSPC (90% de-novo) und überwiegend „High-risk“-Kriterien (78% Gleason-Score ≥ 8, knapp 80% ossär metastasiert) wurden in 2 Arme randomisiert: Im Prüfarm 6 Zyklen Docetaxel sowie der Androgenrezeptor-Antagonist Darolutamid + ADT und im Kontroll­arm 6 Zyklen Docetaxel und Placebo + ADT. Primärer Endpunkt der Studie war das OS. Darolutamid in Kombination mit einer ADT und Docetaxel verbesserte das OS im Vergleich zu Placebo signifikant mit einer HR von 0,68 (10). Nach 4 Jahren waren im Behandlungsarm noch 62,7% der Patienten am Leben (medianes OS NE) gegenüber 50,4% im Kontrollarm (medianes OS 48,9 Monate), was einer Risikoreduktion von 32,5% entspricht. Bemerkenswert an den Ergebnissen ist dabei, dass in der Subgruppenanalyse zum OS Patienten mit einem Gleason-Score von < 8 und ≥ 8 gleich gut von der Tripeltherapie mit Darolutamid profitierten. Ferner zeichnet sich Darolutamid durch ein vergleichsweise sehr gutes Nebenwirkungsprofil aus. In der Tat gab es bei der Anzahl der für die Substanzklasse relevanten unerwünschten Ereignisse wie Fatigue, Frakturen, Stürze, Exanthem etc. keine relevanten Unterschiede zwischen der Darolutamid- und der Placebo-Gruppe. Die Zulassung ist in Deutschland beantragt, steht jedoch noch aus.
 
 

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Fazit

Die Frage, ob die Tripeltherapie als neuer Standard für die Therapie des mHSPC anzusehen ist, erübrigt sich noch insofern, als dass nicht einmal 8 Jahre nach Einführung der CHAARTED-Daten die Doppeltherapie aus ADT + Docetaxel bzw. ADT + Androgenrezeptor-Antagonisten der 2. Generation flächendeckend in der Behandlung verankert sein dürfte. Darauf weisen zumindest Daten aus dem Ausland wie Australien, Kanada, USA und Schottland hin, aus denen hervorgeht, dass bestenfalls 25-50% aller geeigneten Patienten mit einer Kombination in der Erstlinie behandelt werden (11-14). Das geplante ProNAT-Prostatakarzinom­register von d-uo könnte u.a. zu dieser Frage für Deutschland Aufschluss geben (15).
 
 

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Die bisherigen Daten zweier prospektiver randomisierter Studien weisen darauf hin, dass die Tripeltherapie ein im Vergleich zur Kombination aus ADT + Docetaxel nochmal um > 1 Jahr höheres OS ermöglicht. In beiden Studien waren die Prüfarme gegen diesen „Standard“ der Chemohormontherapie randomisiert, nicht jedoch gegen die Hormon-Hormon-Kombination. Der Vorteil der Tripeltherapie gegenüber der Kombination aus ADT und Apalutamid, Abirateron/Prednison oder Enzalutamid dürfte etwas geringer ausfallen. In der Tat bildet heutzutage v.a. diese Hormon-Hormon-Kombination die Wirkgrundlage der Doppeltherapie, Docetaxel muss zusätzlich dazu als mögliches „add-on“ verstanden werden (16, 17). Der fehlende Vergleich der Dreifach-Therapie mit der Hormon-Hormon-Kombination wird daher auch als Limitation der beiden Studien interpretiert (16). Dieser Kritik schließen wir uns an, insbesondere der Benefit der zusätzlichen Chemotherapie für Patienten mit mHSPC und weniger ungüns­tigen Risikokriterien erscheint derzeit noch fraglich.

Die Tripeltherapie mit ADT, Docetaxel + Abirateron/Prednison bietet laut der PEACE-1-Studie nur bei Patienten mit „High-risk“-Kriterien einen signifikanten OS-Vorteil. Sie geht mit einem insgesamt unproblematischen, jedoch etwas erhöhten Nebenwirkungsprofil einher. Darolutamid hat sich in der ARASENS-Studie als eine wirksame und sichere Alternative für Patienten mit einem mHSPC erwiesen, die das Nebenwirkungsspektrum der Tripeltherapie nicht erhöht. Zudem muss die Therapie nach der Chemotherapie nicht zusammen mit Kortison fortgesetzt werden. Ein interessanter Aspekt ist auch die Tatsache, dass der OS-Vorteil dieses Tripletts bisher unabhängig vom Risikoprofil bei allen Patienten beobachtet wurde. Der Zulassung in Deutschland wird mit Spannung entgegengesehen.
 
PD Dr. med. Manfred Johannsen
PD Dr. med. Manfred Johannsen
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E-Mail: info@smgf.de
Internet: www.d-uo.de
Literatur:

(1) Sweeney CJ et al. N Engl J Med 2015;373:737-46.
(2) Kyriakopoulos CE et al. J Clin Oncol 2018;36:1080-87.
(3) Fizazi K et al. N Engl J Med 2017;377:352-60.
(4) James ND et al. Lancet 2016;387:1163-77.
(5) James ND et al. N Engl J Med 2017;377:338-51.
(6) Chi KN et al. N Engl J Med 2019;381:13-24.
(7) Davis ID et al. N Engl J Med 2019;381:121-31.
(8) Armstrong AJ et al. J Clin Oncol 2019;32:2974-86.
(9) Fizazi K et al. Lancet 2022;399(10336):1695-707.
(10) Smith MR et al. N Engl J Med 2022;386(12).
(11) Azad AA et al. Internal Med J; in press. https://doi.org/10.1111/imj.15288
(12) Wallis CJD et al. JNCI Cancer Spectrum 2021;5:pkab082.
(13) George DJ et al. Ann Oncol 2021;32:S655-6.
(14) Rulach RJ et al. BJU Int 2018;121:268-74.
(15) König F et al. Journal Onkologie 2021;12:66.
(16) Kartolo A et al. J Clin Oncol 2022: JCO2200705.
(17) Davis I et al. Ther Adv Med Oncol 2022;14:1-12.


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