22. Februar 2022
Deutsche Uro-Onkologen e.V. (d-uo) haben als Ziel, als Interessenverband die wissenschaftlichen, ökonomischen, sozialpolitischen und qualitätssichernden Maßnahmen der niedergelassenen Uro-Onkolog:innen in Deutschland zu organisieren und zu vertreten. Seit Mai 2018 dokumentieren Mitglieder von d-uo urologische Tumorerkrankungen im Rahmen der VERSUS-Studie (VERSorgUngsStudie) (1). Basierend auf den Erkenntnissen der VERSUS-Studie zum Urothelkarzinom steht seit Oktober 2021 das Nationale Register Urothelkarzinom (UroNAT) von d-uo zur Verfügung (2). Mit diesem deutschlandweit geführten Register wird d-uo seinem Anspruch auf profunde Datenerhebung gerecht.
Das Urothelkarzinom ist nach dem Prostatakarzinom der zweithäufigste urologische Tumor und in Deutschland der vierthäufigste Tumor bei Männern bzw. der 12.-häufigste bei Frauen (3). Im Jahr 2018 erkrankten in Deutschland rund 18.270 Personen an einem invasiven Harnblasenkarzinom, davon 4.770 Frauen (3). Hinzu kamen noch rund 12.770 Erkrankte an nicht-invasiven papillären Karzinomen und In-situ-Tumoren der Blase (3). Vor allem bei Letzteren besteht ein erhöhtes Risiko für das Fortschreiten des Tumorwachstums (Progression) und Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv). Daher besitzen sie besondere klinische Relevanz, obwohl sie nach ICD-10 derzeit nicht zu den bösartigen Tumoren gezählt werden (3).
Viele Fragen zu ambulanter Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Urothelkarzinoms in Deutschland sind unzureichend untersucht.
Besonders stolz sind wir auf unser Nationales Register Urothelkarzinom UroNAT, das im Oktober 2021 an den Start gebracht wurde (4). Erstmals in Deutschland existiert nun eine Datenbank, in der das gesamte Therapiespektrum, vom operativen Eingriff über die medikamentösen Therapien bis hin zu komplexen multimodalen Therapieansätzen abgebildet werden kann. Dabei ist es uns gelungen, die Finanzierung des Projekts für die kommenden 3 Jahre zu sichern. Auch nach dieser Zeit wird dieses Register für das Urothelkarzinom fortgeführt.
Aktuell sind wir in der Planung, auch solch ein Register für das Prostatakarzinom zu etablieren. Die Vorbereitungen laufen auch hier für eine Ethikeinreichung dieses Studienprotokolls, um auch dieses wie alle anderen Projekte von d-uo rechtlich sicher, wissenschaftlich hochkarätig und vor allem auch auswertbar zu machen.
Material und Methoden
Bei dem nun für alle interessierten uro-onkologisch tätigen Ärzt:innen (Kliniken und Praxen) offenstehenden UroNAT-Register können weiterhin die Basisdaten der einzuschließenden Patient:innen durch die laufende nicht-interventionelle, prospektive, multizentrische Studie VERSUS („Verbesserung der Versorgungsqualität durch standardisierte Dokumentation“) erfasst werden, die seit Mai 2018 aktiv ist. Hier besteht auch weiterhin die Möglichkeit, die Basisdaten den Krebsregistern zur Verfügung zu stellen. Schon bei der VERSUS-Studie wurden zusätzliche Daten abgefragt, die vollständige Bearbeitung der Datensätze wurde bislang wie folgt honoriert: Die Vergütung einer Meldung an das Krebsregister (KR) wurde im Jahr 2015 geregelt und sieht 18 € für die Erstmeldung einer Tumorerkrankung vor (5). Dieses Honorar wird allerdings erst (von den Krankenkassen (KK) via KR) bezahlt, wenn die KK die Vollständigkeit der Daten überprüft haben und die Meldung nicht schon vorher z.B. vom Krankenhaus abgesetzt wurde. Dieser Vorgang kann nicht nur länger dauern, sondern ist für die/den dokumentierende/n Urolog:in auch reichlich intransparent.
Demgegenüber honoriert d-uo die Erstmeldung einer Tumorerkrankung – zusätzlich zu 18 € des KR – mit weiteren 18 €. Dieses Honorar wird den Mitgliedern von d-uo garantiert und quartalsweise ausgezahlt im Gegensatz zu der Auszahlung durch das KR, bei dem diese z.B. bei Doubletten nicht geleistet werden kann (6).
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Krebsregistermeldung über d-uo: spart Zeit und ist wissenschaftlich und wirtschaftlich interessant
Erschienen am 25.01.2021 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: Die neue Dokumentationsplattform von d-uo ermöglicht den Mitgliedern die Meldung an das Krebsregister die Überführung von Daten in die eigene...
Erschienen am 25.01.2021 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: Die neue Dokumentationsplattform von d-uo ermöglicht den...
Das vorliegende UroNAT-Register soll neben dem Basisdatensatz zusätzliche Fragestellungen untersuchen. Hierzu gehören Einhaltung der Leitlinien, Risikofaktoren, Entstehung, Progression und Therapie des nicht-muskelinvasiven, muskelinvasiven und metastasierten Urothelkarzinoms. Außerdem werden Aspekte der multidisziplinären Betreuung evaluiert. So sollen Daten zur ambulanten urologischen Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Urothelkarzinoms in Deutschland Transparenz bezüglich der Behandlungsrealität erzeugen, zur Qualitätssicherung und Hypothesengenerierung sowie als Unterstützung bei der Nutzenbewertung genutzt werden.
Im Einzelnen interessieren die folgenden Fragestellungen.
Fragestellungen von d-uo UroNAT zusätzlich zum Basisdatensatz:
Leitlinienadhärenz
• Rolle medizinischer Leitlinien bei der ambulanten Therapie urologischer Malignome
Risikofaktoren für das Urothelkarzinom
• Berücksichtigung von Nikotin und beruflicher Exposition in der täglichen Praxis
Therapie des nicht-muskelinvasiven Urothelkarzinoms
• Umsetzung der S3-Leitlinien-Empfehlung zum Rezidiv- und Progressionsrisiko (low, intermediate, high) entsprechend der EORTC-Kriterien
• Deutschlandweite Realität der leitliniengerechten Durchführung von TURB/Nachresektionen, Frühinstillation, Verwendung der Fluoreszenzdiagnostik im Rahmen der TURB sowie der adjuvanten Instillationstherapie mit Chemo- oder Immuntherapien
Therapie des muskelinvasiven, lokal begrenzten Urothelkarzinoms
• Deutschlandweite Realität der neoadjuvanten und adjuvanten Chemotherapie/Immuntherapie, Häufigkeit der fehlenden Eignung für eine neoadjuvante/adjuvante/palliative Chemotherapie, Häufigkeit der Ablehnung einer Chemotherapie trotz fehlender medizinischer Kontraindikationen
• Deutschlandweite Realität der Durchführung von Zystektomien: Frequenz, Ableitung, Zugang (offen, laparoskopisch, robotisch)
• Anteil der leitliniengerechten Durchführung einer radikalen Zystektomie innerhalb von 3 Monaten nach Diagnosestellung
Therapie des lokal fortgeschrittenen/metastasierten Urothelkarzinoms
• Rate an erhöhter PD-L1-Expression, Therapiewahl in der Erstlinie und in der Behandlungssequenz, Häufigkeit des Einsatzes einer Chemotherapie (Verhältnis Ciplatin/Carboplatin), einer Checkpoint-Inhibitor-Behandlung und Einsatz von Folgetherapien
Multidisziplinäre Therapieplanung
• Anteil an multidisziplinären vor Therapiebeginn festgelegten Therapiekonzepten
Ergebnisse
Seit Oktober 2021 besteht über die Plattform von d-uo für alle Interessierten (d-uo-Mitglieder, Urolog:innen, Onkolog:innen sowohl in Praxis als auch Klinik) die Möglichkeit, am UroNAT-Register von d-uo teilzunehmen.
Neben der Möglichkeit, den Basisdatensatz an das KR abzusetzen, können nun erstmalig wichtige zusätzliche Daten für die Versorgungsforschung erhoben werden. Für diese Arbeit erhält man eine jährliche Aufwandsentschädigung in Höhe von bis zu 275 € pro Fall.
Diskussion
Im Jahr 2008 wurde der Nationale Krebsplan beschlossen, wobei die ambulanten Versorger kaum beachtet wurden (7). Im Jahr 2013 trat dann das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) in Kraft (8). Das Gesetz schafft die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Errichtung und den Betrieb flächendeckender klinischer KR. Der einheitliche onkologische Basisdatensatz von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V. (ADT) und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (GEKID) wurde erstmals 2014 publiziert (9). Seit dem Jahr 2015 steht auch die Honorierung dieser Meldetätigkeit fest (5).
Anfang 2017 hatte d-uo die Idee, die Daten dieser KR-Meldung auch für eigene Zwecke zu nutzen (1). Seit Mai 2018 konnten die Daten über die neue Datenmaske eingegeben werden. Mitglieder von d-uo (also v.a. niedergelassene Urolog:innen) konnten und können Daten zur Tumorerkrankung von Patient:innen über diese Maske eingeben und sowohl der Datenbank von d-uo als auch dem KR zur Verfügung stellen (Abb. 1).
Abb. 1: Sicherer Datenfluss bei d-uo.
Somit war und ist d-uo der einzige Anbieter einer derartigen Dokumentationslösung, weg von der bis dahin zeitaufwendigen und fehleranfälligen Papiermeldung. Diese intelligente Software-Lösung wurde durch Mitglieder von d-uo in Zusammenarbeit mit einer Software-Firma entwickelt. Die Datenmaske ist so aufgebaut, dass alle zwingend erforderlichen Patient:innendaten erst eingegeben werden müssen, bevor die Meldung an das KR abgesetzt werden kann.
Datenhoheit – eine conditio sine qua non!
Ein großer Unterschied von d-uo zu allen bisher auf dem Markt angebotenen Versuchen, uro-onkologische Versorgungsforschung abzubilden, liegt in der uneingeschränkten Datenhoheit des Vereins (10). Die schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit hatten den Vorstand von d-uo gelehrt, diese Fehler nicht zu wiederholen und womöglich mit einer (börsennotierten) Datenverarbeitungsfirma zusammen zu arbeiten. Dass die/der dokumentierende Urolog:in dabei die Datenhoheit möglicherweise uneingeschränkt an derartige Firmen abtritt, ist den meisten Beteiligten kaum klar. Interessanterweise existieren in der deutschen Urologie mehrere Beispiele zu dieser Problematik.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Versorgungsforschung in der Uro-Onkologie – wem gehören die Daten?
Erschienen am 27.01.2020 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: Die Datenbank des IQUO, die ab 2008 vorwiegend ambulante Behandlungsdaten aus der Uro-Onkologie enthielt, bekam 2013 von der UroCloud Konkurrenz.
Erschienen am 27.01.2020 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: Die Datenbank des IQUO, die ab 2008 vorwiegend ambulante...
Die Datenhoheit liegt also uneingeschränkt beim Verein und seinen Mitgliedern. Ferner hat d-uo seine eigene Software erworben, über die der Verein frei und schnell verfügen kann. Bei neuen wissenschaftlichen Fragestellungen können Fragebögen flexibel angepasst werden. Die erstellten Befragungen fußen auf gut konzipierten Studien mit entsprechenden Ethikvoten.
Die VERSUS-Studie von d-uo
Der Kern der d-uo-Datenbank stellt aktuell die VERSUS-Studie dar. Deren Fragestellung lautet: Kommt es durch eine standardisierte Dokumentation zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität? Hierzu nutzen wir die obligate KR-Meldung – dabei werden die Inhalte des einheitlichen onkologischen Basisdatensatzes (ADT/GEKID) mit einem Klick in die Datenbank von d-uo überführt.
Mittlerweile hat d-uo Daten von über 11.136 uro-onkologischen Patient:innen sammeln können (11). Erste Auswertungen belegen einen repräsentativen Querschnitt aller Tumorentitäten in unserer Datenbank. Dies zeigt ein prozentualer Vergleich mit den aktuellen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI). In Tabelle 1 sind die Daten von d-uo für den Zeitraum 2018-2021 und die Daten des RKI für das Jahr 2018 gegenübergestellt (3).
In der Urologie verfügt aktuell niemand über eine derart aktuelle und fallzahlstarke Datenbank in der uro-onkologischen Versorgungsforschung.
Tab. 1: Vergleich der Tumorverteilung bei d-uo und RKI.
d-uo publiziert
Wir haben uns von Anfang an dazu verpflichtet, unsere Daten zu publizieren (12). Derzeit geschieht dies zunehmend in Form kürzerer Beiträge im deutschsprachigen Raum. So wurden auf dem letztjährigen DGU-Kongress von 23 eingereichten Beiträgen 9 zur Präsentation angenommen. Zukünftig werden wir auch Originalarbeiten in deutscher und englischer Sprache publizieren.
Ausblick
Mittlerweile stellt d-uo den Motor der uro-onkologischen Versorgungsforschung in Deutschland dar. Ein Erfolgsgarant ist, dass d-uo von Urolog:innen für Urolog:innen (weiter-)entwickelt wurde. Neben Urolog:innen sind auch Onkolog:innen sowie Kliniker:innen zur Teilnahme aufgerufen. Die Erfolgsgeschichte geht (dann erst recht) weiter…