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JOURNAL ONKOLOGIE 10/2021
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Therapie in der Rezidivsituation

Ein klarer Standard für das (im Verlauf obligate) GBM-Rezidiv ist bisher nicht definiert und wird individuell je nach Allgemeinzustand, klinischer Symptomatik, Rezidiv-Lokalisation und -Ausdehnung, bisheriger Therapie und MGMT-Promotor-Status festgelegt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das strenge Einhalten von 3-monatigen MRT-Kontrollintervallen, da lokalisierte (und klinisch inapparente) Rezidive deutlich besser behandelbar sind als ausgedehnte, symptomatische Befunde. Besonders wenn der bildmorphologische Rezidiv-Verdacht innerhalb der ersten 6-12 Monate nach Beendigung einer Radiotherapie auftritt, sollte eine feingewebliche Sicherung (beispielsweise durch eine stereotaktische Biopsie) zum Ausschluss eines Pseudoprogresses in Folge von therapieassoziierten Veränderungen erfolgen (34). Ist das Rezidiv gesichert, kann eine erneute chirurgische Intervention vorrangig bei zirkumskripten, symptomatischen Befunden erwogen werden. Eine erneute Komplettresektion des kontrastmittelaufnehmenden Tumor­anteils war in einer prospektiven Patient:innenkohorte im ersten GBM-Rezidiv mit einer verbesserten Prognose assoziiert (35). Bei Patient:innen die nicht unter alkylierender Chemotherapie progredient sind, steht als medikamentöse Therapieoption neben einer erneuten Chemotherapie mit Temozolomid auch die Therapie mit CCNU zur Verfügung. Eine Überlegenheit von CCNU gegenüber Temozolomid in der Rezidiv-Situation konnte bisher nicht in prospektiven, kontrollierten Studien nachgewiesen werden. Sofern es der klinische Zustand der Patient:innen zulässt, wird oft eine Sequenz unterschiedlicher Therapieansätze durchgeführt. In den USA ist außerdem der VEGF-Inhibitor Bevacizumab zugelassen, wobei ein klarer Überlebensvorteil durch dessen Anwendung nicht gezeigt werden konnte (36). Aus diesem Grund ist eine Zulassung in Europa für die Therapie des GBM nicht erfolgreich gewesen, wobei Bevacizumab durchaus (off-label) auch in Europa einen Stellenwert für die Therapie von Steroid-refraktären Radionekrosen besitzt (37). Zusätzlich verbessert Bevacizumab die Verträglichkeit einer Re-Bestrahlung (38), da so ausgedehnte Steroid-refraktäre Schwellungsreaktionen beherrschbar werden. Die Re-Bestrahlung eines Tumorrezidivs ist aufgrund der Gefahr von Radionekrosen bisher nicht als Standardtherapie international etabliert. In diesem Zusammenhang konnten mehrere Studien in den vergangenen Jahren jedoch ein gutes Sicherheitsprofil der Re-Bestrahlung nachweisen (39), während bei einigen Patient:innen dadurch auch eine (zumindest temporäre) Kontrolle des Rezidivs erzielt werden kann. Der Re-Bestrahlung wird deshalb zunehmend Teil der Therapie des GBM-Rezidivs.

Zwischenfazit

• Für das Rezidiv existiert keine etablierte Standardtherapie.
• Eine Re-Resektion, Re-Bestrahlung oder Chemotherapie werden individuell eingesetzt.

Ausblick: Strategien mit zielgerichteten und Immuntherapien

Technische Fortschritte wie Hochdurchsatzverfahren zur genetischen Charakterisierung des GBM wie das Next Generation Sequencing (NGS) erlauben eine zunehmend präzisere Identifikationen von molekularen Alterationen, die einer zielgerichteten Therapie zugänglich sind. Etwa 3% der GBM weisen eine BRAF-V600E-Mutation auf, die Frequenz liegt jedoch in einzelnen Subgruppen wie dem epitheloiden GBM mit bis zu 50% höher. Im Rahmen des VE-Basket trials konnten für BRAF-mutierte anaplastische Astrozytome und GBM ein objektivierbares Ansprechen bei fast 10% der Fälle und ein medianes Überleben von 11,9 Monaten erzielt werden (40). Die Kombination von Dabrafenib und Trametinib führte bei 39 BRAF-V600E-mutierten rezidivierten GBM zu einem objektivierbaren Ansprechen in 27% der Fälle, mit einer Kontrolle der Erkrankung (Disease Control Rate) in 57% der Fälle und zum Teil vollständigen Remissionen (41). Vielversprechende präliminäre Behandlungserfolge zeigten sich für die zielgerichtete Behandlung von NTRK-mutierten rezidivierten GBM (42). Der gegen VEGFR-1,-2,-3, TIE2, PDGFR, FGFR, KIT, RAF-1, RET und BRAF gerichtete Multityrosinkinase-Inhibitor Regorafenib zeigte im Rahmen der REGOMA-Studie gegenüber der Therapie mit Lomustin im Rezidiv ein signifikant verlängertes Überleben: 7,4 Monate vs. 5,6 Monate (43).

Obwohl in GBM sehr häufig weitere Mutationen in Signalwegen vorliegen, für die eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung steht (beispielsweise für Alterationen im EGFR-, c-MET-, PI3K-AKT-mTOR- und FGFR-Signalweg), konnten bisher im Rahmen zahlreicher Studien sowohl in der Primärtherapie als auch im Rezidiv sowie als Mono- oder Kombinationstherapie keine substanziellen Behandlungserfolge erzielt werden. Mögliche Gründe für die unzureichende Aktivität der Mehrzahl anderer zielgerichteter Therapieansätze sind die molekulare Heterogenität des GBM, erworbene oder inhärente Resis­tenzen und die eingeschränkte ZNS-Gängigkeit vieler Therapeutika. Durch eine Aktivierung multipler und zum Teil redundanter Signalwege ist das Ansprechen auf Therapien, die nur einen Signalweg inhibieren, bzw. die Identifikation von Treibermutationen im Tumor erschwert.

Der Einsatz von Immun-Checkpoint-Inhibitoren hat in der Vergangenheit bei Patient:innen mit GBM zu keiner signifikanten Verbesserung des Outcomes geführt (44). Auch die im Dezember 2020 publizierte Phase-III-Studie CheckMate -143 zeigte beim rezidivierten GBM keinen Vorteil für eine Therapie mit Nivolumab gegenüber Bevacizumab (45). Anders als bei systemischen Tumoren konnte für das GBM kein Biomarker identifiziert werden, der das Ansprechen auf eine Immun-Checkpoint-Inhibition prädiziert. Insbesondere zeigten Defekte im DNA-Mismatch Repair und eine hohe Mutationslast im Tumor keine Korrelation mit dem Ansprechen auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren (46). Die unzureichende Wirksamkeit von Immun-Checkpoint-Inhibitoren beim GBM wird u.a. auf das stark immunsuppressive Mikromilieu der GBM zurückgeführt, das wenig permissiv ist für die Rekrutierung und Persistenz von zytotoxischen Lymphozyten.

In diesem Kontext wird aktuell der Einsatz von chimeric antigen receptor (CAR)-modifizierten autologen T- bzw. NK-Zellen untersucht. Dabei wird als Zielantigen meist L-13Rα2, EGFRvIII oder HER2 verwendet, da diese Antigene in etwa 20-50% aller GBM in relevantem Maße homogen exprimiert werden (47). Während einzelne Fallserien von teilweise deutlichem Ansprechen der GBM auf intrathekal verabreichte CAR-T-Zellen berichteten (48), konnten andere prospektive Fallserien zu intravenös verabreichten CAR-T-Zellen nur wenig antitumoröse Effektivität der CAR-T-Zellen nachweisen (49). Neben des immunsupprimierenden Mikromileus scheint auch der Antigen-Verlust im Tumorrezidiv sowie die Antigen-Heterogenität des GBM die Wirkung von CAR-T-Zellen zu limitieren. Verschiedene Studien kombinieren deshalb die CAR-T-Zell-Therapie mit anderen Immuntherapeutika (wie beispielsweise Immun-Checkpoint-Inhibitoren) oder untersuchen unterschiedliche Verabreichungsarten (intratumoral, intrathekal, intravenös). In Deutschland rekrutiert die CAR2BRAIN-Studie Patient:innen mit einem GBM-Rezidiv für die Therapie mit HER2-gerichteten CAR-NK-Zellen, welche im Rahmen einer Re-Operation in die Resektionshöhle verabreicht werden.

Ein weiteres vielversprechendes Konzept stellt die Vakzinierung gegen IDH1 als Tumor-Neoepitop von Patient:innen mit IDH-mutierten Gliomen dar. In den Studien NOA-16 (IDH-Peptidvakzin) bzw. NOA-21 (AMPLIFY-NEOVAC; IDH-Peptid­vakzin mit/ohne Checkpoint-Inhibitor) wird dieses Konzept in Deutschland aktuell untersucht, und erste Ergebnisse konnten bereits die Sicherheit sowie eine Immunantwort nachweisen (50), wobei valide Daten zur antitumorösen Effektivität ausstehend sind. Andere adoptive Immuntherapieansätze zur Behandlung des GBM involvieren die intratumorale Applikation von onkolytischen Viren (hier insbesondere CD155-gerichtete Polioviren) (51) und bispecific T-cell engagers (BiTe) Antikörper, die simultan T-Zellen und ein Tumorantigen binden (52).

Zwischenfazit

• Neue zielgerichtete und immuntherapeutische Therapien befinden sich aktuell in der klinischen Untersuchung.

Fazit

Das Glioblastom ist eine aggressive Erkrankung, die einer intensiven multimodalen Therapie bedarf. Therapieentscheidungen und Prognose hängen entscheidend vom molekularen Tumorprofil ab. Innovative neue Therapiekonzepte befinden sich aktuell in klinischer Erprobung und haben das Potenzial, die Prognose des Glioblastoms zu verbessern.


Acknowledgments: Philipp Karschnia acknowledges research grants from the Friedrich-Baur-Foundation and from the „Support Program for Research and Teaching“ at the Ludwig-Maximilians-University Munich. Louisa von Baumgarten acknowledges support by the Else Kröner Fresenius Kolleg „Cancer Immunotherapy”.

Interessenkonflikte: Philipp Karschnia: No disclosures; Stefanie D. Quach: No disclosures; Nico Teske: No disclosures; Niklas Thon: No disclosures; Joerg-Christian Tonn: Consultant/speaker honoraria from BrainLab and Carthera, and Royalties from Springer Publisher Intl.; Louisa von Baumgarten: No disclosures.
 
PD Dr. med. Louisa von Baumgarten
PD Dr. med. Louisa von Baumgarten
Oberärztin Bereich Neuroonkologie

Neurochirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München
Marchioninistraße 15
81377 München

089/4400-73555
louisa.vonbaumgarten@med.uni-muenchen.de
Dr. med.  Philipp Karschnia
Dr. med. Philipp Karschnia
Arzt

Neurochirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München
Marchioninistraße 15
81377 München

089/4400-711365
p.karschnia@med.uni-muenchen.de
ABSTRACT

P. Karschnia1,2,*, S. Quach1,2, N. Teske1,2, N. Thon1,2, J.-Ch. Tonn1,2, L. von Baumgarten1,2,*.
1 Neurochirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München, Deutschland, 2 Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort München, Deutschland, *korrespondierende Autoren
 

Glioblastoma (GBM) represents the most aggressive primary brain tumor in adults. MRI is the imaging modality of choice when GBM is suspected, and amino acid PET may assist in therapy planning. Final diagnosis rests on neuropathological tissue analysis for histological and molecular markers. These molecular markers help estimating prognosis and may also guide therapy. Therapeutic ‘standard of care’ includes surgical resection, followed by concomitant radiochemotherapy and consolidation temozolomide chemotherapy. Despite multimodal therapy, median survival is 15-18 months. Novel therapeutic approaches including immunotherapy and targeted therapies have not yet achieved clinically relevant response rates in GBM. Various innovative therapeutics are currently being evaluated.
 

Keywords: Primary brain tumor, glioblastoma, surgery, radiotherapy, chemotherapy, prognosis
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