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Gewalt gegen psychisch kranke Kinder in Ost und West

Arbeitszwang, Ruhigstellung per Arznei, Essensentzug – psychisch kranke und geistig behinderte Minderjährige wurden in Deutschland über Jahrzehnte in Heimen gequält. Forscher mahnen, ihr Schicksal nicht zu vergessen.
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Gewalt, Ruhigstellung und Demütigungen: Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen sind in Heimen in Ost und West über Jahrzehnte gequält und schlecht behandelt worden. Ein neuer umfassender Forschungsbericht stellt das Ausmaß der Missstände seit 1949 dar. Körperliche Gewalt, Isolation, Demütigungen aller Art, Missachtung der Intimsphäre, Essenszwang oder Essensentzug habe es in allen untersuchten Einrichtungen gegeben, sagte Forschungsleiter Heiner Fangerau, Medizinhistoriker aus Düsseldorf, am Donnerstag in Berlin.

In den Einrichtungen hätten prekäre Zustände geherrscht. Dies könne aber „niemanden vollständig entlasten“, der Unrecht verübt habe, sagte Fangerau. Nötig sei auch weiter lokale und regionale Aufarbeitung. Rund 116.000 Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik und bis zu 140.000 in der DDR waren von 1950 bis 1975 beziehungsweise bis 1990 zeitweise stationär in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in psychiatrischen Anstalten untergebracht.

Dort hätten schlechte räumliche Bedingungen, eine schlechte Ausstattung und chronische Unterfinanzierung kontinuierliche medikamentöse Ruhigstellung der Minderjährigen begünstigt. „Hochdosierte und mit unerwünschten Nebenwirkungen verbundene Arzneimittelverabreichungen waren dabei weit verbreitet“, so die Forscher. Strafe mittels Elektrokrampftherapie oder Fixierungen sei oft vorgekommen.

„Eine wesentliche Erkenntnis des Forschungsprojekts ist, dass hinsichtlich der Leid- und Unrechtserfahrungen in den untersuchten Einrichtungen bis in die 1970er Jahre kaum Unterschiede zwischen der BRD und der DDR feststellbar waren“, betonen die Forscher. Hier wie dort habe man an den Betroffenen vor allem Defizite gesehen – das habe angemessene Förderung verhindert. Arbeitseinsatz sei oft unter Zwang geschehen – ohne Berücksichtigung der Interessen. Die Kinder und Jugendlichen in den besagten Einrichtungen seien noch schlechter behandelt worden als bei der sonstigen Heimerziehung.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten die Situation in den Einrichtungen für die Stiftung Anerkennung und Hilfe untersucht. Die Stiftung war von Bund, Ländern und Kirchen gegründet worden, um Betroffene zu unterstützen, die zwischen 1949 und 1975 in der Bundesrepublik oder bis 1990 in der DDR Leid und Unrecht erfahren haben und an den Folgen leiden. Von dafür vorgesehenen 305 Millionen Euro sind 204 Millionen bereits ausgezahlt worden.

Forschungsleiter Fangerau rief die heutigen Einrichtungen auf, ihre Geschichte selbst weiter zu betrachten. „Es sollte vor Ort verhindert werden, dass mit dem Bericht Erinnerung und Geschichte endet.“ Solange die Zeitzeugen noch lebten, sollten Einrichtungen über Gespräche, Treffen oder regionale Studien das Geschehen weiter aufarbeiten.

Quelle: dpa


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