Aneurysma der Bauchschlagader: OP auch bei Krebs-Patient:innen?
Die Elastizität der Blutgefäße kann mit der Zeit abnehmen, sodass sie immer weniger zu ihrer alten Form zurückkehren – es bildet sich dann häufig an den Gefäßwänden eine Aussackung, die als Aneurysma bezeichnet wird. „An der Bauchschlagader sollte ein Aneurysma ab einer Größe von 5 bis 5,5 Zentimetern bei Frauen und ab 5,5 Zentimetern bei Männern operiert werden“, sagt Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rixen, Generalsekretär der DGCH. So sehen es die nationalen und internationalen Leitlinien vor. Diese Empfehlung gilt jedoch so nicht ohne weiteres für Patient:innen, deren Lebenserwartung aufgrund einer anderen Erkrankung deutlich eingeschränkt ist und bei weniger als 2 bis 3 Jahren liegt. „Bei ihnen könnte das Operationsrisiko die Gefahr übersteigen, dass es in der verbleibenden Lebenszeit noch zum Aufreißen des Aneurysmas kommt“, erläutert Schmitz-Rixen. Das Risiko einer solchen Ruptur liegt bei 5,35% pro Jahr.
Studie wertet Daten von 20.000 Patient:innen aus
Wie hoch das Operationsrisiko für Krebspatient:innen tatsächlich ist, war allerdings unklar. Neue Daten zeigen jetzt erstmals, wie sich eine Tumorerkrankung auf das kurz- und langfristige Operationsergebnis eines Bauchaorten-Aneurysmas (BAA) auswirkt. Die Studie wertete Routine-Daten der AOK retrospektiv aus, insgesamt wurden knapp 20.000 Patient:innen einbezogen, die sich im Untersuchungszeitraum 2010 bis 2016 der Operation eines BAA unterzogen hatten. „Knapp 1400 dieser Patient:innen wiesen zum Zeitpunkt des Eingriffs eine Tumorerkrankung des Darms, der Prostata, der Harnblase oder des Harnleiters, oder der Bronchien auf“, erläutert Schmitz-Rixen, der an der Studie beteiligt war.
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Sterblichkeit bei BAA-Operation übersteigt Risiko eines Risses im ersten Jahr deutlich
Wie die Studie zeigt, hing das Überleben der Tumorpatient:innen besonders deutlich von der Operationstechnik ab. Ein Aneurysma kann entweder im Rahmen einer klassischen offenen Operation behandelt werden oder in einem endovaskulären Eingriff mithilfe eines Katheters. „Von den Patient:innen, die einen begleitenden Tumor aufwiesen und offen operiert wurden, überlebten 8,2% den Eingriff nicht“, berichtet Prof. Dr. Dittmar Böckler, Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg und ebenfalls einer der Autoren der aktuellen Studie. „Das sind deutlich mehr als laut Statistik im ersten Jahr an einer Ruptur verstorben wären“, so Böckler. Die Kliniksterblichkeitsrate übersteige auch erheblich den Qualitätsparameter einer Klinikletalität von maximal 5%, den die Society for Vascular Surgery fordert.
Tumorpatient:innen wenn möglich minimal-invasiv operieren
„Eine offene Operation lässt sich damit bei Tumorpatient:innen nur schwer rechtfertigen“, betonen die Autor:innen. Auch die geringe verbleibende Lebenszeit – nach 9 Jahren Nachbeobachtung lebte nur noch rund ein Drittel der Tumorerkrankten – lasse es zumindest fraglich erscheinen, ob Patient:innen mit den in der Studie betrachteten Begleittumoren überhaupt an einem Bauchaortenaneurysma operiert werden sollten. „Solange man auf Basis des Tumorstadiums von einer längeren Lebenserwartung ausgehen kann, sollten die Betroffenen, wann immer möglich, minimalinvasiv operiert werden“, resümieren Schmitz-Rixen und Böckler. Mit dieser Methode liege die Operationssterblichkeit bei 3,9% und damit wesentlich niedriger als bei einem offenen Eingriff.
BAA-Operation ist besonders bei Lungenkrebs nicht von Vorteil
Hinsichtlich des Langzeitüberlebens zeigten sich zwischen den verschiedenen Krebserkrankungen große Unterschiede. Patient:innen mit
Darmkarzinom überleben durchschnittlich am längsten, 9 Jahre nach der BAA-Operation sind es noch 45,3%. Am niedrigsten liegt die Überlebensrate dagegen bei Patient:innen mit
Lungenkrebs, hier lebten 9 Jahre nach der Operation nur noch 24,1%. „Im Vergleich mit der jährlichen Rupturrate von etwas mehr als 5% ist der riskante Eingriff bei einem Bronchialkarzinom eher nicht zu empfehlen“, so Schmitz-Rixen. „Hier ist das konservativ abwartende Vorgehen eine bedenkenswerte Alternative.“