Rund die Hälfte aller Krebspatient:innen ist von Gewichtsverlust betroffen
Oftmals kommt es
bei Krebs zu Mangelernährung und Gewichtsverlust, ohne dass die Betroffenen etwas dagegen tun können. Etwa die Hälfte aller Krebspatient:innen ist davon betroffen: Sie verlieren an Fett- und Muskelmasse und damit an Körpergewicht. Gewichtsverlust und Mangelernährung können den Verlauf von Krebserkrankungen entscheidend beeinflussen. Denn der Verlust von Muskel- und Fettmasse, auch Kachexie genannt, geht mit einer verminderten Lebensqualität, einem schlechten Ansprechen auf die Chemotherapie und einer hohen Sterblichkeit einher. Dennoch gibt es keine standardisierte Behandlung.
Delta/Notch-Signalübertragung als Schlüsselfaktor für den Verlust von weißem Fettgewebe
„Die Untersuchungen meiner Forschungsgruppe zielen darauf ab, die Signalwege zu erforschen, die das Wachstum der Blutgefäße und die Freisetzung von Botenstoffen (angiokrine Faktoren) steuern, welche die Funktionen der umgebenden Zellen in normalen Geweben und Tumoren steuern. Unser Labor hat in den neuesten Untersuchungen die Delta/Notch-Signalübertragung im Endothel der Blutgefäße als Schlüsselfaktor für den Umbau beziehungsweise den Verlust von weißem Fettgewebe identifiziert. Diesen Verlust aufzuhalten, würde sich positiv auf den Verlauf der Krebstherapie auswirken“, so Prof. Dr. Andreas Fischer, Direktor des Instituts für Klinische Chemie der UMG.
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Erschienen am 14.09.2023 • In einer Studie wurde die Wirksamkeit von Olanzapin bei chemotherapiebedingter Anorexie untersucht. Mehr dazu erfahren Sie hier!
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Tumoren schütten Faktoren aus, die zu einem Umbau des weißen Fettgewebes führen
Verantwortlich für den Fett- und Muskelschwund ist unter anderem ein Umbau des weißen Fettgewebes (WAT). Dieser Umbau findet bereits in einem frühen Stadium der Kachexie statt und führt zu einem gestörten Fettstoffwechsel, chronischer Entzündung und schließlich zu Fibrose. Bekannt ist, dass der Gewebeschwund als Reaktion auf die vom Tumor ausgeschiedenen Faktoren auftritt. Diese Faktoren und deren Rolle sind bisher unbekannt.
Blockade der Retinsäure-Wirkung kann den Abbau von Fettgewebe aufhalten
Da das durchgängige Endothel im weißen Fettgewebe die erste Kontaktlinie mit den zirkulierenden Faktoren darstellt, haben die UMG-Forscher:innen jetzt untersucht, ob das Endothel selbst den Umbau des Gewebes steuern kann. Anhand von Krebsmodellen beim Menschen und bei Mäusen konnten sie zeigen, dass Tumore im frühen Stadium des Gewichtsverlustes die Notch1-Signalübertragung im entfernten WAT-Endothel überaktivieren. Diese Signalübertragung führt zur übermäßig starken Produktion von Retinsäure und zum Verlust von Fettgewebe. Durch die Blockade der Retinsäure-Wirkung, konnte der Abbau des Fettgewebes in einem Krebskachexie-Modell bei Mäusen aufgehalten werden. Dies zeigt, dass Krebs das Endothel an weit entfernten Stellen manipuliert, um den Fettgewebsumbau zu fördern. Ziel ist es jetzt herauszufinden, ob sich die Erkenntnisse, zum Beispiel eine Blockade der Retinsäure-Wirkung mit bestimmten Wirkstoffen, in die Therapie überführen lassen.
(1) Taylor J. et al. Endothelial Notch1 signalling in white adipose tissue promotes cancer cachexia. Nature Cancer 2023. Abrufbar unter: https://www.nature.com/articles/s43018-023-00622-y, Letzter Zugriff: 27.09.2023.