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Medizin

Gliome – Netzwerkbildung als Resistenzmechanismus

Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried

Gliome – Netzwerkbildung als Resistenzmechanismus
© MP – stock.adobe.com
Die aktuelle WHO-Klassifikation der Gliome Erwachsener ist wesentlich bestimmt von molekularen Markern wie Isocitrat-Dehydrogenase (IDH). Auch wenn sich IDH-Inhibitoren als Therapieansatz mausern, bleiben Operation und Radiochemotherapie noch Standard. Zur Überwindung von Strahlen- und Chemoresistenz könnte die Aufklärung einer ausgeprägten Netzwerkbildung der Gliomzellen im Gehirn beitragen.
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Gliomzellinfiltration im gesamten Gehirn

Diffuse Gliome sind primäre Hirntumoren, die weltweit für etwa 2% der Krebstoten verantwortlich sind. Ihre Prognose ist abhängig vom Subtyp und reicht von knapp 1 bis mehr als 15 Jahren. Auch wenn niedergradige Gliome in der Bildgebung als regionäre Tumormasse mit Wassereinlagerung erscheinen, zeigt sich laut neueren Forschungsergebnissen in der Regel hier schon eine diffuse Ganzgehirninfiltration. Diese ist gekennzeichnet durch ein Netzwerk von Membranausläufern der Gliomzellen, die an Zell-Zell-Kommunikation beteiligt sind und die Verbindung von infiltrierenden Tumorzellen, Haupttumormasse und Astrozyten des Gehirns bilden (1). Der Kontakt erfolgt über transmembrane nanotubes (tumor microtubes, TM) und Gap Junctions, über die kleine Moleküle (Ca2+, ATP) und toxische Stoffwechselprodukte ausgetauscht und die zelluläre Homöostase reguliert wird (1). GAP-43 (growth-associated protein 43) und TTHY1 (tweety-homolog 1) gelten als wichtige Drivergene von Netzwerkbildung, Gehirninvasion und Radio- sowie Chemoresistenz (1). Im Mausmodell wird nun untersucht, wie sich durch Deletion von GAP-43 beim Gliom die Radioresistenz überwinden und der Outcome von Operation und Chemotherapie verbessern lässt.

Histologie, IDH und Methylierung zur Subtypisierung von Gliomen

Gemäß aktueller WHO-Klassifikation fällt ein Großteil der diffusen Gliome Erwachsener in die 3 Hauptgruppen Oligodendrogliome (IDH-mut und 1p/19q-codeletiert, Grad 2 oder 3), Astrozytome (IDH-mut, Grad 2-4) und Glioblastome (IDH-wt, Grad 4). Weitere Gruppen sind diffus hemisphärisches Gliom und diffuses Mittelliniengliom (2). Neben histologischen Merkmalen basiert die Einteilung wesentlich auf molekularen Markern, wie Isocitrat-Dehydrogenase (IDH1/2), ATRX, Chromosomenarm 1p/19q Kodeletion, CDKN2A/B und TERT. IDH-mutierte (IDH-mut) und IDH-Wildtyp (IDH-wt) Tumore bilden in der Klassifikation grundsätzlich unterschiedliche Erkrankungstypen. IDH-Mutationen sind dabei kennzeichnend für niedergradige Gliome, die aufgrund ihrer günstigen Prognose eine höhere Prävalenz haben. IDH-wt Gliome im Erwachsenen dagegen werden als Glioblastome klassifiziert und haben eine ungünstigere Prognose (2). Neben Histologie und Mutationsstatus können auch Methylierungsprofile aus der DNA von Liquorproben zur Klassifizierung von Gliomen dienen (3).
 
 

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Erschienen am 25.07.2023Hier finden Sie einen Überblick über die aktuellen Therapieoptionen, die es bei Gliomen gibt, sowie Informationen zur aktuellen WHO-Klassifikation!

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IDH-Punktmutationen führen zu Dysregulation im Zellstoffwechsel

IDH wirkt als Enzymkomplex im Citratzyklus des zellulären Stoffwechsels und kommt im Menschen in verschiedenen Isoformen vor. Bei Punktmutationen wie in Gliomen kommt es zur Aminosäure-Substitution im Enzym, die sich auf die Umwandlung von Isocitrat auswirkt. Dabei wird anstatt alpha-Ketoglutarat (α-KG) der Metabolit 2-Hydroxyglutarat (2-HG) gebildet, der zu epigenetischer Dysregulation durch DNA-Hypermethylierung und damit veränderter Genexpression sowie zur Inhibition der hämatopoetischen Stammzelldifferenzierung führt. Außerdem wird 2-HG in das Tumormilieu freigesetzt, wodurch das Tumormicroenvironment verändert wird (4). 

IDH-Inhibition für die Therapie: Vorasidenib verbessert das PFS

Der IDH-Status hat diagnostische und prognostische Bedeutung beim Gliom; zu therapeutischen Ansätzen mit IDH-Inhibitoren gibt es aber bereits Studien. Innerhalb der Zulassung werden IDH-Inhibitoren bisher nur bei anderen Neoplasien wie akuter myeloischer Leukämie (AML) und Cholangiokarzinom (CCA) eingesetzt (4).
In bisherigen Studien zu IDH-mutierten niedergradigen Gliomen bewirkte der (von der FDA bereits zugelassene) orale IDH1/2- Inhibitor Vorasidenib eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS); darüber hinaus konnte die Zeit bis zur nächsten Intervention verzögert werden (4, 5). Langzeitdaten zu dem die Blut-Hirnschranke überschreitenden Inhibitor stehen aus, sodass vorerst die frühe radikale Operation mit postoperativer Strahlentherapie mit konsekutiver PCV-Chemotherapie (Procarbazin, CCNU (Lomustin), Vincristin) als Therapiestandard bestehen bleibt (5). Die Therapieentscheidung wird dabei bestimmt von WHO-Grad, Patientenalter und Residualtumor. Dabei ist ein interdisziplinäres Management in der Gliombehandlung von wesentlicher Bedeutung.

Quelle: Online-Pressekonferenz „Gliome und IDH-Mutationen“, 24.07.2024; Veranstalter: Servier

Literatur:

(1) Yang, Y. et al. (2022) Brain Tumor Networks in Diffuse Glioma, Neurotherapeutics, DOI: 10.1007/s13311-022-01320-w.
(2) Weller M. et al. (2021) EANO guidelines on the diagnosis and treatment of diffuse gliomas of adulthood, Nat Rev Clin Oncol, DOI: 10.1038/s41571-020-00447-z.
(3) Capper D. et al. (2018) DNA methylation-based classification of central nervous system tumours, Nature, DOI: 10.1038/nature26000.
(4) Mellinghoff I.K. (2023) Vorasidenib in IDH1- or IDH2-Mutant Low-Grade Glioma, N Engl J Med, DOI: 10.1056/NEJMoa2304194.
(5) Seidel C. & Nicolay, N.H. (2024) Vorasidenib bei niedriggradigen Gliomen – neues Therapieprinzip mit offenen Fragen zu den Langzeitergebnissen, Strahlentherapie und Onkologie, DOI: 10.1007/s00066-023-02179-2.


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