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Medizin

KI-gestützte Krebsdiagnose für Kinder und Jugendliche mit Hirntumoren

KI-gestützte Krebsdiagnose für Kinder und Jugendliche mit Hirntumoren
© kras99 – stock.adobe.com
Seit dem Onlinegang im Jahr 2016 hat die Künstliche Intelligenz (KI) „Heidelberg Brain Tumor Classifier“ molekulare Daten von mehr als 100.000 Hirntumoren analysiert. Eine aktuelle Studie belegt jetzt den Nutzen des am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg, am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) entwickelten Verfahrens für die Krebsdiagnose. Durch die KI-gestützte Analyse von Methylierungsmustern können Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen nicht nur präziser, sondern bei bestimmten Tumorgruppen auch zuverlässiger klassifiziert werden als mit dem Mikroskop. Davon können besonders Patient:innen mit seltenen Tumorarten und besonders aggressiven Hirntumoren profitieren.
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Über 150 Unterarten bei Tumoren des Zentralen Nervensystems im Kindesalter

Krebs bei Kindern und Jugendlichen ist anders als Krebs bei Erwachsenen, das zeigt sich auch in seiner Vielgestaltigkeit. Über 150 Unterarten gibt es bei Tumoren des Zentralen Nervensystems im Kindesalter – ein Vielfaches mehr als bei Erwachsenen. „Je nach Tumorklasse schlagen Strahlen- und Chemotherapie auch ganz unterschiedlich an. Die Tumoren so präzise wie möglich zu klassifizieren, ist für eine wirksame Behandlung daher ganz entscheidend“, betont der Leiter der Studie, David Jones, Abteilungsleiter am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Die meisten Hirntumoren werden bisher anhand ihrer Gewebeeigenschaften klassifiziert

Lange war der Blick durch das Mikroskop ausschlaggebend für die Krebsdiagnose. Gemäß der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden die meisten Hirntumoren bis vor Kurzem hauptsächlich anhand ihrer Gewebeeigenschaften in Tumorgruppen eingeordnet. „Dieses Expertenwissen ist auch nach wie vor unverzichtbar für die Diagnosestellung. Es ist jedoch nicht möglich, alle Tumorarten allein anhand ihrer Gewebestruktur genauer zu klassifizieren. Zudem sind einige Tumorarten so selten, dass selbst erfahrene Patholog:innen sie so gut wie nie zu sehen bekommen“, sagt Jones.

Heidelberg Brain Tumor Classifier wertet DNA-Methylierungen im Genom des Tumors aus

Im Jahre 2018 hatte ein Forschungsteam um Stefan Pfister, Direktor am KiTZ, Abteilungsleiter am DKFZ und Kinderonkologe am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), in enger Kooperation mit der Abteilung Neuropathologie am UKHD mit Andreas von Deimling und Felix Sahm erstmals eine neue KI-gestützte Methode im Fachmagazin Nature veröffentlicht und weltweit zugänglich gemacht. Der unter dem Namen „Heidelberg Brain Tumor Classifier“ bekannte Algorithmus wertet DNA-Methylierungen im Genom des Tumors aus. Das komplexe Muster an Methylmarkierungen, mit denen unsere DNA versehen ist, bildet eine 2. Informationsebene neben der Erbinformation. Die Methylierungen markieren Gene und die Zelle kann dadurch deren Aktivität steuern. Eine Vielzahl an Studien hat bereits gezeigt, dass sich nicht nur Krebszellen und gesunde Zellen in ihrem Methylierungsmuster unterscheiden, sondern auch verschiedene Tumorarten.
 
 

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© natali_mis - stock.adobe.com

KI erstellt für jede Tumorgruppe einen Fingerabdruck aus Methylierungsdaten

Aufgabe der KI ist es, anhand der Methylierungsdaten für jede Tumorgruppe einen möglichst unverwechselbaren Fingerabdruck zu identifizieren, um damit die Diagnose zu verfeinern. Seit dem 1. Onlinegang hat der Brain Tumor Classifier mehr als 100.000 Tumorproben ausgewertet, die weltweit auf die Plattform MolecularNeuropathology.org zu Forschungszwecken hochgeladen wurden.

KI-Analyse ermöglicht eine genaue Klassifizierung von Tumoren in Untergruppen

Die aktuell vorliegende Studie kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass das Verfahren die Genauigkeit der bislang etablierten Diagnoseverfahren entscheidend verbessert und somit eine noch stärker personalisierte Behandlung ermöglicht (1). Es ist die 1. Studie, welche die Zuverlässigkeit von Methylierungsprofilen für die Krebsdiagnose bei Kindern auch durch längere Beobachtungen der Krankheitsverläufe überprüfen konnte. Bei 1.200 neu diagnostizierten Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter verglich das Forschungsteam die anhand bisheriger WHO-Kriterien gestellte Diagnose mit dem Ergebnis der KI. Bei der Hälfte der Patient:innen stimmte die Diagnose grundsätzlich mit der ursprünglichen WHO-Klassifikation überein, die KI-Analyse ermöglichte aber eine genauere Klassifizierung des Tumors in bestimmte Untergruppen. „Einige der identifizierten Methylierungsmuster sind so spezifisch, dass die KI damit sogar Aussagen zum geschätzten Alter und Geschlecht des Kindes sowie der Lage des Tumors treffen kann“, erläutert Dominik Sturm, Hauptautor der Studie und Kinderarzt am KiTZ und UKHD.

Identifizierung von erblich bedingten Ursachen verbessert die Krebs-Diagnose

Ergänzend zu den Methylierungsdaten analysierte das Forschungsteam in enger Kooperation mit der Abteilung Humangenetik am UKHD auch die genetische Information bestimmter, mit Krebs assoziierter Gene zur Verfeinerung der Diagnose. Bei knapp 50% der Betroffenen stießen die Wissenschaftler:innen auf genetische Veränderungen, die für die Diagnosestellung entscheidend sind oder sich therapeutisch nutzen lassen. In 10% der Fälle entdeckte das Forschungsteam auch ein erbliches Krebsrisiko. „Erblich bedingte Ursachen für Krebs bei der Diagnosestellung zu erkennen, kann helfen, bei der Krebsbehandlung die richtige Therapieentscheidung zu treffen“, erläutert Sturm. „Betroffene Familien können sich zu ihrem genetischen Krebsrisiko beraten lassen und beispielsweise bestimmte Vorsorgeuntersuchungen für Geschwister und andere betroffene Familienmitglieder wahrnehmen.“

Junge Patient:innen mit Gliomen profitieren besonders von der KI-Analyse

Abweichungen zu der nach WHO-Kriterien gestellten Diagnose gab es insbesondere bei jungen Patient:innen mit hochgradigen Gliomen – besonders aggressiv wachsenden Hirntumoren. Bei etwa 15% dieser Erkrankten befand die KI, dass es sich nicht um Hochrisikotumoren, sondern um niedriggradigere Gliome mit einer deutlich günstigeren Prognose handelte. Tatsächlich bestätigte die Nachverfolgung über mehrere Jahre, dass diese Patient:innen einen deutlich günstigeren Krankheitsverlauf und bessere Überlebenschancen hatten, als es bei einem hochgradigen Gliom der Fall gewesen wäre. „Gerade diese Patient:innengruppe könnte daher von dem neuen Verfahren besonders profitieren“, sagt David Jones.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (dkfz)

Literatur:

(1) Sturm, D. et al. Multiomic neuropathology improves diagnostic accuracy in pediatric neuro-oncology. Nature Medicine.


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