Ösophaguskarzinom: Viszeralchirurgischer Eingriff als klassische Therapie
Im Jahr 2020 erkrankten etwa 5.660 Männer und über 1.700 Frauen an
Krebs der Speiseröhre, gut 4.600 Männer und 1.400 Frauen starben an den bösartigen Wucherungen (1). Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen Rauchen, Alkohol, Übergewicht und
Reflux. Die Entscheidung zur jeweiligen Therapie ist komplex und individuell Patienten-bezogen „Die klassische Therapie besteht in der Regel aus einem großen viszeralchirurgischen Eingriff. Dabei werden anteilig die Speiseröhre mit dem Tumor und sämtliche in der Nähe befindlichen Lymphknoten vollständig entfernt“, sagt Prof. Dr. Christiane Bruns, Direktorin der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und Transplantationschirurgie der Uniklinik Köln und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) 2023/2024.
Individuelle Therapieauswahl je nach Voraussetzungen der Patient:innen
Doch es gibt Fortschritte in der Therapie. „Mittlerweile richten wir uns bei der Behandlung von Tumoren im Verdauungstrakt sehr an den Voraussetzungen jedes einzelnen Patienten aus“, so die Viszeralchirurgin, die auch stellvertretende Leiterin des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Köln ist. „So schauen uns dazu etwa die molekulare Charakteristik des Tumors an“, führt Bruns weiter aus. „Daraus können wir schließen, auf welche Medikamente der Krebs ansprechen wird und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er im Körper streut.“ Wichtig seien zur Planung der Behandlung neben Lage und Ausbreitung des Tumors auch die Konstitution sowie die Vorerkrankungen der Patient:innen. Auch ihre Wünsche im Hinblick auf Lebensqualität und Lebenszeit spielen eine Rolle. Die Therapieentscheidung bestimmen des Weiteren auch Fragen wie: „Kann man noch beobachtend abwarten (active surveillance)?“, „Inwieweit ist es möglich, das Organ bei der Operation zu erhalten beziehungsweise wie aggressiv muss man Gewebe entfernen?“, „Welche Strahlen-, Chemo- oder Immuntherapeutika gibt man zu welchem Zeitpunkt?“ Ist der Entschluss zur Operation getroffen, stehen die offene Chirurgie, minimalinvasive Verfahren sowie die robotisch unterstützte Chirurgie zur Wahl.
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Mehr Lebensqualität durch robotisch-unterstützte Chirurgie bei Speiseröhrenkrebs
„Im Gegensatz zur offenen Chirurgie hat die minimalinvasive Roboter-unterstützte Chirurgie beim Speiseröhrenkrebs viele Vorteile“, sagt Bruns. „Diese ermöglicht eine mehrfache Vergrößerung des Operationsgebiets und bietet damit eine deutlich übersichtlichere Darstellung sämtlicher Strukturen. Zudem kann man mithilfe der Kameras Blickwinkel einstellen, die man bei der herkömmlichen Chirurgie so nicht hat.“ Mittlerweile kommen auch neuartige und speziell für die Mikrochirurgie konzipierte Operationsroboter, die mit einem robotischen Mikroskop vernetzt sind, zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe können so feinste anatomische Strukturen wie beispielsweise Blutgefäße, Nerven oder Lymphbahnen mit einem Durchmesser von oft nur 0,3 Millimetern wieder miteinander verbunden werden. Eine Präzision, die Nerven, Gefäße und andere empfindliche Strukturen auch bei radikalen Operationen bestmöglich schont. „Das kann nachher den entscheidenden Unterschied zu mehr oder weniger Lebensqualität ausmachen, etwa beim Transportieren des Speisebreis zum Magen“, erklärt die Chirurgin.
Die Grenzen der operativen und onkologischen Therapie verschieben sich immer mehr
Durch die neuen Ansätze einer personalisierten und hochpräzisen Tumorchirurgie verschieben sich die Grenzen der operativen und onkologischen Therapie. „Bereits heute können wir einzelnen Betroffenen mit einer Oligometastasierung eine längere Überlebenszeit bieten. Auf dieser Basis – sie umfasst klinische Studien sowie molekularbiologische Forschung – entwickeln wir ein besseres Verständnis für die Besonderheiten dieser Krebszellen“, führt Prof. Bruns aus. Sie hofft, künftig damit auch Patienten mit deutlich weiter fortgeschrittenen Tumorerkrankungen eine bessere Prognose bieten zu können.
Gebündelte Expertise in Tumorzentren
All dies setzt jedoch voraus, dass sich die Betroffenen zur Behandlung in ein von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziertes Tumorzentrum begeben. „Damit sind hohe Fallzahlen und eine entsprechend große Erfahrung gegeben. Es wird in Prozessen gedacht und in optimaler interdisziplinärer Infrastruktur im Sinne jedes einzelnen Patienten gehandelt“, so Bruns. Und nur hier finden sich gebündelte fachübergreifende Expertise bis hin zur kostspieligen Ausstattung mit neuester Medizintechnik. „Ein Zentrum kann den Unterschied machen, ich rate deshalb allen Betroffenen, im Zweifel eine weitere Anfahrt dafür in Kauf zu nehmen.“ „Die geplante Krankenhausreform berücksichtigt die Zentralisierung von komplexen Leistungen. Ich bin gespannt, wie personalisierte Therapien, die ja auch ein interdisziplinäres Vorgehen erfordern, umgesetzt werden können“, kommentiert Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rixen Generalsekretär der DGCH.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e. V.