Prostatakrebs ist mit jährlich rund 65.800 Neuerkrankungen in Deutschland mit Abstand die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Männern. Im Jahr 2020 verstarben daran 15.400 Patienten. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist zu erwarten, dass sowohl Inzidenz als auch Prävalenz zunehmen werden. „Mit der leitliniengerechten Behandlung sollen auch unerwünschte Folgen der Prostatakarzinombehandlung minimiert werden, etwa erektile Dysfunktion, Inkontinenz und Darmschädigung. Deshalb ist die
S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom von zentraler Bedeutung in der Urologie. Sie wird regelmäßig überarbeitet, um die Patientenversorgung nach dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft zu ermöglichen“, sagt Leitlinienkoordinator Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Jena.
Pathomorphologische Untersuchungen ausreichend für Prognose
Pathomorphologische Untersuchungen spielen in der onkologischen Diagnostik eine zentrale Rolle – unter anderem, um die Prognose zu ermitteln. Für die Abschätzung der Prognose aufgrund der Pathologie sollen in der Routineversorgung keine über die Pathomorphologie hinausgehenden weiterführenden Untersuchungen (Molekularbiologie, Immunhistochemie, Zytometrie) durchgeführt werden. Validierte genomische/transkriptomische Tests sollten nur dann durchgeführt werden, wenn deren Ergebnis die Therapieplanung ändern würde. Patienten mit metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinomen soll eine Sequenzierung von BRCA2 und -1 angeboten werden. Denn BRCA-Mutationen können auf einen potenziellen Nutzen von zielgerichteten Therapien mit PARP-Inhibitoren hinweisen. Zudem kann diesen Patienten eine immunhistochemische Untersuchung der Mismatch Repair (MMR)-Proteine im Karzinom angeboten werden, denn eine Defizienz dieser Proteine gilt als prädiktiver Marker für die
Immuncheckpoint-Therapie.
Aktive Überwachung bei Niedrigrisiko-Prostatakarzinomen
Kurative Therapien des Prostatakarzinoms sind häufig mit signifikanten Nebenwirkungen und Einschränkungen der Lebensqualität verbunden. Das Konzept der aktiven Überwachung (Active Surveillance) dient der Vermeidung einer Überhandlung und kommt prinzipiell für alle Patienten in Frage, die ein sogenanntes Niedrigrisiko-Prostatakarzinom haben. Die aktive Überwachung wird neu für Patienten mit einem lokal begrenzten Niedrigrisiko-Prostatakarzinom explizit empfohlen und auch als Möglichkeit für ausgewählte weitere Patienten mit eher günstigem Risikoprofil benannt. Auch Parameter, die gegen eine aktive Überwachung sprechen, wurden aktualisiert.
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Änderungen bei den Therapieempfehlungen
Die Therapie des metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinoms hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert. Bei diesen Patienten soll zeitnah nach Diagnosestellung eine Androgendeprivation (ADT) zur Reduktion des Risikos typischer Komplikationen, etwa pathologische Frakturen, Rückenmarkskompression, Harnleiterobstruktion oder auch Knochenschmerzen eingeleitet werden. Allen Patienten soll zusätzlich zur ADT eine Therapie mit einem neuen Hormonpräparat angeboten werden; neu zu den bestehenden Therapieempfehlungen aufgenommen wurden die medikamentösen 3-fach-Kombinationen. Auch die Therapieempfehlungen zum androgenunabhängigen oder kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) wurden aktualisiert und berücksichtigen alle zwischenzeitlich erfolgten Neuzulassungen von Medikamenten. Zudem wurden erstmals 2 Empfehlungen zum neuroendokrinen Prostatakarzinom, das sich durch eine aggressive Verlaufsform auszeichnet, in die Leitlinie aufgenommen.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU)