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Medizin

Vision Zero: „Vom Recht auf Gefundenwerden“ – Datenschutz als Patientenschutz

Alisa Ort

Vision Zero: „Vom Recht auf Gefundenwerden“ – Datenschutz als Patientenschutz
© Roman Job
Auf der Herbstarbeitstagung von Vision Zero e.V. gab es vielfältigen und wichtigen Input unterschiedlicher Stakeholder aus dem Gesundheitssektor – was Grundlage für spannende Diskussionen bot. Alle Erkenntnisse sollen Eingang in die Agenda 2025 der gemeinnützigen Organisation finden. Das oberste Ziel: Die Zahl der vermeidbaren krebsbedingten Todesfälle gegen Null bringen. Beiratsvorsitzender Prof. Dr. Christof von Kalle, Berlin, appellierte in seinem Vortrag eindrucksvoll auf eine Neuausrichtung des Verständnisses von Datenschutz als Patientenschutz – eine der Grundlagen für dieses Ziel.
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Vision Zero: Initiative für ein neues Handeln in der Onkologie

Vision Zero e.V. – gemeinsam gegen Krebs, ist eine Initiative, die sich für ein neues Handeln in der Onkologie einsetzt. Die Organisation versteht sich als „Think Tank“ und möchte mit ihrer Arbeit Prävention und Früherkennung verbessern, Präzisionsdiagnostik und innovative Therapiekonzepte fördern und Vorlagen für Entscheidungsträger in der Gesundheitspolitik erarbeiten.

„Eine Daten-Nicht-Nutzung ist auftragswidrig“

„Wir haben in Deutschland einen gesetzlich geregelten Datenschutz, der viel mit dem amerikanischen Begriff „Fear Uncertainty Doubt“ zu tun hat“, so von Kalle. Als Realität in der Praxis nannte er vorauseilende Übererfüllung, rückständige Technik, die Maxime der Nichtprozessierung als Sicherheitsvorkehrung, eine Anonymisierung statt einer Pseudonymisierung sowie Konzepte von Datensparsamkeit aus den 1990er Jahren. „Das ist insbesondere für Krebspatientinnen und -patienten oft problematisch“, betonte der Experte. Eine Daten-Nicht-Nutzung ist nach seiner Aussage im eigentlichen Sinne für das Gesundheitssystem auftragswidrig, da dies den Zugang zu Daten für behandelnde Ärzt:innen, für Forschung und Innovation und für Patient:innen behindere.

„Datennutzung kann Leben retten“

„Wir benötigen ein positives Narrativ“, so der Onkologe vom Berlin Institute of Health (BIH), denn „Datennutzung kann Leben retten!“ Bestes Beispiel dafür seien Konzepte personalisierter Therapien, die Früherkennung und Erkennung familiärer Disposition, von Medikamentenunverträglichkeiten oder von seltenen Erkrankungen. Daher müsse Datenschutz neu gedacht und Datennutzung als aktives Instrument zum Schutz der Patient:innen verstanden werden. Patient:innen wüssten häufig nicht, dass ihnen durch die Ablehnung von Datenprozessierungen ein direkter Nachteil entsteht, da sie dadurch die Erforschung und Neuentwicklung von Diagnostika und Therapeutika ablehnen. „Ich glaube nicht, dass wir unsere Patientinnen und Patienten bisher wahrheitsgemäß aufklären, dass das so ist“, betonte von Kalle.
 
 

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Die „Vision Zero“ in der Onkologie

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© grafikazpazurem - iStock

Patient:innen über die Risiken der Nicht-Verarbeitung von Daten aufklären!

Das Recht auf Dateneinsatz zu weiterführenden Zwecken muss nach der Auffassung von Vision Zero ebenso ernst genommen werden wie das Recht auf Datenverweigerung. „Diese Nutzung muss ein genauso vom Datenschutzbeauftragten schützbares Recht sein“, forderte von Kalle. Entscheidend sei zudem, die Patient:innen über die Risiken der Nicht-Verarbeitung von Daten aufzuklären. Als Beispiele für die damit einhergehenden Risiken nannte von Kalle eine verringerte Versorgungsqualität, einen verlangsamten medizinischen Fortschritt, das Versäumnis persönlicher Teilhabe und nicht zuletzt die Schädigung der Solidargemeinschaft sowie eine dadurch generierte Chancenlosigkeit durch Anonymität.

Vision Zero: Aktivitäten zum Thema Datenschutz

Um Maßnahmen für ein Umdenken zu diskutieren, traf sich der Vorstand von Vision Zero im November 2023 mit Prof. Dr. Ulrich Kelber, dem damaligen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI). Im zweiten Schritt kam es zu einem Austausch von Vision Zero mit der Taskforce Forschungsdaten der Konferenz der unabhängigen Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) im März 2024. Auf Grundlage dieser Gespräche hat Vision Zero dann gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) eine Datenschutz-Arbeitsgruppe gegründet. Aktuell arbeitet die Gruppe an der Erstellung eines Positionspapiers zur Neuausrichtung des Verständnisses von Datenschutz und für eine affirmative Umsetzung von Datenschutz als Patientenschutz. „Ein gemeinsamer Termin von DKFZ, DKG, DKH und Vision Zero mit der aktuellen BfDI, Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, ist angefragt“, berichtete von Kalle.
 
 
 

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© Vision Zero e.V.

Gemeinsames Positionspapier von DKFZ, DKG, DKH und Vision Zero

Das Positionspapier möchte eine Neuausrichtung des Verständnisses von Datenschutz als Patientenschutz vorschlagen und konkrete Handlungsforderungen zur deutlich verbesserten und trotzdem sicheren Datennutzung im Sinne des medizinischen Fortschritts formulieren:
 
  • Recht auf Umsetzbarkeit der Datennutzung in der Versorgung als schützbares Recht
  • Recht auf aktive Zustimmung der Patient:innen für den Dateneinsatz, auch außerhalb der Behandlung
  • Recht auf „Gefundenwerden“ für relevante Informationen und für Studien, unabhängig vom Wohnort
Das abgestimmte Positionspapier soll in Kürze finalisiert und veröffentlicht werden und damit als Grundlage für die Diskussion mit der BfDI und weiteren Entscheidern dienen, wie von Kalle abschließend berichtete.

 

Quelle: Vortrag „Vom Recht auf Gefundenwerden“, Vision Zero Herbstarbeitstagung 2024, 7.11.2024, München; Veranstalter: Vision Zero e.V.


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