CUP: Mutationsanalyse identifiziert zahlreiche Angriffspunkte für gezielte Therapien
Treten im Körper Metastasen auf, aber der ursprüngliche Tumor bleibt unauffindbar, spricht man von
„Krebs unbekannten Ursprungs“ (Cancer of Unknown Primary, CUP). Das Problem: Fehlen die Informationen zum Ursprungsgewebe, stehen weder organspezifische
Chemotherapien noch zielgerichtete Medikamente zur Verfügung. Wie man diesem Phantom unter den Krebserkrankungen trotzdem beikommen könnte, zeigt eine große internationale Studie mit mehr als 630 Patient:innen aus 34 Ländern. Das Team um Prof. Dr. Alwin Krämer, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit „Molekulare Hämatologie/Onkologie“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und dem Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ), Oberarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) sowie Leiter der Task Force „Carcinoma of Unkown Primary (CUP)" am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, untersuchte Krebszellen und Erbgutbruchstücke im Blut der Studienteilnehmenden auf bekannte Krebsmutationen, für die es bereits zugelassene Medikamente gibt. Bei rund einem Drittel der Betroffenen wurde das Team fündig. Eine Therapie mit dem passenden Wirkstoff verlängerte die Zeit, in der die Krebserkrankung nicht weiter fortschritt, und wahrscheinlich auch das Gesamtüberleben, deutlich.
Zielgerichtete Therapie basiert auf zugrundeliegenden Genmutationen der Tumorzellen
Bei bis zu 5% der Krebserkrankungen kann kein Primärtumor festgestellt werden, was bei einem Großteil der Betroffenen die Behandlungsmöglichkeiten massiv beschränkt: Sie erhalten eine unspezifische Chemotherapie und erreichen damit nur eine durchschnittliche Überlebenszeit von unter einem Jahr. „In den letzten Jahren gab es wenige neue Erkenntnisse zum CUP-Syndrom“, sagt Prof. Krämer. „Studien haben lediglich gezeigt, dass Therapien, die auf molekularen Analysen zur Ermittlung des Ursprungsgewebe basieren, nicht erfolgreicher als die Standardchemotherapie sind. Wir sind einen anderen Weg gegangen und haben nach molekularen Eigenschaften der Tumorzellen – genauer gesagt, nach den zugrundeliegenden Genmutationen – gesucht, die sich bereits als Angriffsziel bei anderen Krebsarten bewährt haben und für die es zielgerichtete Medikamente gibt.
Standard-Chemotherapie vs. zielgerichtete Therapie
In die Studie aufgenommen wurden insgesamt 636 Patient:innen an mehr als 150 teilnehmenden Kliniken. Alle waren neu diagnostiziert mit einem CUP ungünstiger Prognose. Zunächst erhielten alle 3 Zyklen einer unspezifischen Standard-Chemotherapie. Die Teilnehmenden, bei denen der Krebs auf diese Weise vorübergehend zum Stillstand kam, wurden anschließend nach dem Zufallsprinzip auf 2 Gruppen aufgeteilt: 110 Patient:innen erhielten als Kontrollgruppe weitere 3 Zyklen der Standard-Chemotherapie. Von den verbleibenden 326 Proband:innen erhielten diejenigen, bei denen die Wissenschaftler:innen 1 von 12 ausgewählten Zielmutationen fanden, dagegen anschließend das dazu passende Medikament. Lag keine der gesuchten Mutationen vor, gab es zusätzlich zur Chemotherapie einen sogenannten
Immun-Checkpoint-Inhibitor, der zwar nicht zielgerichtet wirkt, aber die körpereigene Krebsabwehr anstachelt. In der im Durchschnitt 2-jährigen Nachbeobachtungszeit prüften die Studienärzt:innen, wie lange der Krebs unter der jeweiligen Therapie ruhte und ab wann er sein Wachstum wieder aufnahm. In der Stärke der Nebenwirkungen zeigten sich keine Unterschiede.
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Rund ein Drittel der Patient:innen profitierte von einer zielgerichteten Therapie
„Medizinisch besonders interessant ist der Vergleich zwischen der Gruppe mit mutationsgerichteter Therapie und der Kontrollgruppe“, sagt Prof. Krämer. Dort lag der Unterschied in der Zeit, bis der Krebs wieder aktiv wurde, bei durchschnittlich knapp 4 Monaten – 8 Monate bei zielgerichteter Therapie und 4 Monate bei Standardtherapie. „Bei einem Teil der Patientinnen und Patienten mit gezielter Therapie war der Krebs zum Zeitpunkt der Auswertung immer noch nicht weiter fortgeschritten. Es ist also möglich, dass bei gutem Ansprechen auf die Therapie die Erkrankung auch längerfristig unter Kontrolle bleibt“, so Krämer.
Entwicklung einer neuen Leitlinie im Rahmen der CUPISCO-Studie
Die
Phase-II-Studie „CUPISCO" ist nicht nur die größte Interventionsstudie dieser Art bei Krebs unbekannten Ursprungs. Darüber hinaus führten die Wissenschaftler:innen als Grundlage für die Patientenrekrutierung erstmals die weltweit sehr heterogenen Diagnosekriterien für das CUP-Syndrom zu einer neuen Leitlinie zur Diagnose, Differentialdiagnose und Therapie dieser Tumorerkrankung zusammen und veröffentlichten sie (2). Neu ist ebenfalls der Nachweis, dass die genetischen Analysen von Bruchstücken des Tumorerbguts aus Blutproben („Liquid Biopsy") vergleichbar zuverlässig wie entsprechende Untersuchungen an Gewebeproben funktionieren.
Ergebnisse haben bereits Eingang in europäische Richtlinien gefunden
Aus den Ergebnissen der CUPISCO-Studie folgern die Wissenschaftler:innen, dass bei allen Betroffenen mit neu diagnostiziertem CUP-Syndrom eine genetische Analyse des Tumorerbgutes entweder an Biopsiematerial oder einer Liquid Biopsy erfolgen sollte, um zielgerichtete Therapieoptionen identifizieren zu können. Diese Empfehlung zur Tumorerbgutanalyse und anschließenden zielgerichteten Behandlung von Patient:innen mit CUP-Syndrom wurde kürzlich auch bereits in die neu formulierten europäischen Richtlinien zur präzisionsmedizinischen Behandlung fortgeschrittener Tumorerkrankungen aufgenommen.
(1) Krämer et al. (2024): Molecularly guided therapy versus chemotherapy after disease control in unfavourable cancer of unknown primary (CUPISCO): an open-label, randomised, phase 2 study. Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(24)00814-6.
(2) Krämer et al. (2024): Cancer of unknown primary: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol., DOI: 10.1016/j.annonc.2022.11.013