08. April 2021
Die Augenoberfläche ist ein sensibles System. Jedes einzelne ihrer Bestandteile – die Lider, die Bindehaut, die Hornhaut und der Tränenfilm – spielt eine wichtige Rolle. So lange alles funktioniert, ist uns gar nicht bewusst, wie komplex dieses Zusammenspiel ist. Doch eine Störung an einem Teil wirkt sich auf alle anderen aus. Das kann gravierende Folgen für das Sehvermögen und das Wohlbefinden des Betroffenen haben.
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Die Hornhaut schließt als klare „Windschutzscheibe“ das Auge nach vorne ab. Sie ist ringförmig umgeben von der Bindehaut, einer Schleimhaut, die auch die Innenseite der Augenlider auskleidet. Mit jedem Lidschlag verteilt sie wie ein weiches Tuch den Tränenfilm auf der Hornhaut und entfernt kleine Fremdkörper, die das Auge irritieren könnten. Der Tränenfilm besteht aus mehreren Schichten. Den größten Teil bildet eine in den Tränendrüsen gebildete Flüssigkeit, die Nährstoffe für die Hornhaut enthält, aber auch Abwehrzellen gegen Infektionen. Die Haupttränendrüse liegt in der Augenhöhle seitlich über dem Augapfel, in der Bindehaut gibt es zusätzliche kleine wässrige Tränendrüsen. Damit die Tränen nicht zu schnell verdunsten oder aus dem Auge rollen, werden sie von einer öligen Schicht bedeckt, die von den Meibom-Drüsen im Bereich der Lidkante gebildet wird. Eine innere Schleimschicht bedeckt die Augenoberfläche direkt. Sie macht die wasserabweisende Hornhaut zu einer wasserfreundlichen Schicht, so dass sich der Tränenfilm anlegen kann.
Wie verändert sich die Hornhaut durch Erkrankungen der Lider?
Erkrankungen der Augenlider ziehen oft Veränderungen der Hornhaut nach sich, die nicht übersehen werden sollten. So kann es zu einer Verformung der Hornhaut kommen, die die Sehschärfe mindert. Die Hornhaut kann als Folge einer Liderkrankung ihre Form verändern; Blutgefäße wachsen möglicherweise ein und mindern die Transparenz der Hornhaut; Hornhaut-Geschwüre (Ulzera) können sich bilden und schließlich kann sogar eine Perforation der Hornhaut die Folge der Liderkrankung sein.
Was sind die ursächlichen Mechanismen für Hornhautveränderungen bei Liderkrankungen?
Diese Veränderungen sind mögliche Folgen unterschiedlicher Mechanismen: Tumore können Druck auf die Hornhaut ausüben und sie verformen. Ein fehlender Lidschluss verhindert, dass die Hornhaut feucht gehalten wird. Wimpern können auf der empfindlichen Augenoberfläche scheuern und sie reizen. Schließlich können Infektionen mit Viren oder Bakterien und Entzündungen auf Liderkrankungen zurückgehen.
Eine häufige Lidfehlstellung, die Hornhautveränderungen verursacht, ist das Ektropium, bei dem die Kante des Augenlids – meist ist es das Unterlid – nach außen wegkippt. Ein Ektropium kann angeboren sein, es ist oft aber auch die Folge von Alterungsprozessen. Es kann dazu führen, dass das Auge austrocknet, weil das Lid nicht mehr dem Auge anliegt und der Tränenfilm nicht mehr so gut auf dem Auge verteilt wird. Diese Austrocknung kann Schäden an der Hornhautoberfläche bis hin zu Hornhaut-Geschwüren zur Folge haben. Ein chirurgischer Eingriff an den Lidern ist dann der gebotene Weg, damit die Hornhaut heilen kann.
Im Gegensatz zum Ektropium liegt ein Entropium vor, wenn die Lidkante sich nach innen dreht. Das kann die Folge einer Narbenbildung der Bindehaut sein, eine Folge von Alterungsprozessen oder – selten – eine angeborene Fehlstellung. Sind Bindehautnarben die Ursache des Entropiums, muss geklärt werden, wie sie sich gebildet haben. Eine Entzündung aufgrund einer Autoimmunerkrankung (z.B. einem Schleimhautpemphigoid) kann dahinter stecken oder auch die Folgen einer bakteriellen Infektion des Auges. Insbesondere in Gegenden mit mangelnden Möglichkeiten zur Hygiene ist das Trachom häufig, eine Infektion der Augen mit Chlamydien, die die Bindehaut vernarben lässt. Bei einem Entropium drehen sich die Wimpern nach innen und scheuern andauernd auf der Hornhaut. Das ist schmerzhaft und führt zu Hornhautschäden bis hin zur kompletten Hornhauteintrübung. Nur eine frühzeitige Behandlung der Infektion (beim Trachom) oder eine Operation der Lider (beim Entropium im Allgemeinen) kann helfen, das zu verhindern.
Vom „Floppy Eyelid“ ist die Rede, wenn das ganze Oberlid leicht nach außen geklappt werden kann. Der Tarsus, eine schalenförmige Verstärkung des Augenlids, die aus Bindegewebe besteht, ist dann gummiartig verändert. Patienten mit einem Floppy Eyelid Syndrom leiden häufig auch an einem Keratokonus, das ist eine krankhafte Vorwölbung der Hornhaut. Andere Krankheiten, die bei diesen Patienten häufiger beobachtet werden, ist das Glaukom (Grüner Star) und das Schlafapnoe-Syndrom, bei dem es zu Atemaussetzern im Schlaf kommt. Das Flopppy Eyelid Syndrom führt oft zu einem Trockenen Auge, zu oberflächlichen Verletzungen (Hornhauterosionen) und zum Einwachsen von Gefäßen in die geschädigte Hornhaut (Vaskularisation). Oft kommt noch eine Störung der Meibom-Drüsen hinzu. Die Behandlung des Floppy Eyelid Syndroms besteht zum Einen in der Gabe von Tränenersatzmitteln. Nachts kommen Gele und Salben zum Einsatz, die das Austrocknen des Auges verhindern, außerdem können Schutzschilder die Augen in der Nacht geschlossen halten. Patienten mit einer Schlafapnoe, die nachts Beatmungsmasken nutzen, sollten darauf achten, dass die Maske dicht am Gesicht anliegt und dass die Luft nicht durch Lecks entweichen kann. Wenn diese konservative Behandlung nicht ausreicht, kann das Oberlid durch eine Operation gestrafft werden.
Lidtumore
Tumore üben Druck auf den Augapfel aus und verursachen so Sehfehler. Außerdem können sie eine Entzündung der Lidränder und der Bindehaut hervorrufen, eine Blepharokonjunktivitis.
Ein recht häufiger Tumor bei Kindern ist das Blutschwämmchen (Hämangiom). Je nach Größe und Position kann es die Blickachse verdecken und dann die Entwicklung des Sehvermögens gefährden. Wird es nicht behandelt, droht eine einseitige Sehschwäche (Amblyopie). Das Hämangiom wird unter der Gabe von Propranolol, einem Betablocker, kleiner. Bei 40% der Kinder geht dann auch der durch den Tumor verursachte Astigmatismus zurück. Nur etwa jedes 10. Kind benötigt nach dieser Behandlung noch eine Amplyopieprophylaxe.
Ein Chalazion, umgangssprachlich Hagelkorn genannt, ist eine chronische Entzündung, die von einer Meibom-Drüse ausgeht. Der Ausgang der Drüse ist dabei verstopft und so entwickelt sich langsam an der Lidkante ein Knötchen, das nicht schmerzhaft ist, das aber die Größe einer Haselnuss erreichen kann. Große Chalazien, die mitten auf dem Oberlid sitzen, können dann einen Astigmatismus verursachen. Da es sich um die Erkrankung der Meibom-Drüse handelt, kann auch die Stabilität des Tränenfilms beeinträchtigt sein, weil die schützende ölige Schicht nicht ausreichend gebildet wird. Das Chalazion lässt sich durch eine Injektion mit Kortikosteroiden oder eine Exzision entfernen. Danach bessern sich auch die Beschwerden der Hornhaut.
Lidinfektionen
Nach einer Infektion mit Windpocken in der Kindheit kann das Varizella-Zoster-Virus unter Umständen in Nervenganglien dauerhaft erhalten bleiben. Ist der 1. Ast des Gesichtsnerven (Nervus Ophthalmicus) davon betroffen, dann wird das Auge in Mitleidenschaft gezogen. Eine Infektion kann bei einer Immunschwäche oder im höheren Alter wieder aktiviert werden. Dann ruft es Entzündungen an Lid, Bindehaut und/oder Hornhaut hervor, sogar eine Uveitis, eine Entzündung im Auge, ist möglich. Die Krankheit ist sehr schmerzhaft und kann Lidfehlstellungen zur Folge haben. Weil der Hornhautnerv geschädigt ist, kann die Hornhautsensibilität reduziert sein. Die Hornhaut wird anfälliger für Verletzungen und auch ihr Heilungsvermögen lässt nach. Auch ein Glaukom kann als Komplikation einer solchen Erkrankung auftreten. Behandelt wird diese Infektion mit antiviralen Medikamenten, die systemisch eingenommen werden; hinzu kommt eventuell noch eine lokale Behandlung mit Kortisonpräparaten. Für Personen ab dem 60. Lebensjahr wird von der STIKO (Ständige Impfkomission) des Robert Koch Instituts eine Zosterschutzimpfung empfohlen.
Lidallergien
Auch Allergien – ob der klassische Heuschnupfen (Rhinokonjuktivitis) oder eine Kontaktallergie – führen zur Entzündung der Bindehaut und der Lider. Sie können in der Folge Schäden an der Hornhaut bis hin zu Geschwüren und Narben auf der Hornhaut auslösen. Weil Allergien oft mit starkem Juckreiz verbunden sind, reiben sich die Betroffenen häufig die Augen, was die Probleme aber noch verstärkt. Abhilfe verschafft, so weit es möglich ist, eine Allergenkarenz. Daneben helfen Augentropfen mit antiallergischen Wirkstoffen (Antihistamine, Mastzellstabilisatoren). Unkonservierte Tränenersatzmittel lindern die Beschwerden zusätzlich, eine Lidkantenpflege ist zu empfehlen und unter Umständen wird auch Kortison oder eine weiterführende entzündungshemmende Therapie mit anderen immunsupprimierenden Substanzen eingesetzt.
Blepharitis / Meibom-Drüsen-Dysfunktion
Schließlich haben auch eine Entzündung der Lider (Blepharitis) und eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion nachteilige Auswirkungen auf die Hornhaut. Bei einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion sind die Ausführungsgänge der Drüsen zunächst durch verdicktes Sekret verstopft, nach und nach gehen die Drüsen verloren. Dadurch verändern sich Qualität und Quantität des Lipidfilms, der den Tränenfilm schützt. Die Folge ist eine zu rasche Verdunstung der Tränen und ein Austrocknen der Augenoberfläche. Eine kontinuierliche Pflege der Lidkanten umfasst die Erwärmung und Massage der Lider (Lidkantenpflege), damit verdicktes Sekret sich löst und die Ausgänge der Drüsen wieder frei werden. Tränenersatzmittel mit Lipiden und eventuell Augentropfen mit antibiotischer und antientzündlicher Wirkung können die Behandlung bei Bedarf ergänzen.
Fazit
Die Augenoberfläche ist ein komplexes System, bei dem Lider, Bindehaut, Tränenfilm und Hornhaut sich gegenseitig beeinflussen. Erkrankt ein Bestandteil dieses Systems, dann hat das auch für die anderen Strukturen Folgen. Gerade bei Liderkrankungen sind in der Folge oft krankhafte Veränderungen der Hornhaut zu beobachten. Die Behandlung kann je nach Krankheit viel Geduld erfordern. Bei Lidfehlstellungen sind oft Operationen notwendig, die dann auch eine Abheilung der Hornhaut ermöglichen.