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Malignes Melanom: Immun-Checkpoint-Inhibition und zielgerichtete Therapie

Antje Blum, Dr. med. vet. Astrid Heinl, Prof. Dr. med. Bastian Schilling und Dr. med. Patrick Schummer

Malignes Melanom: Immun-Checkpoint-Inhibition und zielgerichtete Therapie
© iStock/grafikazpazurem
Mit dem Thema malignes Melanom meldet sich O-Ton Onkologie aus der Sommerpause zurück. Den Auftakt zur 2. Staffel machen Antje Blum und Dr. med. vet. Astrid Heinl. Mit Prof. Dr. Bastian Schilling und Dr. Patrick Schummer, Universitätsklinikum Würzburg, sprechen die beiden über die revolutionären Therapieentwicklungen bei dieser Entität, genauer über Immun-Checkpoint-Inhibition und zielgerichtete Therapien.
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Was erwartet Sie in der ersten Folge der 2. Staffel des Podcasts O-Ton Onkologie?

Dies sind die Highlights (Minuten:Sekunden)
 
  • 01:56 Was hat James P. Allison damit zu tun, dass die Melanom-Therapie heute revolutionär anders ist als vor 2011?
  • 11:11 Chronifizierung des malignen Melanoms: Ist beim Melanom eine Heilung möglich?
  • 26:32 Krebsfrüherkennung: Bringt das Hautkrebsscreening, was man sich erhofft hat?
  • 30:00 Bräune ist „in“: Welchen Nutzen bieten Hautschutz und Awareness?
  • 33:16 Nachsorge: Wie lange und wie oft soll die Bildgebung nach einem Melanom erfolgen?
  • 34:50 Ausblick Melanom-Therapie: LAG3-Blockade, RNA-basierte Impfstoffe, neue Substanzklasse PROTACs, TIL-Therapie, transgene T-Zellen

Hören Sie rein!

O-Ton Onkologie – der Podcast für Mediziner:innen · Malignes Melanom
 

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Weitere Informationen/ Shownotes zur Folge

      - TIL=Tumor-infiltrierende Lymphozyten
      - PROTACs=PROteolysis TArgeting Chimeras
      - PROMIT-Studie: Preconditioning of Tumor, Tumor Microenvironment and the Immune System to Immunotherapy
 
  • Podcast-Tipps unserer Gäste:
- stellvertretend für das Genre True Crime: „Schwarze Akte“
- „Impfen gegen Krebs – Welche Zukunft hat die peptidbasierte Immuntherapie?“ (O-Ton Onkologie – der Podcast für Mediziner:innen. Gespräch mit Prof. Dr. Juliane Walz, Universitätsklinikum Tübingen, erschienen am 29.6.2022)

Dieser Podcast ist eine Kooperation zwischen der Medical Tribune Onkologie/Hämatologie und dem JOURNAL ONKOLOGIE. Fragen, Feedback und Themenvorschläge gerne an: o-ton-onkologie@medtrix.group
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Die zentralen Themen der Folge – Springen Sie per Klick zur Textstelle im Transkript!

Transkript zur Podcastfolge

(Es gilt das gesprochene Wort.)

O-Ton:
Prof. Dr. Bastian Schilling: „Meine persönliche Meinung ist, dass wahrscheinlich die Hautkrebs-Früherkennung nicht messbar dafür sorgen wird, dass die Sterblichkeitsrate durch die Melanom-Erkrankung signifikant sinkt. Und ich muss leider sagen, ich denke, dass wir das aufgeben sollten."

Antje Blum: Herzlich willkommen bei O-Ton Onkologie, dem Podcast für Mediziner:innen.
Mein Name ist Antje Blum, ich bin die Chefredakteurin des JOURNAL ONKOLOGIE in Regensburg, und mir digital zugeschaltet ist Dr. Astrid Heinl, die stellvertretende Chefredakteurin. – Hallo Astrid!

Dr. Astrid Heinl: Hallo Antje!

Antje Blum: In der heutigen Folge geht es um das maligne Melanom. Ein Tumor mit einem hohen Metastasierungsrisiko. In den letzten Jahren hat sich bei dieser Entität sehr viel getan, es wurden neue Therapien zugelassen, zum einen unterschiedliche Immun-Checkpoint-Inhibitoren, kurz ICIs, zum anderen zielgerichtete Therapien. Darüber sprechen wir mit Prof. Dr. Bastian Schilling und Dr. Patrick Schummer, die beide am Universitätsklinikum Würzburg an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie arbeiten. Für beide ist die translationale Melanomforschung ein Schwerpunkt ihrer Arbeit. Herzlich willkommen bei O-Ton Onkologie! Schön, dass Sie beide heute digital bei uns sind!

Dr. Patrick Schummer: Hallo. Danke für die Einladung.

Prof. Dr. Bastian Schilling: Genau. Vielen Dank für die Einladung. Machen wir sehr gerne.

Antje Blum: Sehr schön. Lieber Herr Prof. Schilling, als Facharzt für Dermatologie (und auch davor) behandeln Sie seit 2008 Melanom-Patient:innen – berichten Sie doch mal, was vor 2011 die Problematik der Therapie ausgemacht hat und was der  Medizin-Nobelpreisträger James P. Allison damit zu tun hat, dass die Behandlung heute so revolutionär anders ist.

Prof. Dr. Bastian Schilling: Also, als ich damals angefangen habe, die ersten Melanom-Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung zu behandeln, haben diese Patient:innen in aller Regel eine Chemotherapie bekommen, also eine Monotherapie oder eine Polychemotherapie, von denen wir eigentlich damals schon wussten, dass sie teilweise eine gewisse Aktivität bei der Erkrankung haben, aber schlussendlich keinerlei Überlebensverbesserung in der fortgeschrittenen Erkrankung erreicht haben.

Und das andere, was wir damals auch gemacht haben: wir haben noch Hochdosis-Interferon-alpha-Therapien gemacht in der angewandten, also der vorbeugenden Behandlungsituation. Und diese Patient:innen lagen dann regelmäßig bei uns auf der Station, haben die hohen Dosen bekommen, hatten Nebenwirkungen. Das gleiche galt auch für die Chemotherapie-behandelten fortgeschrittenen Patient:innen. Und eigentlich haben wir nur Nebenwirkungen gesehen, kaum Ansprechen und die Patienten sind alle irgendwann nicht mehr gekommen, weil sie an der Erkrankung eben verstorben sind.

Und bei Jim Allison denke ich natürlich an CTLA-4, aber auch an eine Mundharmonika, denn diese spielte er in der Band „Die Checkpoints“, in der auch Tom Gajewski und ein paar andere bekannte Tumor-Immunologen sind. Aber er hatte in den 90er Jahren ja die Wirkweise, die Funktionalität von CTLA-4 maßgeblich beschrieben in der Antitumorimmunität und die Zulassung des CTLA-4-Blockers Ipilimumab 2011 war dann natürlich der große Meilenstein, eine neue Therapiesäule, die dann später auch dafür gesorgt hat, dass er zusammen mit Tasuku  Honjo den Nobelpreis für Medizin und Physiologie bekommen hat und dieses neue Prinzip der Immun-Checkpoint-Blockade durch ICIs hat sich dann ja sehr breit etabliert. Und ich habe damals das.., als ich im PJ war, also noch bevor ich da dann als Assistenzarzt Chemotherapien und Interferon gemacht habe, mein PJ in der Universität in Essen gemacht und wir haben…, die Hautklinik Essen hat damals an der Zulassungsstudie, also an diesem berühmten Paper von Stephen Hodi teilgenommen und wir hatten damals eine Patientin mit Durchfall, die in einer Studie war, auf der Station liegen. Das habe ich dann natürlich nicht verstanden. Und hinterher ist mir dann aber klar geworden, dass das so die meine erste Berührung mit dem CTLA-4-Blocker Ipilimumab ab war, dass wir diese Patientin mit Nebenwirkungen mit so einer typischen Colitis 2007, …2006, ….2007 muss das gewesen sein, auf der Station hatten. Und dann hat sich natürlich im weiteren Verlauf die Therapie des fortgeschrittenen Melanoms und auch die adjuvante Therapie wirklich fundamental verändert. Und Chemotherapien spielen heute in der Therapie dieser Erkrankung eigentlich keine Rolle mehr, sondern, wie das eingangs ja schon erwähnt wurde, geben wir die Immun-Checkpoint-Inhibitoren und einem Teil der Patienten eben zielgerichtete Therapeutika.

Dr. Astrid Heinl: Das maligne Melanom ist dann sozusagen der "Paradetumor", für den die Immuntherapie entwickelt wurde und entsprechend gilt die Immun-Checkpoint-Blockade heute auch als Standardtherapie. Herr Dr. Schummer, könnten Sie die Wirkweise der Checkpoint-Blockade kurz skizzieren?

Dr. Patrick Schummer: Sehr gerne. Und zwar haben wir….Prinzipiell greifen die Therapien ja an, wie der Name sagt, an Kontrollpunkten an, dem Immunsystem, die es ja auch dem Tumor ermöglichen, ein bisschen das Immunsystem auszutricksen, vor allem mit dem PD-L1-Oberflächenantigen auf den Tumorzellen. Wir haben auf den Abwehrzellen, auf den T-Zellen, den PD-1-Rezeptor, der an dieses Antigen binden kann, und dadurch schafft es die Tumorzelle, das Immunsystem zu umgehen. Ziel dieser Immuntherapie oder zumindest ein Teil davon ist es, genau diesen Mechanismus zu unterbinden, indem an dem PD-1-Rezeptor gebunden wird und damit diese Bindung nicht stattfinden kann und der Körper dann doch die Tumorzelle als solche auch erkennt und angreifen kann.

Wir haben ja noch die andere Immuntherapie, das Ipilimumab oder der Anti CTLA-4-Antikörper, der einen etwas anderen Mechanismus hat oder früher eingreift in dieser Schleife, und zwar in der Aktivierung der T-Zellen, die auch bei Bindung an CTLA-4 inaktiviert werden können, und durch die Tumor…durch die Antigen-präsentierenden Zellen. Und man versucht, durch diesen Antikörper diese Bindung zu unterbinden und damit dann auch eine Aktivierung der T-Zelle durch diese Antigen-präsentierenden Zellen zu ermöglichen und damit auch das Immunsystem in gewisser Weise anzuregen. Also letztendlich bei den zugelassenen Therapien zwei unterschiedliche Wirkmechanismen, was sich dann auch in der Fülle der Nebenwirkungen oder auch in der Schwere zeigen kann, sodass wir gerade bei Ipilimumab, das ja doch früher eingreift in dieser T-Zell-Aktivierung auch ein anderes Nebenwirkungsspektrum haben, teilweise auch schwerwiegendere Nebenwirkungen im Vergleich zu den Anti-PD-1-Antikörpern.

Antje Blum: Über die Nebenwirkungen können wir ja gleich noch mal sprechen. Es wurde jetzt schon gesagt, die Chemotherapie spielt heute keine Rolle mehr. Also wenn man plötzlich so viele Optionen hat, wo man vorher nur eine einzige hatte, dann freut man sich ja; aber die Frage ist, ob die Dinge dadurch einfacher werden. Also, ein breites Therapieangebot bringt ja mit sich, dass Sie als Ärzte die richtigen Entscheidungen treffen müssen.  Zur Therapiewahl, aber natürlich auch zum Therapiezeitpunkt. Was würden Sie sagen, ist das Melanom heutzutage ein eher einfach oder schwer zu behandelnder Tumor?

Prof. Dr. Bastian Schilling: Also ich würde insgesamt sagen, dass… ich finde es einfach, aber ich meine, ich mache es ja nun auch nicht erst seit seit gestern. Und man muss schon auch noch mal hervorheben, dass man zwar eine Menge Wirkstoffe zur Verfügung hat, aber dass Patienten, die keine aktivierende Mutation im Gen BRAF  im Codon 600 haben, eigentlich – oder nur, nicht nur eigentlich, sondern – die haben als einzige Therapieoption eine Immun-Checkpoint-Blockade und die ist in der Regel heute PD-1-basiert.

Und das bedeutet schlussendlich, dass wir in diesen Patienten nur noch entscheiden müssen, ob wir eine PD-1-Monotherapie geben oder ob wir Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab verabreichen. Und es bleibt dann einfach, weil wir mittlerweile auch wissen, auch wenn die Leitlinie oder vielerorts noch gesagt wird, dass bei den BRAF-Mutierten sowohl eine zielgerichtete Therapie als auch eine Immun-Checkpoint-Blockade eingesetzt werden kann. Und das ist auch grundsätzlich richtig. Muss man eigentlich sagen, dass auch die neuesten Untersuchungen zum Vergleich dieser beiden Therapieformen bei den BRAF-mutierten Patienten klar zeigen, dass auch BRAF-mutierte Melanom-Patienten, die eine metastasierte Erkrankung haben, langfristig gesehen deutlich stärker von einer PD-1-basierten oder vor allen Dingen von einer Immun-Kombinationstherapie profitieren, sodass ich sagen würde, es ist relativ einfach: Die fortgeschrittenen Patient:innen mit einem metastasierten kutanen Melanom bekommen in aller Regel eine PD-1-basierte Immuntherapie und die BRAF-mutierten Patienten können dann in der Zweitlinien-Situation, also wenn die erste Therapielinie, die Checkpoint-Blockade, nicht wirkt, noch eine kombinierte zielgerichtete Therapie bekommen.

Und dann muss man sagen, was jetzt Resistenzen angeht, die sehen wir eben unter beiden Therapieformen, sowohl primär als auch sekundär. Das heißt, Patienten sprechen gar nicht an – oder irgendwann nicht mehr, haben wir für beide Therapieoptionen bei den BRAF-mutierten auch heute keine Resistenzbrecher, sodass die Patienten, die dann diese Standardtherapie in der üblichen Reihenfolge durch haben, schlussendlich dann in klinische Studien eingeschlossen werden sollten oder in Sequenzierungsprogramme, um vielleicht personalisierte Ansätze zu fahren. Oder, wenn man dann doch wirklich Patienten hat mit einem hohen Therapiewunsch und gleichzeitig eben weiß, dass gerade das Dacarbazin als Monotherapie auch ganz gut verträglich ist, kann man solchen Patienten dann am Ende der Therapieoption auch noch mal eine Chemotherapie anbieten.

Dr. Astrid Heinl: Ja, Sie sagten eben ja, diese Immuntherapie ist relativ einfach und für die Patienten auch ein gutes Ansprechen.… Also teilweise kommt ja zu einem Langzeitüberleben von 5 bis 6 Jahren. Also kann man jetzt aufgrund dieser wirklich guten Entwicklungen und vielleicht auch aufgrund künftiger Entwicklungen sagen, dass das Melanom eventuell zu einer chronischen Erkrankung werden kann? Oder würden Sie von einer Heilung sprechen, wenn der Patient tumorfrei ist?

Dr. Patrick Schummer: Das ist auf jeden Fall eine sehr gute und wichtige Frage, auch für den weiteren Weg. Ich kann auch die Gegenfrage stellen: Was ist Heilung? Also, wie kann man das definieren? Ist ja auch hier die Annahme, man man hat etwas, man therapiert etwas, es ist weg, kommt nie wieder. Dass man da eher von der Heilung spricht, das ist beim Melanom dann doch schwierig zu sagen.

Wir haben viele Patienten, die wir auch jetzt jahrelang schon therapieren, mit Immuntherapien, die auch tumorfrei sind, die metastasiert waren, wo wir auch die Therapie pausieren oder beenden konnten, auch im Einverständnis mit den Patienten und hier auch viele Patienten haben, wo das gut läuft, also auch schon seit Jahren gut läuft. Aber auch wieder Patienten, die wieder Rezidive bekommen, sodass ich da auch eher gewillt wäre zu sagen, wir haben hier eher eine chronische Erkrankung als eine richtige Heilung, ich denke, wir befinden uns auf einem guten Weg dahin, auch mit den neuen Therapieansätzen. Die Therapiemodalitäten in früheren Stadien, also in der Adjuvanz oder Neoadjuvanz, dass das eher die Chancen steigert für eine Heilung. Aber gerade im metastasierten Setting, selbst da bei einer Komplettremission, wäre ich eher wie gesagt geneigt dazu, bei einer chronischen Erkrankung zu bleiben. Es zeigt sich auch doch auch in Studien. Auch wenn die Langzeitüberlebensraten bei 5-6 Jahren liegen, hat man doch auch eine Divergenz zwischen dem Gesamtüberleben und dem progressionsfreien Überleben, auch grad mit den ganzen neueren Therapien. Das ist natürlich da auch wieder schwierig zu differenzieren; Wer hat wirklich keine neuen Stellen oder war tumorfrei und läuft damit gut weiter? Da ist sicherlich noch einiges an, an Informationen zu gewinnen. Auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, wo wir noch viel dazulernen werden, nachdem die Therapien ja noch relativ jung sind. Aber ich denke, wir sind hier auf einem sehr positiven und guten Weg für die Zukunft.

Antje Blum:  Jetzt hätte ich eine Frage zur Immunität. Also das ist ja… - oder mehrere Fragen. Also es ist ja eine Nebenwirkung von den ICIs: Autoimmunphänomene. Wo würden Sie sagen, manifestieren sich diese immunbedingten Nebenwirkungen am häufigsten? Was kann man dagegen tun? Und dann würde mich noch interessieren, ob diese auftretende Toxizität vielleicht auch mit der Wirksamkeit korreliert.

Dr. Patrick Schummer: Ich würde anstatt von Autoimmunphänomenen dann doch eher bevorzugen, von immunvermittelten Nebenwirkungen zu sprechen. Gerade in dem Setting, gerade bei diesen Therapien, nachdem die ja letztendlich im ganzen Körper wirken können, haben wir jedes Organsystem, was befallen werden kann von immun-vermittelten Nebenwirkungen. Was man weitaus am häufigsten sieht, das ist eine Fatigue oder Müdigkeit, das berichten fast alle Patienten. Und Juckreiz der Haut, auch ohne spezifische Hautveränderungen. Das sind eigentlich so die die häufigsten Nebenwirkungen, die wir sehen. Dann… ist auch immer ein bisschen Substanz-spezifisch auch… Nebenwirkungen, die häufiger vorkommen können. Was da häufig zu sehen ist, sind Hepatitis, Leberwerterhöhungen, Hautnebenwirkungen, Colitis – auch eine gefürchtete Nebenwirkung – Diarrhöen und Endokrinopathien. Sprich auch hier Veränderungen an den Hormon-bildenden Drüsen, also auch die Nebenniere, die Schilddrüse, die Hirnanhangsdrüse.

Das sind ja auch mehr oder weniger häufige Nebenwirkung. Also Schilddrüse sehen wir sehr häufig, dass die betroffen ist, dass Patienten dann in Folge eine Unterfunktion bekommen. Seltener ist der Befall der Nebenniere, dass Patienten hier dauerhaft Cortisol substituiert bekommen müssen. Das sind natürlich auch Nebenwirkungen, die man kennen muss, erkennen muss und auch frühzeitig therapieren muss. Daher werden die Patienten auch dementsprechend geschult. Auch aus der Erfahrung der letzten Jahre oder Jahrzehnte, dass man einfach abschätzen kann, was ist häufig, was ist zu erwarten und dementsprechend die Patienten auch schult. Gerade im Hinblick auf Ipilimumab sehen wir sehr häufig Diarrhoen, auch in der Kombinationstherapie mit Nivolumab. Da muss man Patienten darüber aufklären, dass das häufig vorkommt, auch frühzeitig vorkommen kann und auch potenziell lebensbedrohlich ist.

Zu anderen Autoimmunerkrankungen, die vorbestehen:  Auch da muss man abwägen im Patientenfall. Es gibt Autoimmunerkrankungen, die eine Kontraindikation darstellen, zum Beispiel die Myasthenia gravis oder Polymyalgia  rheumatica, die sich reaktivieren können unter der Therapie. Eine rheumatoide Arthritis ist jetzt prinzipiell keine Kontraindikation. Man muss natürlich dann unter Therapie abwägen, wenn es zu Gelenkschmerzen kommt, ist das eine Reaktivierung dieser rheumatoiden Arthritis oder doch tatsächlich eine Nebenwirkung der Immun-Checkpoint-Blockaden? Da muss man auch sagen, das ist auch eine Nebenwirkung, die möglich ist unter den zielgerichteten Therapien, also mit BRAF- und MEK-Inhibitoren, und auch da ist es wie gesagt wichtig, die Patienten dementsprechend zu schulen. „Kolibris" gibt es natürlich auch, man lernt ja dazu in den letzten Jahren und Jahrzehnten, sodass immer seltenere Nebenwirkungen auch auftreten, die man ja dann auch mal das erste Mal hört, sei es jetzt eine limbische Enzephalitis, auch neurologische Nebenwirkungen sind ja doch auch eher selten. Aber die die Wahrnehmung häuft sich so in den letzten Jahren. Auch sehr gefürchtet sind Herzmuskelentzündungen, wo man wirklich als Therapeut auch darauf achten muss, also gerade auch mit Laborkontrollen. Der Vorteil ist, dass der Großteil der Nebenwirkungen durch Steroid-Gabe, sei es jetzt über Tabletten oder Infusionen, wieder reversibel ist. Wenn die die Nebenwirkungen stärker ausfallen, wird auch die Therapie pausiert oder auch abgebrochen. Das muss man abwägen. Was wir nicht mit einfachen Tabletten oder mit Cortison in den Griff bekommen, das sind die Hormon-bedingten Nebenwirkungen. Da müssen dann Patienten dauerhaft substituiert werden, sei es jetzt mit Schilddrüsenhormon oder Cortisol.

Antje Blum: Und korreliert jetzt die das Auftreten von Immun-Nebenwirkungen mit dem Ansprechen oder mit der Wirksamkeit der Immun-Checkpoint-Inhibitoren?

Prof. Dr. Bastian Schilling: Also, es ist eine gute Frage. Man kann insgesamt sagen, dass es da eine schwache Assoziation gibt. Man muss aber auch sagen, dass wir Ansprechen sehen bei Patientinnen ohne Nebenwirkungen. Und wir sehen auch keinen Nutzen bei Patientinnen und Patienten, die mehrere immun-vermittelte Nebenwirkungen entwickeln. Es ist für die Patienten-Aufklärung schon, finde ich, wichtig, weil sonst der Eindruck entsteht, "ich bekomme ja gar nichts, ich habe keine Nebenwirkungen“, also kann keine Wirkung da sein.

Und gleichzeitig muss man eben auch sagen, dass diese Information auch schlussendlich nicht hilfreich ist. Also selbst wenn dieser Biomarker gut verwendbar wäre, würden wir erst unter der Therapie merken, ob jemand Nebenwirkungen entwickelt oder nicht. Das heißt wieder, für die Therapieplanung oder auch Therapiedauer wie auch immer ist das keine wirklich hilfreiche Information. Und wie ich das schon gesagt habe, oder wie Patrick das auch gerade gesagt hat, die Patienten müssen gut über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt sein. Umgekehrt, was wir den Patienten eben auch sagen, ist, dass, wenn wir die Therapie wegen immun-vermittelten Nebenwirkungen beenden müssen, weil die so schwerwiegend sind, dann ist es für die Patienten auch kein Nachteil, weil Patientinnen und Patienten schon eher dazu neigen, auch aus Angst vor Therapieabbruch Nebenwirkungen zu verschweigen und damit die Einleitung einer gut wirksamen Therapie dafür dann verzögern, das heißt, als Biomarker hilft uns diese Assoziation nicht.

Die Patienten müssen es wissen und gleichzeitig müssen sie eben auch wissen, dass Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen langfristig gesehen kein Nachteil ist im Vergleich zu Patientinnen und Patienten, die die Therapie nicht wegen Nebenwirkungen abbrechen müssen.

Dr. Astrid Heinl: Gibt es denn einen optimalen Zeitpunkt für die Checkpoint-Inhibitor-Therapie? Also auch jetzt vielleicht im Hinblick auf Nebenwirkungen, denn das Immunsystem unterliegt ja Schwankungen im Lauf des Tages. Also Stichwort Biorhythmus, Chronobiologie?

Prof. Dr. Bastian Schilling: Ja, das ist tatsächlich so, dass es….. idealerweise müssen Sie als BRAF-Wildtyp-Patient im Sommer morgens die Immuntherapie anfangen. Das kann man sich natürlich nicht aussuchen. Also es gibt da tatsächlich Daten. Es gibt also gute Untersuchungen, die über alle Melanom-Patienten hinweg zeigen, dass ein Therapiebeginn morgens günstiger ist. Oderich sag mal,  eine Applikation morgens günstiger ist als eine Applikation am Nachmittag. Darüber hinaus gibt es sie eben auch noch unpublizierte Daten, die aber demnächst erscheinen werden, die zeigen, dass ein Therapiebeginn im Sommer günstiger ist als im Winter. Nun können wir aber natürlich nicht mit der Therapieeinleitung auf den Sommer warten, sodass das vielleicht interessant ist und auch einem zu denken gibt, warum das denn so sein könnte, aber schlussendlich wieder keine Rolle spielt. Während wir die Therapieeinleitung am Morgen – oder die Applikation am Morgen – natürlich steuern können und erfreulicherweise auch ohne dieses Wissen wir standardmäßig unsere Therapien immer morgens geben und auch weiterhin geben, sodass unsere Patienten jetzt da durch diese Information keinen Nachteil …. oder wir uns keine Vorwürfe machen mussten, dass wir da vielleicht Nachteile generiert haben.

Antje Blum: Ja, dann gehen wir mal weg von den Immun-Checkpoint-Inhibitoren und hin zu den zielgerichteten Therapien. Also 50% – ungefähr – der Patientinnen mit Melanom haben eine Mutation im BRAF-Gen. Inzwischen gibt es in Deutschland drei zugelassene zielgerichtete Therapieoptionen. Das sind alles Kombinationen aus zwei Wirkstoffen. Ist das ein Modell, um Resistenzen gut zu vermeiden? Und wann kommen die zum Einsatz?

Dr. Patrick Schummer: Genau, sie sind…. wie Sie gesagt hatten, drei Kombinationstherapien zugelassen, jeweils kombiniert aus einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor. Die Kombinationen selber reduzieren in gewisser Weise Nebenwirkungen, die durch den alleinigen Einsatz des BRAF-Inhibitors verstärkt wären. Und auch was man in Studien sehen konnte, ist die Anzahl der Resistenzen… oder das Auftreten der Resistenzen in den Kombinationstherapien geringer als in der BRAF-Inhibitor-Monotherapie.

Der Einsatz…, wie auch Prof. Schilling jetzt schon gesagt hatte, ist, dass wir mittlerweile eher den Einsatz ein bisschen zurückstellen, also auch bei BRAF-mutierten Patienten hier primär mit Immun Checkpoint-Blockaden starten. Das ist natürlich auch wieder abhängig vom Patienten selbst oder der Patientin. Das muss man abwägen, also gerade Patienten mit hoch symptomatischen Metastasen und wo rasches Therapie-Ansprechen notwendig ist, oder auch symptomatische zerebrale Metastasen wäre eine Indikation, wo man doch abwägen muss, ob man nicht direkt mit einer zielgerichteten Therapie starten möchte. Aber prinzipiell wird der Einsatz doch etwas zurückgestellt, um hier noch eine gut wirksame und schnell wirksame Therapie in der Hinterhand zu haben, sollten die Immuntherapien nicht mehr die Wirkung bringen, die man sich erhofft.

Die Kombinationstherapie aus Dabrafenib und Trametinib ist auch in der Adjuvans zugelassen, was ja hier auch oft bevorzugt wird, gerade auch aufgrund der Nebenwirkungen, die sich mit dem Absetzen noch rasch wieder aufheben lassen. Das ist bei den Immuntherapien etwas kritischer. Auch da muss man natürlich abwägen,  gerade junge Patienten…. da  besteht natürlich unter den Immuntherapie die Möglichkeit von Nebenwirkungen, die ein Leben lang die Lebensqualität einschränken können, sodass man da bei der BRAF-Mutation doch eher gewillt ist, die zielgerichtet Therapie einzusetzen.

Unterschiede unter diesen drei Kombinationen in der Wirksamkeit sind eher marginal. Die Unterschiede sind dann doch eher im Nebenwirkungsspektrum: Eine Kombination, Vemurafenib + Cobimetinib zeigt dann doch eher eine höhere Lichtsensibilität. Auch hier gerade mit verstärkten Sonnenbränden. Wobei Dabrafenib  + Trametinib eher zu Fieberschüben neigt. Das muss man auch mit dem Patienten absprechen, abwägen, auch was den Alltag angeht, sei es jetzt eine starke sportliche Aktivität. Das muss auch besprochen werden. Weil  es hier häufig auch zu Veränderung der Muskulatur, also ein CK-Anstieg mit Muskelschmerzen kommen kann. Das muss man mit dem Patienten besprechen.

Dr. Astrid Heinl: Es gibt ja jetzt wirklich schon viele wie auch sehr gut wirksame Behandlungsansätze bei malignen Melanom. Ist auch die Prognose demnach insgesamt besser als noch vor wenigen Jahren? So zum Teil wurde das vorhin ja schon so ein bisschen erläutert, im Rahmen der chronischen Erkrankung. Ist die Prognose also besser oder vielleicht sogar signifikant besser als noch vor wenigen Jahren?

Dr. Patrick Schummer: Ja, dem würde ich auf jeden Fall zustimmen. Gerade wenn man jetzt 10 Jahre, 15 Jahre zurückgeht, gerade auch in Zeiten, wo primär Chemotherapien eingesetzt wurden und wir hier Gesamtüberleben dann doch von knapp 10 Monaten hatten, sind wir jetzt ja schon bei 6-6,5 Jahren unter den aktuellen Therapien. Und ich denke, da ist auch für die Zukunft noch mehr rauszuholen. Auch wie gesagt grad auch der frühzeitige Einsatz der Therapien ist sehr erfreulich, auch als Therapeut in den letzten Jahren dabei gewesen zu sein, bei den grandiosen Schüben der neuen Therapien und hier auch Patienten Hoffnung machen zu können. Das war vor vielen Jahren schwierig, da war man mit dem Rücken an die Wand gestellt und heutzutage hat man eher die Schwierigkeit, die passende Therapie auszusuchen aus der Vielfalt der Therapien, sodass man doch dem Großteil der Patienten viel Hoffnung machen kann und auch Patienten mit metastasiertem Melanom über Jahre begleitet. Das ist wie gesagt auch therapeutisch… aus der Sicht des Therapeuten sehr erfreulich und erfüllt einen auch hier in Zusammenarbeit mit dem Patienten. Also wie gesagt, die Prognose ist auf jeden Fall doch deutlich besser.

Weiterhin muss man aber sagen, der limitierende Faktor immer noch sind vor allem zerebrale Metastasen. Da gibt es natürlich mittlerweile auch gute Ansätze, auch die im Immun-Checkpoint-Blockaden, die zielgerichteten Therapien zeigen ihre Wirkung, aber dennoch sind das oft die Metastasen, die das Leben limitieren für unsere Patienten.

Antje Blum: Dann kommen wir einmal zur Krebs-Früherkennung. Wie frühzeitig wird das maligne Melanom heute diagnostiziert? Haben Sie den Eindruck, dass das Hautkrebs-Screening ermöglicht, noch nicht gestreute Melanom-Fälle früh zu erkennen?

Prof. Dr. Bastian Schilling: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Es ist so, dass wir ja in den letzten Jahren, Jahrzehnten global eine kontinuierliche Zunahme der Melanome bei bestimmten Hauttypen – also bei Hauttyp 1 und Hauttyp 2 vor allen Dingen – sehen. Wir sehen auch, dass in Ländern, in denen ein Hautkrebs-Screening eingeführt wurde, die Zahl der Melanom-Fälle nochmal zusätzlich sprunghaft steigt. Das heißt, es werden schon durch Melanom-Früherkennung mehr Melanome diagnostiziert.

Und die Einführung des gesetzlichen Hautkrebs Screenings in Deutschland basiert ja auf der Tatsache, dass man in Schleswig Holstein gesehen hat, dass die Anzahl der Todesfälle, die durch das Melanom verursacht werden, im Zeitrahmen dieses Pilotprojekts gesunken ist. Genau das sieht man – bisher – deutschlandweit nicht. Das heißt, wir diagnostizieren zwar mehr Melanome, wir erkennen mehr Melanome. Es gibt vielleicht auch eine gewisse Überdiagnostik oder eine überhäufige Diagnosestellung Melanom, aber wir sehen nicht weniger Todesfälle.

Es hat Patrick ja gerade schon gesagt, dass die Prognose insgesamt besser geworden ist. Wir können auch vorbeugende Therapien machen und das verkompliziert das Ganze noch zusätzlich. Das bedeutet, selbst wenn wir jetzt sehen, dass wir weniger Metastasen finden in der Nachsorge, bei dünnen Melanomen oder insgesamt bei den Melanomen und wenn wir auch weniger Todesfälle sehen, dann können wir heute nicht mehr unterscheiden, ob das ein Todesfall ist, der verhindert wurde durch Therapie oder durch Früherkennung. Und das Ganze wird dann noch mal weiter erschwert:  selbst dünne Melanome können metastasieren, das heißt wenn wir frühzeitig diese entfernen, können die Patienten trotzdem im weiteren Verlauf der Erkrankung metastasieren. Die Hälfte aller Melanom-Todesfälle wird durch metastasierte Erkrankung verursacht, die von einem sehr dünnen Primärtumor ausgegangen sind. Das heißt, die Frage ist berechtigt und meine persönliche Meinung ist, dass wahrscheinlich das Melanom-Screening die Hautkrebs-Früherkennung nicht dafür… nicht messbar dafür sorgen wird, dass die Sterblichkeitsrate durch die Melanom-Erkrankung signifikant sinkt. Und ich muss leider sagen, ich denke, dass wir das aufgeben sollten.

Dr. Astrid Heinl: Okay, was würden Sie dann empfehlen? Weil, ich habe ja jetzt auch noch eine Frage zur Prävention: Wenn man jetzt von Australien oder Neuseeland ausgeht, war früher die Hautkrebsrate sehr hoch. Aber durch diese Aufklärungskampagnen ist die Inzidenz ja deutlich gesunken. Hierzulande ist das nicht der Fall. Also Bräune ist „in“, Inzidenz steigt. Ich glaube, es erkranken so knapp 25.000 Menschen neu an einem malignen Melanom  hierzulande. Bemerkt man denn einen Umschwung dennoch in Deutschland, also weg vom Solarium, hin zur Sonnencreme? Oder was würden Sie sonst empfehlen als optimale Krebs-Früherkennung?

Prof. Dr. Bastian Schilling: Das ist genau der Punkt, den ich für hoch relevant halte. Das sind Informationskampagnen und wirklich präventive Maßnahmen und der Lichtschutz, das Sonnenschutz Verhalten, das sind eben die Dinge, die wir propagieren müssen, um eben melanozytäre Hauttumoren, aber auch nicht-melanozytäre Hauttumoren und auch vorzeitige Hautalterung, das muss man auch mal sagen, einfach zu verhindern. Und ich glaube, das ist der Weg, den wir gehen müssen. Und das ist auch der Weg, den eben andere Länder gegangen sind, mit vielen Informationsplakaten an den Stränden, zum Beispiel in Australien. Und das, was daneben auch, finde ich, ganz, ganz wesentlich ist, ist, dass wir diese Awareness dazu nutzen, der Bevölkerung auch zu zeigen, wie man auch als Laie auffällige Hautveränderungen identifizieren kann. Denn was wir ganz häufig erleben, ich meine, da komme ich jetzt noch mal auf das Hautkrebs-Screening zurück, wer nimmt denn das wahr? Das nehmen ohnehin die Menschen wahr, die eine gewisse Awareness, also ein gewisses Körper-Gesundheitsbewusstsein haben. Und ich glaube, das müssen wir schärfen, sodass schlussendlich die Menschen selbst so sensibilisiert sind dafür, dass sie dann eben gezielt zur Früherkennung oder eben zur Diagnostik in die Klinik gehen und sich eben dort vorstellen. Denn, was wir auch weiterhin sehen, sind einfach diese indolenten Patientinnen und Patienten, die mit sehr weit fortgeschrittenen Melanomen in die Klinik kommen. Und die erreichen sie eben auch mit Früherkennung nicht, weil die gehen schlussendlich nicht hin. Ich glaube, wir müssen Informationskampagnen im Kindergarten, in der Schule bereits zum UV-Schutz durchführen. Wir müssen dann später dafür sorgen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht in Solarium gehen. Es gibt immer noch welche, auch wenn es wenige sind. Aber ich glaube, das ist der Weg, den wir gehen müssen, dieses Gesundheitsbewusstsein insgesamt zu schaffen. Da sind wir, da sehe ich bereits erste Veränderungen, dass eben solche Dinge gemacht werden, auch natürlich nicht nur in Bezug auf den Hautkrebs, die es früher nicht gab. Und ich glaube, das ist viel, viel wichtiger als ein Programm, was viel Geld kostet und, wie ich das gerade schon gesagt habe, mit großer Wahrscheinlichkeit keinen messbaren positiven Einfluss hat, müssen wir wirklich stark auf Prävention setzen?

Dr. Astrid Heinl: Also ich geh tatsächlich jetzt in einem Monat zum Hautkrebs-Screening. Ich mache das wirklich alle zwei Jahre. Ja, man muss halt die jungen Leute damit bekommen, weil die sind ja die, die braun werden wollen. Was lässt sich zur Nachsorge sagen?

Dr. Patrick Schummer: Hier haben wir doch durch die Leitlinie auch klare Vorgaben, gerade Stadien-gerechte Nachsorge, also je nach Tumorstadium mit unterschiedlicher Intensität, sprich klinische Untersuchungen, aber auch dann bildgebende Verfahren, Ultraschalluntersuchung oder auch Schnitt-Bildgebung. Das ist etwas abhängig vom Tumorstadium selbst. Was wir natürlich nicht wissen, oder was noch etwas problematisch ist, ist gerade durch die neuen Therapien, auch durch die Komplettremissionen oder, wie wir es vorhin auch hatten, das Stadium der chronischen Erkrankung: wie sorgt man da nach, wie lange sorgt man nach? Wie oft sollen Bildgebungen gemacht werden? Das ist natürlich langfristig ja auch eine Frage von möglichen Nebenwirkungen, auch gerade, was eine Strahlenbelastung angeht, gerade hier CT-Untersuchung alle 3 Monate. Das muss man natürlich dann auch irgendwann kritisch abwägen, wie lange man Bildgebung macht, wie intensiv und sich auch die Frage stellen, ob grad so sehr engmaschige Nachsorge Leben rettet.

Das muss individuell abgeklärt werden. Aber für den Großteil kann man sagen, hat man die Leitlinie, an der man sich gut orientieren kann. Gerade diese Sonderfälle, die natürlich jetzt mehr werden, muss man individuell abwägen. Aber ich denke, da wird sich auch in der Zukunft noch einiges ändern, gerade was die langfristige Bildgebung bei ja mittlerweile tumorfreien, ehemals metastasierten Patienten angeht.

Antje Blum: Ja, Sie forschen ja beide. Können Sie noch einen kleinen Ausblick auf die nähere Zukunft geben, was so in der Pipeline ist und demnächst kommen könnte an Wirkmechanismen und Therapien?

Prof. Dr. Bastian Schilling: Ja, gerne. Das ist natürlich das Spannende und ich finde auch eines der Dinge, die man dann an einem Universitätsklinikum sehr schön begleiten kann, selber sich einbringen kann. Und es gibt da in der Tat auch laufende Zulassungsverfahren für den ersten LAG3-Blocker überhaupt. LAG-3 ist auch ein Immun-Checkpoint und hier befindet sich eine Substanz mit dem Namen Relatlimab  im Zulassungsprozess in Kombination mit dem PD-1-Blocker Nivolumab, diese Zulassung sollte kommen.

Dann haben wir auch Zulassungserweiterungen dieses Jahr bereits gehabt, dass wir jetzt auch den PD-1-Inhibitor Pembrolizumab im Stadium II bei bestimmten Patienten anwenden können. Das bedeutet, wir haben da eben auch jetzt quasi neue Substanzen oder neue Patientengruppen, die für diese Therapien infrage kommen.

Und die Resistenzen, darüber haben wir ja schon gesprochen bzw. bei den BRAF-Wildtyp-Patienten sind wir ja mit der Therapie mit den Optionen sehr schnell eben bei Versagen einer Immuntherapie am Ende. Und da laufen viele verschiedene Ansätze. Man muss sagen, es sind in der Vergangenheit leider auch Ansätze bereits gescheitert, wie die IDO-Inhibition oder die Kombination aus einem onkolytischen Virus und einer PD-1-Blockade und auch so Immunstimulanzien, die man in Metastasen einspritzt, das hat leider alles nicht funktioniert, aber die Entwicklung geht weiter.

Und Dinge, die da jetzt zum Beispiel laufen, sind auch Immun-Checkpoint-Blocker, die zum Beispiel das Molekül CTLA-4 wieder als Ziel haben, aber gewisse Modifikationen aufweisen, von denen man sich erhofft, dass die Wirksamkeit stärker ist als bei dem Ipilimumab, oder sogar Patienten davon profitieren können, die vom Ipilimumab nicht profitiert haben.

Dann gibt es auch Ansätze, ich sage mal, Standard-Methoden zu kombinieren mit Immuntherapie, zum Beispiel eine akademisch gesponserte Studie mit dem Namen PROMIT, die wir in Würzburg, Regensburg, Erlangen und München durchführen, gefördert von der Deutschen Krebshilfe, wo das Chemotherapeutikum Dacarbazin nicht als wirksame Substanz eingesetzt wird, sondern um den Tumor zu sensibilisieren für eine Immun-Checkpoint-Blockade.

Es gibt ähnliche Ansätze auch zur Strahlentherapie, dass man versucht, also durch immunmodulatorische Eigenschaften von Standardtherapien eben die Wirksamkeit anderer Therapiemodalitäten zu verstärken.
Was wir dann auch natürlich jetzt evaluieren, sind RNA-basierte Impfstoffe. Da laufen entsprechende Studien. Es gibt auch Studien zu neuen kleinen Molekülen, die also andere Ziele haben als BRAF und MEK, oder auch ganz neue Substanzklassen wie sogenannte PROTACs, die nicht mehr Moleküle hemmen, sondern markieren, sodass sie vom körpereigenen Proteinabbau System abgebaut werden. Oder auch Designer-Moleküle, also Eiweiße, die künstlich design wurden, sogenannte bispezifische Moleküle, die verschiedene Ziel Strukturen miteinander in Kontakt bringen sollen. Das sind die Ansätze, die im Moment evaluiert werden.

Dann eine letzte Modalität, die man noch erwähnen muss:  Die CAR-T-Zell-Therapie spielt in soliden Tumoren und auch im Melanom bisher ja keine Rolle. Aber was es gibt, sind Ansätze mit T-Zellen, die entweder aus den Patienten selbst gewonnen werden, expandiert werden und zurückgegeben werden. Also ein adaptiver T-Zell-Transfer, eine sogenannte TIL-Therapie.  Oder auch Therapien mit transgenen T-Zellen, das heißt, man macht ähnlich wie bei CARs eine Leukapherese. Man gewinnt große Mengen an T-Zellen, und kloniert dann aber keinen CAR, sondern einen echten T-Zell-Rezeptor, der gegen ein Tumorantigen gerichtet ist, da rein, und das sind eben Ansätze, die im Moment noch nicht zugelassen sind. Aber ich glaube, dass auch die T-Zell-Therapien bei Melanom früher oder später eine Rolle spielen werden, auch wenn das wahrscheinlich erst mal keine CAR-T-Zellen sein werden.

Antje Blum: Ja, danke für diese Einblicke in die aktuelle Forschung. Wirklich hochinteressant. Da sind wir sehr gespannt, was da kommt. Dann sind wir schon so…. bei unsere Abschlussfrage.

Dr. Astrid Heinl: Wobei, Antje, bevor du zu deiner Abschlussfrage kommst, hätte ich noch eine kurze Abschlussfrage .

Antje Blum: Gerne.

Dr. Astrid Heinl: Und zwar geht es mir um das Alter der Patient:innen. Es sind ja, wie gerade vorhin schon gesagt, so junge Leute. 18 bis 25, man ist unsterblich, man möchte braune Haut, und es klingt ja sehr abstrakt dann, dass man dann mit 70 Jahren vielleicht erst an Hautkrebs erkrankt. Also wie kann man das vielleicht den jungen Leuten dann näherbringen? Und ja, stimmt es denn, dass schon hauptsächlich ältere Patient:innen betroffen sind, also weniger die unter 40-Jährigen?

Dr. Patrick Schummer: Zumindest aus dem Klinikalltag kann ich das nicht ganz so unterschreiben. Wir haben auch zunehmend in den letzten Jahren immer jüngere Patient:innen gehabt, auch Anfang 20 bereits, auch mit Metastasen, was schwerwiegende Verläufe sind, für das gesamte Umfeld, auch für das Team. Natürlich auch ältere Patientinnen, also es ist ein gemischtes Spektrum, sodass jetzt nicht primär sagen würde, das ist jetzt nur eine Erkrankung, die eher das höhere Alter betrifft oder mittelalt, sondern natürlich auch junge Leute da eine gewisse Awareness brauchen, gerade was Hautkrebs angeht, dementsprechend auch frühzeitig geschult werden, frühzeitig auch darauf achten sollen auf eigene Veränderungen. Also da haben wir schon ein, ja ein breites, breites Spektrum.

Prof. Dr. Bastian Schilling: Ich glaube, so wie Sie das gesagt haben, die das Erreichen der jungen Leute, das ist eine große Herausforderung und das kriegen wir, glaube ich, nur hin, wenn wir das strukturiert in Einrichtungen wie dem Kindergarten, der Schule, der weiterführenden Schule schlussendlich machen. Und dass wir natürlich auch die Eltern sensibilisieren oder vielleicht auch wissen, dass man Sonnenschutz betreiben muss, denn die sind schlussendlich in der Verantwortung, ihre kleineren Kinder oder auch bei den Jugendlichen dafür zu sorgen, dass sie keine unnötige UV-Exposition haben. Und das, was Patrick gerade gesagt hat, dass wir immer wieder junge Patient:innen behandeln müssen, das ist erschreckend und ist sicherlich auch gerade durch eine intensive UV-Exposition – im Urlaub oder künstlich  – im adoleszenten Alter zu erklären.
Und was wir jetzt auch immer häufiger sehen, sind gerade die nicht-melanozytären Hauttumoren, also Basalzellkarzinome vor allen Dingen, bei Patientinnen und Patienten, die noch keine 40 Jahre alt sind. Das ist etwas, das hat man früher nur bei bestimmten Syndromen gesehen. Und heute ist es typischerweise so, dass eine Sonnenstudio-Anamnese in den 90er Jahren frühen 2000 Jahren, als das besonders in waren besonders viele davon vorhanden waren, dahintersteckt und damit assoziiert ist. Und diese Patientinnen sind dann schon sehr erschrocken, dass sie im jungen Alter dann doch daran leiden und was die…, ja was das Wachrütteln angeht, muss man sagen, diese abstrakte Vorstellung, irgendwann mal Hautkrebs zu kriegen, die hilft nicht. Da gibt es ein paar Untersuchungen, das dass das einzige, was einen dazu bringt, Sonnenschutz zu betreiben, sind Schmerzen durch einen Sonnenbrand.

Dr. Astrid Heinl: Das ist wohl wahr. Also ich bin ja leider auch so ein bisschen aufgewachsen, wo es hieß, „du musst erst rot werden, dann bist du braun“. Also ich hatte leider einige Sonnenbrände, meine Kinder Gott sei Dank so gut wie gar keine. Und deswegen gehe ich jetzt eben doch relativ häufig auch zum Hautarzt und gönne mir nur ab und zu ein futuristisches Selbstbräuner-Spray.

Prof. Dr. Bastian Schilling: Das ist aber völlig in Ordnung. Wissen Sie, bei mir ist das ganz genauso. Ja, wir schauen bei unseren Kindern wirklich peinlich darauf und ich selber kann mich noch daran erinnern, wie ich in jüngeren Alter nachts nicht schlafen konnte in Spanien, weil mein ganzer Rücken so wehgetan hat, weil meine Eltern da null Komma gar nicht.. oder kurz eingecremt mit Lichtschutzfaktor 10 und dann rein ins Wasser.
Also diese Wahrnehmung, das ändert sich schon, aber es ist wirklich ein sehr schwieriger Prozess, wo wir auch wenig strukturierte Angebote gerade für diese, ich nenne es mal Ausbildungs- und Erziehungseinrichtungen haben. Und wenn der Sonnenbrand dann erst mal da ist, dann ist es eigentlich zu spät. Aber zumindest ist das dann das Warnsignal, vielleicht beim nächsten Mal etwas besser oder frühzeitig sich einzucremen oder sich nicht in der Sonne aufzuhalten.

Antje Blum: Ja, vielen Dank. Dann darf ich jetzt meine Abschlussfrage stellen. – Astrid, darf ich?

Dr. Astrid Heinl: Ja, du darfst.

Antje Blum: Und zwar möchte ich natürlich – wir sind in einem Podcast  – und deswegen möchte ich gerne wissen, ob Sie denn selber Podcasts hören und wenn ja, welche.

Dr. Patrick Schummer: Also ich muss gestehen, ich bin noch nicht der größte Podcast-Kenner und -Freund gewesen. Vielleicht ändert sich das noch. Es waren mal Versuche mit der Aufarbeitung von Kriminalfällen, dass man da so ein bisschen gelauscht hat. Das war dann ganz interessant, da auch mal ein bisschen nebenbei bei Hausarbeit da zuzuhören. Ich denke, vielleicht ändert sich das in der Zukunft, weil es ja grad auch so ein bisschen zum Berieseln ganz, ganz angenehm ist und auch noch paar Infos zu bekommen, Input. Vielleicht ist das jetzt auch heute die Teilnahme auch ein Anreiz, mal in den Podcast nochmal hineinzuschnuppern.

Antje Blum: Sehr gut.

Prof. Dr. Bastian Schilling: Also bei mir ist es ähnlich. Ich habe tatsächlich… der erste Podcast, den ich je gehört habe, war jetzt „O-Ton Onkologie“ und zwar, weil Sie die Juliane Walz zu Gast hatten. Und Juliane war jetzt vor ein paar Wochen hier in Würzburg auf einem Symposium, das ich organisiert habe oder das wir hier organisiert haben, Patrick war da auch beteiligt, und ich hatte dann dadurch die Gelegenheit, mich auf ihren Besuch quasi vorzubereiten, um mal da zu hören, was sie da so berichtet hat. Und da habe ich dann reingehört. Aber insgesamt muss ich sagen, mein Sohn hört, glaube ich, extrem viele Podcasts, und ich selber habe den einen zur Peptid-Vakzinierung von Juliane Walz bisher in meinem Leben gehört, aber vielleicht ändert sich das ja jetzt.

Antje Blum: Es ist toll, dann grüßen wir die Kolleg:innen aus Wiesbaden, weil die haben ja dieses Gespräch geführt. Das ist schon, finde ich, …ist schon auch ein kleiner Meilenstein.

Dr. Astrid Heinl: Ja, das hören wir gerne, schon sehr gerne. Vielen Dank. Es war ein total nettes, interessantes Gespräch zu einem sehr wichtigen Thema. Vielen Dank. Bis zum nächsten Mal.

Alle: Bis zum nächsten Mal!

Quelle: JOURNAL ONKOLOGIE


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