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JOURNAL ONKOLOGIE 10/2021
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Diagnostik und Therapie des Glioblastoms: Molekulare Diagnosekriterien, Therapiekonzepte und innovative Behandlungsansätze

PD Dr. med. Louisa von Baumgarten, Dr. med. Philipp Karschnia, Dr. med. Stefanie Quach, Dr. med. Nico Teske, Prof. Dr. med. Niklas Thon und Prof. Dr. med. Jörg Christian Tonn

Diagnostik und Therapie des Glioblastoms: Molekulare Diagnosekriterien, Therapiekonzepte und innovative Behandlungsansätze
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Glioblastome (GBM) repräsentieren häufige und aggressive hirneigene Tumoren des Erwachsenen. Die kranielle Kernspintomographie mit/ohne Kontrastmittel ist die diagnostische Methode der ersten Wahl bei Verdacht auf ein GBM. Für spezielle Fragestellungen, auch bei Aspekten der Therapieplanung, kann ergänzend eine Positronenemissionstomographie (PET) mit einem Aminosäure-Tracer hilfreich sein. Eine neuropathologische Sicherung der Diagnose ist obligat, bevorzugt im Rahmen einer operativen Resektion oder alternativ anhand einer minimal-invasiven Proben­entnahme. Die moderne Gewebediagnose basiert auf der Histopathologie und ergänzenden molekularen Markern („integrierte Diagnose“). Letztere besitzen Relevanz für eine objektive Einteilung der hirneigenen Tumoren und liefern wertvolle Hinweise in Bezug auf die Tumorentstehung, Prognoseabschätzung und Therapieplanung. Die Standardtherapie besteht aus der Tumorresektion, wenn sinnvoll möglich, und anschließender konkomitanter Radio-/Chemotherapie mit darauffolgender adjuvanter Chemotherapie. Eine Behandlung mit alternierenden niederenergetischen elektrischen Wechselfeldern (Tumor Treating Fields, TTFields) kann ergänzend erwogen werden. Für das Rezidiv exis­tiert keine etablierte Standardtherapie; unter Berücksichtigung des klinischen Zustandes der Patient:innen wird eine erneute Resektion, eine Re-Bestrahlung oder eine Chemotherapie individuell und ggf. kombiniert eingesetzt. Die mittlere Überlebenszeit (über alle Risikokategorien hinweg) beträgt gemäß Registerdaten statistisch weniger als 2 Jahre, wobei insbesondere Patient:innen mit einem günstigen molekularen Tumorprofil eine deutlich bessere Prognose haben. Neue Behandlungsansätze wie zielgerichtete Therapien und Immuntherapien haben bislang keine nachhaltigen Behandlungserfolge erzielt, neue (Kombinations-)Strategien befinden sich jedoch in klinischer Erprobung.

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Epidemiologie und Prognose

Diffuse Gliome sind die häufigsten primären Hirntumoren im Erwachsenen­alter und etwa jedes zweite Gliom wird als GBM WHO Grad 4 eingestuft. Die Daten prospektiver Tumorregister zeigen eine relative Inzidenz von 0,6-3,7 Fällen pro 100.000 Personen (1). Die Häufigkeit des GBM nimmt im Alter zu, die meisten Diagnosen werden in der 7.-8. Lebensdekade gestellt und Männer erkranken häufiger als Frauen. Obwohl in vielen Fällen eine multimodale Therapie gewählt wird (s. Abschnitt „Therapie in der Primär- bzw. Rezidivsituation“), beträgt die mittlere Überlebenszeit über alle Risikokategorien hinweg nur etwa 15-18 Monate nach initialer Diagnosestellung (1). Für die Prognoseeinschätzung ist neben dem klinischen Zustand der Patient:innen das Vorliegen unterschiedlicher molekularer Marker im Tumorgewebe (s. Abschnitt „Histopathogenese und Klassifikation“) entscheidend, und Patient:innen mit günstigem molekularen Tumorprofil weisen ein besseres Therapieansprechen (ORR) und Gesamtüberleben (OS) auf.

Etwa 5% aller Gliome treten mit einer familiären Häufung auf (2). Neben genetischen Syndromen, die zur Prädisposition von Gliomen im Allgemeinen führen (Tuberöse Sklerose, Neurofibromatose Typ 1/2) kommt es im Rahmen des Lynch-Syndroms, das auf einer kons­titutionellen DNA Mismatch-Repair-Defizienz beruht, sowie im Rahmen des Li-Fraumeni-Syndroms bei Vorliegen einer p53-Keimbahnmutation, zum Auftreten von GBM. Es gibt nur wenig validierte Faktoren, die mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung eines GBM ver­gesellschaftet sind. Ionisierende Strahlung ist der stärkste Risikofaktor, weitere Umweltfaktoren, insbesondere nicht-ionisierende (Handy-) Strahlen wurden mit dem Auftreten von GBM in Verbindung gebracht, die Datenlage hierzu ist jedoch inkonklusiv und widersprüchlich (3). Zusammengefasst sind die meisten GBM bei unauffälliger Familien- und Expositionsanamnese auch ohne erweiterte (genetische) Abklärung als sporadisch zu werten. Entsprechend haben Screening-Untersuchungen und Prävention keine relevante Rolle beim GBM (4).

Fazit

• Gliome sind die häufigsten primären Hirntumoren, etwa jedes zweite Gliom wird als GBM eingestuft.
• Die mittlere Überlebenszeit beträgt 15-18 Monate.
• Der klinische Zustand der Pa­tient:innen und das molekulare Tumorprofil sind entscheidend für die Prognose.

Klinik

Symptome und klinische Präsentation von GBM sind sehr variabel und in erster Linie von der Lokalisation der Tumoren und der Funktion der betroffenen Hirnareale abhängig. Die Zeit vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnosestellung ist in der Regel kurz. Epileptische Anfälle treten im Rahmen der GBM häufig früh im Erkrankungsverlauf auf (5). Entsprechend sollte bei jedem Erwachsenen mit neu aufgetretenen epileptischen Anfällen eine zerebrale Bildgebung durchgeführt werden. In Abhängigkeit der Tumorlokalisation kann es durch den Masseneffekt des Tumors bzw. des perifokalen Ödems zu fokalneurologischen Defiziten kommen. Zudem sind nicht selten eine Wesensveränderung, kognitive Einbußen und eine allgemeine Leis­tungsminderung zu beobachten. Bei ausgedehnten Tumoren oder einem tumorbedingten Hydrozephalus kann es zu Hirndruckzeichen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Nüchternerbrechen, Visusminderung bis hin zu einer Vigilanzminderung und Pupillenstörung kommen.
 
 

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Bildgebende Diagnostik und Gewebegewinnung

Die Computertomographie (CT) ist häufig die erste verfügbare Bildgebung bei akuter klinischer Symptomatik. Im Rahmen der weiterführenden Dia­gnostik und Therapieplanung ist die kranielle Magnetresonanztomographie (MRT)-Untersuchung die Methode der Wahl. Hierbei sollten native T1, T2 sowie fluid-attenuated inversion recovery (FLAIR)-Sequenzen und Gadolinium-kontrastverstärkte T1-Sequenzen angefertigt werden (6). GBM kommen typischerweise als ausgedehnte, ring- oder girlandenförmig kontrastmittelaufnehmende Raumforderungen mit zentraler Nekrosezone zur Darstellung (Abb. 1A). In MRT-Perfusionsuntersuchungen kann im Bereich des soliden Tumors ein erhöhter Blutfluss (rCBV) beobachtet werden (7). Angrenzend zum kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteil findet sich meist eine T2-hyperintense vasogene Ödemzone. Die Abgrenzung zwischen perifokalem Ödem und nicht-kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteilen ist oft schwierig. Weitere MRT-Sequenzen wie die MR-Spektroskopie ermöglichen die genauere diagnostische Einordnung des Bildbefundes im Falle von diagnostischen Unsicherheiten. Andere spezielle MRT-Verfahrung dienen der Darstellung funktionell relevanter Faserbahnen (Diffusions-Tensor-Bildgebung, DTI) und können im Rahmen der Operationsplanung zum Auffinden der funktionellen Resektionsgrenzen herangezogen werden.

Zur Darstellung der biologischen Tumorgrenzen hat sich das Aminosäure-PET, insbesondere das O-(2-[18]F)-fluoroethyl)-L-tyrosin (18F-FET)-PET als hilfreich erwiesen. Die Kombination aus statischer und kinetischer Analyse der Traceraufnahme ermöglicht eine Beurteilung in Bezug auf die Tumorausdehnung, eine mögliche intratumorale Heterogenität und die Aggressivität des Tumors und kann als Zielstruktur zur Bio­psieplanung sowie zur Definition des geplanten Resektionsvolumens herangezogen werden (8, 9).
 
Abb. 1: Bildmorphologische Darstellung eines Glioblastoms und möglicher Differentialdiagnosen. A: Erstdiagnose eines neuropathologisch-bestätigten Glioblastoms. In der kontrastmittelverstärkten T1-Sequenz (T1+; links) zeigt sich eine girlandenförmig kontrastmittelaufnehmende Läsion rechts parietal. Über die Kontrastmittelaufnahme hinausgehende Darstellung von Tumoranteilen sowie Perifokalödem in der T2-Sequenz (T2; mittig). In der FET-PET-Untersuchung stellt sich das Tumorgewebe stoffwechselaktiv farbig markiert dar (FET; rechts). In der neuropathologischen Untersuchung bestätigt sich der Verdacht auf ein IDH-Wildtyp-Glioblastom. B: Links: Neuropathologisch-bestätigtes Rezidiv des Tumors aus (A) mit neuen lokalen und distanten (Pfeilspitze) kontrastmittelaufnehmende Läsionen 10 Monate nach multimodaler Therapie. Mitte: Neu aufgetretene Kontastmittelaufnahme links temporo-mesial bei bekanntem Glioblastom nach Status epilepticus. Im weiteren Verlauf zeigte sich die Kontrastmittelaufnahme spontan regredient, sodass von einer anfallsbedingten Kontrastmittelaufnahme ohne Tumorrezidiv auszugehen ist. Rechts: Neuropathologisch-bestätigte Radionekrose nach zweimaliger Bestrahlung eines Rezidivs, wobei bildmorphologisch nicht zwischen Tumorrezidiv und reaktiv verändertem Gewebe zu unterscheiden ist.
Bildmorphologische Darstellung eines Glioblastoms und möglicher Differentialdiagnosen

Insbesondere in der Verlaufsbeurteilung nach bzw. unter Therapie lässt die MRT-Bildgebung häufig keine sichere Unterscheidung zwischen erneutem Tumorwachstum und therapieassoziierten Veränderungen wie beispielsweise einer Radionekrose zu (Abb. 1B) (10). Hier bietet in unklaren Fällen eine dynamische FET-PET-Untersuchung die Möglichkeit, mit hoher Sensitivität und Spezifität aktives Tumorgewebe von nicht-malignen Veränderungen zu differenzieren (11).

Letztlich basiert die Diagnose sowohl zum Zeitpunkt der Erstdiagnose als auch in der Rezidivsituation (als Basis für invasive Therapieentscheidung) auf der histopathologischen und molekulargenetischen Untersuchung von repräsentativen Gewebeproben. Dabei können Gewebeproben im Rahmen einer risikoadaptierten maximalen Tumorresektion gewonnen werden.Ist eine offene Tumorresektion nicht sicher durchführbar, z.B. bei hoch eloquent gelegenen Tumoren oder ausgeprägter Komorbidität, kann eine Gewebeprobe auch durch minimal-invasive Verfahren, bevorzugt in Form der stereotaktischen Serienbiopsie gewonnen werden (Abb. 2).
 
Abb. 2: Operative Eingriffe – Planung einer stereotaktischen Trajektorie und chirurgische Tumorresektion. A: Planung einer gezielten Probenentnahme anhand eines FET-PETs und eines MRTs bei unklarer, tief gelegener Raumforderung. Diese Trajektorie wird anschließend mittels eines dreidimensionalen Zielbügels eingestellt und die Biopsiesonde entlang dieser Einstellung vorgeschoben. B-D: Offene Resektion eines Glioblastom-Rezidivs links temporal. Dabei dient die intraoperative Neuronavigation (B) zur Orientierung anhand des präoperativ angefertigten FET-PET und MRT (rotes Kreuz: aktuelle Position während der Resektion). Als weiteres Hilfsmittel kann die Fluoreszenz-Markierung von Tumorzellen mittels präoperativ verabreichter 5-Aminolävulinsäure eingesetzt werden. Hierfür wird das intraoperative Mikroskop von Weißlicht (C) auf Blaulicht (D) umgestellt, unter welchem verbliebenes Tumorgewebe rötlich leuchtet (Kreis).
Operative Eingriffe – Planung einer stereotaktischen Trajektorie und chirurgische Tumorresektion

Fazit

• Die MRT ist die Bildgebung der Wahl.
• Das Aminsäure-PET kann die diagnostische Einordnung, prognostische Einschätzung und Therapieplanung unterstützen.
• Die histologische Sicherung ist obligat zur finalen Diagnosestellung.
 
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