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Mit freundlicher Unterstützung der AOP Orphan Pharmaceuticals Germany GmbH

Anamnese

Eine 44-jährige Patientin stellte sich in unserer onkologischen Ambulanz zur weiteren Diagnostik bei bekannter unklarer Pfortaderthrombose vor. Anamnestisch berichtete die Patientin über eine ausgeprägte Pfortaderthrombose sowie eine Splenomegalie. Diese sei erstmalig im Oktober 2019 auffälig geworden. Seitdem besteht eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon. Die Einstellung diesbezüglich sei schwierig gewesen. In einem MRT im Mai 2020 zeigte sich eine parzielle Rekanalisation. Initiale laborchemische Werte in unserer Ambulanz: Hämoglobin: 17,5 g/dlHämatokrit: 53%Sonographisch wurde eine Milzgröße von ca. 195/60 mm festgestellt.Es besteht eine familiäre Thromboseneigung mit Auftreten von Thrombosen bei der Schwester, der Nichte sowie der Großmutter mütterlicherseits. Bei der Schwester ist auch eine Faktor-V-Mutation bekannt.Es besteht ein Nikotinabusus von 5-7 Zigaretten/Tag.Welche Verdachtsdiagnose erscheint Ihnen am wahrscheinlichsten? Stimmen Sie auf der nächsten Seite ab!

TED-Frage 1

Weitere Diagnostik

Gastroskopie sowie eine Koloskopie und eine gynäkologische Vorstellung waren unauffällig. In der hier durchgeführten Gerinnungsanalytik ließen sich Lupus-Antikoagulantien (LA) nachweisen. Da die LA-Aktivität oftmals nur vorübergehend auftritt, ist eine Kontrolle nach 6-12 Wochen sinvoll. Patient:innen mit dauerhaft nachweisbarer LA-Aktivität weisen ein erhöhtes Thromboserisiko auf. Bei der Beurteilung der LA ist zu bedenken, dass unter Therapie mit Antikoagulanzien eine falsch-positive LA-Aktivität bestimmt werden kann.Die Anwendung welcher diagnostischen Methode ist Ihrer Meinung nach am wenigsten gerechtfertigt? Stimmen Sie auf der nächsten Seite ab!

TED-Frage 2

Molekulare Diagnostik

Aufgrund der Anamnese erfolgte die Durchführung einer Mutationsanalyse zum Ausschluss/Nachweis einer myeloproliferativen Neoplasie (MPN). Eine molekuargenetische Paneldiagnostik ergab eine typische Veränderung für eine myeloproliferative Erkrankung mit dem Nachweis einer JAK2-V617F-Mutation. Die Mutationsrate lag bei 26%. Es konnte keine Mutation der Gene für Calreticulin (CALR) und für den Thrombopoietin-Rezeptor (MPL) sowie für JAK2 Exon 12 nachgewiesen werden. Ebenso gab es keinen Nachweis eines BCR-ABL1-Fusionstranskripts.Eine JAK2-Mutation ist nicht spezifisch für die Polycythaemia Vera (PV). Sie wird auch bei ca. 50% der Patient:innen mit Essentieller Thrombozythämie (ET) oder primärer Myelofibrose (PMF), sowie bei einzelnen anderen Entitäten myeloischer Neoplasien gefunden. Bei etwa 2% der Patient:innen mit dem klinischen Bild einer PV lässt sich mit den Standardmethoden keine der herkömmlichen Mutationen im JAK2-Gen nachweisen. In manchen Fällen können unter Einsatz modernerer Sequenzierungs-Technologien wie Next Generation Sequencing (NGS), Whole Genome Sequencing (WGS) u.a. atypische („noncanonical“) JAK2-Mutationen nachgewiesen werden. Im Gegensatz zur ET und PMF finden sich bei der PV keine Mutationen im CALR- oder MPL-Gen.

Abb. 1: Knochenmarkhistologie

Diagnose Polycythaemia Vera

Um eine PV eindeutig zu diagnostizieren, war neben der Klinik ergänzend eine Knochenmarkhistologie notwendig (Abb. 1). Hier zeigte sich ein hyperplastisches Knochenmark mit Proliferation aller 3 Zellreihen, betonter Erythropoese sowie eine deutlich polymorphe Megakaryopoese, gut passend zu einer myeloproliferativen Erkrankung, am ehesten einer PV.

Polycythaemia Vera – eine chronische Erkrankung

Die Polycythaemia Vera ist eine chronische MPN. Das Hauptmerkmal der Erkrankung ist die pathologisch gesteigerte Produktion roter Blutzellen, welche den normalen Regulationsmechanismen der Erythropoese nicht unterliegt. In fast allen Fällen (etwa 98%) ist eine Mutation im JAK2-Tyrosinkinase-Gen nachweisbar, die eine Proliferationssteigerung der roten Reihe und häufig auch der Granulopoese und Megakaryopoese verursacht. Der natürliche Krankheitsverlauf ist durch unterschiedliche Stadien gekennzeichnet. Charakteristisch ist eine anfängliche länger andauernde polyzythämische Phase mit zunehmender Splenomegalie. Der natürliche Verlauf der Erkrankung schließt auch eine mögliche Transformation in eine Myelofibrose (MF) oder eine akute myeloische Leukämie (AML) ein.

Welches Haupttherapieziel ist Ihnen bei Patient:innen mit PV am wichtigsten? Stimmen Sie auf der nächsten Seite ab!

TED-Frage 3

Treibermutationen

Aufgrund experimenteller Daten wird davon ausgegangen, dass JAK2- und andere Treibermutationen bereits in der Kindheit (ggf. sogar in utero) auftreten können und dass die Latenz bis zur klinischen Manifestation der MPN bis zu einige Dekaden betragen kann. Die Menge an mutierten Allelen hat Einfluss auf Symptome, Verlauf und Prognose.Welche Therapieoption gibt es nicht in der ersten Linie bei der PV? Stimmen Sie auf der nächsten Seite ab!

TED-Frage 4

Therapie der PV

Abb. 2: Algorithmus zum therapeutischen Vorgehen bei Polycythaemia Vera (mod. nach Onkopedia-Leitlinie Polycytheamia Vera, Stand September 2023). ¹Aderlass zur Hämatokrit-Einstellung unter 45%, ²IFN alpha (zugelassen bei PV ohne symptomatische Splenomegalie: Ropeginterferon alfa-2b), ³Zulassung von Ruxolitinib bei Intoleranz oder Resistenz gegenüber Hydroxyurea, ⁴Detaillierte Empfehlungen zur Einleitung einer zytoreduktiven Therapie in Kapitel 6.1.1.1., ASS=Acetylsalizylsäure, IFN=Interferon

Therapie der PV

Die Initialtherapie für alle Risikogruppen besteht in der zügigen Absenkung des Hämatokrits auf einen Wert unter 45% durch Aderlässe und in der Einleitung einer Therapie mit niedrig dosierter Acetylsalizylsäure (ASS). Die übliche Dosis beträgt 100 mg/Tag.Für die zytoreduktive Primärtherapie stehen Hydroxyurea (Hydroxycarbamid, HU) oder pegyliertes Interferon α (Peg-IFN α/RopegIFN α) zur Verfügung. Ein gesicherter Vorteil hinsichtlich Senkung thromboembolischer Komplikationen durch zytoreduktive Therapie liegt bisher nur für die Hochrisikogruppe vor.Für die Zweit- oder Mehrlinientherapie ist der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Ruxolitinib nach Intoleranz oder Resistenz gegen HU zugelassen. Alternativen in Anhängigkeit der primären zytoreduktiven Therapie sind HU oder Peg-IFN α/RopegIFN α (Abb. 2).

Weiteres Vorgehen

In unserem Fall haben wir eine Therapie mit Ropeginterferon alfa-2b in einschleichender Dosierung beginnend mit 50 µg alle 2 Wochen begonnen (Abb. 3: Pfeil, Ende 2021). Diese konnte langsam auf eine Dosis von 150 µg alle 2 Wochen nach Verträglichkeit gesteigert werden. Überbrückend wurde initial parallel eine Therapie mit HU (500 mg 1x tägl.) zur weiteren Zytoreduktion gegeben. Hierunter stellte sich rasch eine Panzytopenie ein, sodass die Therapie mit HU nach etwa 8 Wochen beendet wurde (Abb 3: Pfeil, Anfang 2022).Im Juni 2023 wurde im Rahmen von bekannten Fibromen eine Hysterektomie durchgeführt, bei der es zu Komplikationen mit starken vaginalen Blutungen kam. Dies spiegelte sich im Abfall des Hb und des Hkt wieder, die sich im Laufe der Zeit wieder auf den Sollwert steigerten (Abb 3: Juni 2023).Aufgrund zunehmender Fatigue erfolgte im Verlauf nach etwa 2 Jahren eine Reduktion von Ropeginterferon alfa-2b auf 125 µg alle 4 Wochen (Abb. 3: Pfeil, Ende 2023). Unter der o.g. Dosis von Ropeginterferon alfa-2b sahen wir eine rückläufige Tendenz der Splenomegalie zuletzt bei 145/54 mm und eine Hämoglobin-Reduktion auf 13,1 g/dl (Abb. 3) sowie eine Reduktion der JAK2-V617F-Mutationsrate auf 10% und schließlich auf 4%.

Abb. 3: Hämoglobin und Hämatokrit im Verlauf

Welche Untersuchung ist nicht nötig als Verlaufskontrolle bei MPN? Stimmen Sie auf der nächsten Seite ab!

TED-Frage 5

Zusammenfassung

Abdominelle Thrombosen (Pfortader, Milzvene, Lebervenen (Budd-Chiari Syndrom), Mesenterial- und Nierenvenen) können auch bei normalen Blutwerten Erstmanifestation einer MPN sein. Insbesondere bei Lebervenen- oder Pfortaderthrombose sind die Laborbefunde oft nicht wegweisend, da das klinische Bild der MPN und die Laborparameter (Blutbild) sekundär durch die Folgen der vaskulären Erkrankung (portale Hypertension mit Ascites, Leberzirrhose, Blutungen, Splenomegalie) überlagert werden können. Die zu Grunde liegende MPN wird deshalb häufig nicht primär erkannt.IFN α wird das Potenzial zugesprochen, den natürlichen Krankheitsverlauf der PV nachhaltig und positiv zu beeinflussen und den Progress sowie Spätfolgen der PV aufzuhalten oder gänzlich zu verhindern. Für jüngere Patient:innen, aber auch im höheren Alter (falls geeignet), wird die Substanz als die zu bevorzugende Therapieoption angesehen. Es ist jedoch hervorzuheben, dass es sich um eine Therapie mit zum Teil nicht unerheblichen Nebenwirkungen handelt. Wünschenswert wären Parameter, welche es frühzeitig erlauben, den Einfluss der IFN-Therapie auf den individuellen Langzeitverlauf einzuschätzen.Fachinformation Besremi®

Schluss

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