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Medizin

GI-Tumoren: DGVS fordert verstärkte Prävention und personalisierte Medizin

Dr. rer. nat. Marion Adam

GI-Tumoren: DGVS fordert verstärkte Prävention und personalisierte Medizin
© mi_viri - stock.adobe.com
Auf der Jahrespressekonferenz der Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e. V. (DGVS) wurde betont, dass eine gezielte Prävention und individuelle Risikoprofile notwendig sind, um die hohe Zahl der Todesfälle durch gastrointestinale Tumoren (GI-Tumoren) zu senken. Trotz medizinischer Fortschritte mangelt es an politischer Unterstützung und finanziellen Mitteln für eine effektive Umsetzung. Eine personalisierte Präventionsstrategie, die genetische Risikofaktoren, Lebensstil und Umwelt berücksichtigt, könnte die Effizienz steigern und unnötige Untersuchungen vermeiden.
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GI-Tumoren: 300.000 Diagnosen jährlich und hohe Sterberate

Im Jahr 2021 erhielten rund 300.000 Menschen die Diagnose eines GI-Tumors, was diese zu den häufigsten Krebserkrankungen macht. Etwa 20% aller Krebserkrankungen betreffen den Verdauungstrakt und stellen damit die größte organbezogene Gruppe dar, erklärte Privatdozentin Dr. Terjung. Trotz Fortschritten sterben jährlich etwa 100.000 Menschen an diesen Tumoren, wobei Darmkrebs mit etwa 50% der Fälle am häufigsten ist. Umweltfaktoren und Lebensstil spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung.
Patient:innen zeigen zunächst oft unspezifische Symptome wie anhaltende Darmbeschwerden, Blut im Stuhl, Gewichtsverlust, Gelbsucht und Schwellungen. Hausärzte überweisen bei solchen Alarmsymptomen an Gastroenterologen. Die Vielseitigkeit und Komplexität der Gastroenterologie erfordern schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Diagnosen.

Steigende Zahl an GI-Tumoren bei Jüngeren: Spätdiagnosen und aggressive Verläufe

GI-Tumoren sind häufig und die Zahl der Erkrankungen steigt. Professor Dr. med. Matthias Ebert aus Mannheim berichtete von einem Rückgang bei Darmkrebs auf etwa 55.000 bis 60.000 Neuerkrankungen jährlich und weniger Magenkrebs durch sinkende Helicobacter-Infektionen. Allerdings steigen die Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Besonders besorgniserregend sei der Anstieg von GI-Tumoren bei Personen unter 50 Jahren, bekannt als "Early-onset cancer", erklärte Ebert. Rund 10% der Darmkrebsfälle betreffen diese Altersgruppe, mit Tumoren, die oft fortgeschritten auf der linken Darmseite auftreten. Risikofaktoren sind Übergewicht, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Rauchen und Alkohol. Auch Antibiotika, die das Mikrobiom beeinflussen, spielen eine Rolle, ebenso wie Stoffwechselveränderungen und genetische sowie epigenetische Faktoren. Auch Magenkrebs ohne Helicobacter-Infektion und Pankreaskarzinome nehmen bei jüngeren Patient:innen zu.
Mehrere Faktoren führen dazu, dass Darm- und Magenkrebs bei jüngeren Patient:innen oft erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden. Aktuelle Vorsorgemaßnahmen beginnen meist erst ab dem 50. Lebensjahr. Zudem sind die Symptome bei jungen Patient:innen oft unspezifisch, was die Diagnostik verzögert. Hinweise deuten darauf hin, dass Tumoren bei jüngeren Patient:innen aggressiver sein können.
Die onkologische Versorgung jüngerer Patient:innen unterscheidet sich kaum von der älterer Patient:innen und umfasst multimodale Therapien wie Operation, Chemotherapie, Immuntherapie und Bestrahlung. Langfristige Folgen wie Funktionsverluste und Nebenwirkungen beeinträchtigen ihre Lebensqualität, Familienplanung und finanzielle Situation. Hier besteht Verbesserungsbedarf in der Versorgung, erklärte Ebert.
 
 
 

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Endoskopische Therapien: Chancen, Einschränkungen und die Zukunft mit KI

Die Endoskopie ist entscheidend in der Diagnose und Therapie früher Tumoren in Speiseröhre, Magen und Dickdarm. Sie ermöglicht die Entfernung oberflächlicher Tumoren und verbessert so die Lebensqualität durch organerhaltende Eingriffe. Präzise Beurteilungen mit hochauflösenden Endoskopen und KI-Unterstützung sind entscheidend, erläutert Professor Dr. med. Ulrike Denzer, Gießen.
Endoskopische Resektionen können größere, risikoreichere Operationen vermeiden, müssen aber vollständig und fachgerecht sein. Bei hohem Risiko bleibt die chirurgische Resektion eine Option. Diese Eingriffe sollten von erfahrenen Endoskopikern in zertifizierten Zentren durchgeführt werden, erklärte Denzer.

Präzisionsmedizin in der Gastroenterologie: Zukunft der individualisierten Medikamententherapie

Die Präzisionsmedizin ermöglicht eine maßgeschneiderte Behandlung von Patient:innen, indem sie die genetische Beschaffenheit eines Tumors analysiert und darauf basierend spezifische Therapien entwickelt, erläuterte Professor Dr. med. Nisar P. Malek, Tübingen. Diese zielgerichteten Therapien sind oft effektiver und schonender als klassische Chemotherapien, die sich gegen grundlegende Mechanismen der Zellteilung richten.
Die technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte, insbesondere in der Genomsequenzierung und der funktionellen Bildgebung, haben diesen Ansatz revolutioniert und ermöglichen eine detaillierte Analyse der genetischen Struktur von Tumoren und eröffnen neue Möglichkeiten für zielgerichtete Behandlungen.
Molekulare Tumorboards, bestehend aus interdisziplinären Teams, bieten personalisierte Therapieempfehlungen basierend auf genetischen Daten. Auch entzündliche Erkrankungen wie Colitis profitieren von diesen Ansätzen. Deutschland fördert diese Entwicklungen mit einem Modellversuch ab Juli 2024.

Off-Label-Einsatz in Deutschland: Lebensrettende Therapien und Datengewinnung

In Deutschland ermöglicht der Off-Label-Einsatz von Medikamenten die Behandlung potenziell tödlicher Erkrankungen mit nicht zugelassenen Therapien, die dennoch wirksam sein könnten. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Systematische Datenerfassung dieser Behandlungen ist entscheidend, um Erkenntnisse zu gewinnen und die Notwendigkeit größerer Studien zu bewerten. Dies fördert die wissensgenerierende Versorgung, besonders in der vielseitigen Gastroenterologie.

Prävention und Früherkennung bei Verdauungskrebs: Große Potenziale, aber noch ungenutzte Chancen

In Deutschland sterben jährlich bis zu 100.000 Menschen an Tumoren des Verdauungstrakts, was durch effektive Prävention vermeidbar wäre, betonte Professor Dr. med. Heiner Wedemeyer, Hannover. Die Gastroenterologie zeigt, dass Prävention wirkt: Seit der Einführung der Vorsorgekoloskopie 2002 sind die Darmkrebstodesfälle gesunken. Erfolgreiche Hepatitis-B-Behandlungen reduzieren zudem den Bedarf an Lebertransplantationen, so Wedemeyer weiter.
Trotz medizinischer Möglichkeiten fehlen politische Rahmenbedingungen und finanzielle Mittel zur Umsetzung. Eine personalisierte Präventionsmedizin, die genetische Risikoprofile, Lebensstil und Umwelteinflüsse berücksichtigt, könnte die Effizienz erhöhen und unnötige Untersuchungen vermeiden. Früheres und gezielteres Screening, etwa durch Anpassung des Koloskopiealters auf 45 Jahre oder jünger bei familiärer Belastung, wird diskutiert.
Ein gesunder Lebensstil und die Nutzung bestehender Vorsorgemöglichkeiten sind entscheidend. Die gezielte Modulation des Mikrobioms zur Krebsrisikoreduktion ist ein vielversprechendes Forschungsfeld. Politische Unterstützung und angemessene Vergütung für präventive Maßnahmen sind unerlässlich, so Wedemeyer. Die Politik sollte die Unterstützung von Forschung, Prävention und Vorsorge anerkennen und fördern.

Quelle: Online-Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. "300 000 Patienten mit Krebs der Verdauungsorgane: Was die Gastroenterologie für sie leisten kann" am 5. Juni 2024.


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