Was sind CAR-T-Zellen?
CAR-T-Zellen sind gentechnisch veränderte Immunzellen des Patienten. Dabei sind 2 Faktoren wichtig
- T-Zellen
- chimäre Antigenrezeptoren (CAR)
T-Zellen zählen zu den weißen Blutkörperchen des Immunsystems. Sie tragen Rezeptoren, sogenannte T-Zell-Rezeptoren, auf der Oberfläche, mit deren Hilfe sie fremde Stoffe und veränderte Zellen im Körper spezifisch erkennen und die Beseitigung einleiten können. Bösartige (maligne) Zellen einer Krebserkrankung werden aber häufig von den körpereigenen Immunzellen nicht erkannt, u.a. weil die Krebszellen charakteristische Moleküle (Antigene) verdecken und sich so vor den Angriffen des Immunsystems schützen.
Die Abkürzung CAR steht für den Begriff chimärer Antigenrezeptor. Dies bezeichnet Rezeptoren, die aus verschiedenen Teilen künstlich zusammengesetzt sind („chimär“) und gezielt an bestimmte Antigene von Tumorzellen binden können. Mithilfe gentechnischer Verfahren werden sie in isolierte Patient:innenzellen eingebaut. Diese werden im Anschluss wieder in die Erkrankten zurückgegeben, wo sie umherwandern können, um Krebszellen gezielt aufzuspüren.
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Erschienen am 27.01.2023 • Lesen Sie hier, welches Potenzial in der CAR-T-Zell-Technologie über den Einsatz in der Hämatologie hinaus steckt!
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Wie läuft eine CAR-T-Zell-Therapie ab?
Die Therapie mit CAR-T-Zellen verläuft in mehreren Schritten:
- Blutentnahme bei den Patient:innen
- Herstellung des CAR-T-Zellprodukts im Labor
- Konditionierung der Patient:innen
- Infusion der CAR-T-Zellen in die Patient:innen
Im ersten Schritt wird den Erkrankten Blut entnommen. Hieraus werden im Labor weiße Blutzellen (Leukozyten), insbesondere T-Zellen, in einer sogenannten Leukapherese gewonnen. Diese werden genutzt, um CAR-T-Zellen herzustellen. Hierzu wird die Erbsubstanz für einen speziell gebauten chimären Antigenrezeptor (CAR) in die T-Zellen eingeführt. Der CAR ist so zusammengesetzt, dass er Oberflächenmoleküle bestimmter Krebszellen passgenau erkennt.
Die Patient:innen erhalten in der Zwischenzeit eine
Chemotherapie, um die vorhandene Menge an Krebszellen schon einmal zu verringern. Diese Konditionierung verbessert auch die Voraussetzungen für das Überleben und Anwachsen der CAR-T-Zellen, die im letzten Schritt per Infusion in den Körper des Erkrankten zurückgegeben werden. Dort können sie wie die anderen Immunzellen herumwandern und Krebszellen gezielt erkennen und bekämpfen. Ziel ist es, durch die Zelltherapie einen längerfristigen Schutz gegen die Krebszellen zu erreichen.
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Wer kann CAR-T-Zellen erhalten?
CAR-T-Zellen binden an ausgewählte Moleküle, die auf bestimmten Krebszellen vorhanden sind und als Tumorantigene bezeichnet werden. Damit richten sie sich gezielt gegen Krebszellen, was die Schädigung gesunder Körperzellen im Rahmen der Behandlung so gering wie möglich halten soll.
In der EU sind derzeit mehrere CAR-T-Zellprodukte für ausgewählte onkologische Erkrankungen zugelassen. Sie können angewendet werden, wenn die entsprechenden Zielmoleküle auf den Krebszellen vorhanden sind und bei den Patient:innen keine anderen Behandlungsmöglichkeiten mehr möglich sind. Zugelassen sind derzeit (Stand: 13.12.2022):
Zur Herstellung der Zellpräparat Tisagenlecleucel, Axicabtagen Ciloleucel und Brexucabtagen autoleucel werden die Patient:innenzellen mit einem CAR bestückt, der das Antigen CD19 erkennt. Allerdings ist der Ansatz nur für Patient:innen geeignet, auf deren Krebszellen das Molekül CD19 tatsächlich nachgewiesen werden kann. Ist dies nicht der Fall, könnten die CAR-T-Zellen nicht binden und keine wirksame Immunreaktion einleiten. Tisagenlecleucel, Axicabtagen Ciloleucel, Brexucabtagen autoleucel und Lisocabtagen maraleucel können genutzt werden bei bestimmten Formen von
- akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (B-ALL)
- diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL)
- primär mediastinalem B-Zell-Lymphom (PMBCL)
- Mantelzell-Lymphom (MCL)
Die Therapeutika
Idecabtagen vicleucel und Ciltacabtagen autoleucel haben einen CAR gegen das Antigen BCMA, das häufig vorkommt auf den Zellen des
Multiplen Myeloms.
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Welche Nebenwirkungen treten bei CAR-T-Therapie auf?
Mithilfe der Zellpräparate soll die körpereigene Immunantwort gegen die Krebszellen aktiviert werden, weshalb man von einer Immuntherapie spricht. Dieses geschieht zielgerichtet anhand der angesteuerten Oberflächenmoleküle wie CD19 oder BCMA. Allerdings werden dabei auch andere Komponenten des Immunsystems, wie die kostimulatorischen Moleküle CD28 und CD3-ζ und Signalkaskaden zur Vermehrung der T-Zellen angestoßen. Dabei kommt es auch zur Freisetzung von entzündungsfördernden Faktoren, wie inflammatorischen Zytokinen und Chemokinen. Diese unterstützen einerseits die Therapie, andererseits können sie auch körpereigene gesunde Strukturen schädigen.
Bei der CAR-T-Zell-Therapie können leichte bis schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, darunter
- Fieber
- Übelkeit
- Kopfschmerzen
- Zittern
- neurologische Komplikationen, wie Sprachstörungen
- Gehirnödem
- Herz-Kreislauferkrankungen
- Zytokin-Freisetzungssyndroms (Zytokinsturm, CRS cytokine release syndrome) mit Entzündungsreaktionen im gesamten Körper
- Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS)
- längerfristige Zytopenien
Besondere Herausforderungen der CAR-T-Zell-Therapie
Der Therapieansatz mit CAR-T-Zellen ist nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch teuer und nicht ohne Risiken. Anfängliche Herausforderungen durch schwerwiegende Nebenwirkungen sind aber durch umfassendes Monitoring und frühzeitiges Gegensteuern mit Fieberkontrolle und Antibiotika-Gabe zunehmend beherrschbar und treten nur noch selten auf.
CAR-T-Therapien zählen zu den ATMPs
Wegen der besonderen Herstellung und Wirkungsweise zählen CAR-T-Zellen zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP, Advanced Therapy Medicinal Products). Für diese gelten besondere Zulassungsverfahren, für die in Deutschland das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständig ist.
Als ATMPs werden innovative Behandlungsansätze für schwere Erkrankungen bezeichnet, für die keine anderen Behandlungen zur Verfügung stehen oder bei einzelnen Patient:innen bereits erfolglos waren. Zu den ATMPs zählen
- Zelltherapeutika
- biotechnologisch verändertes Gewebe (Tissue-Engineering-Produkte)
- Gentherapeutika
Bei Herstellung, Anwendung und klinischen Studien zur Zelltherapie müssen spezielle Qualitätsanforderungen der GMP (Good Manufacturing Practice) beachtet werden. Immer mehr Zentren qualifizieren sich für den neuen Ansatz. Für Patient:innen mit CD19-positiven Krebserkrankungen bieten derzeit etwa 30
Therapiezentren in Deutschland eine CAR-T-Zell-Behandlung an.
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Erschienen am 15.03.2023 • Forschende haben neue Ansatzpunkte für die CAR-T-Zell-Therapie bei AML identifiziert. Mehr Informationen dazu erhalten Sie hier!
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Weitere CAR-T-Zell-Therapien werden entwickelt
Weltweit wird an einer ganzen Reihe weiterer CAR-T-Ansätze geforscht und CAR-Konstrukte für verschiedenste Antigene und Krebserkrankungen entwickelt. Auch der methodische Ablauf wird laufend optimiert, um Nebenwirkungen zu minimieren und die Wirkung zu maximieren.
Bisher wurde der Therapieansatz überwiegend in der Onkologie bei hämatologischen Neoplasien angewendet. Doch auch für andere Bereiche der Onkologie, wie bei malignen Hauterkrankungen, werden zunehmend Therapieansätze mit CAR-Zellen untersucht.
Des Weiteren wird am Einsatz der Zellpräparate bei nicht-malignen Erkrankungen geforscht. So konnten CAR-T-Zellen bereits bei
Systemischem Lupus erythematodes (SLE) eingesetzt werden. Für diese seltene Erkrankung aus dem Spektrum der Autoimmunerkrankungen gibt es bisher keine an der Ursache angreifende Behandlung.
Neben der Ausweitung des Behandlungsspektrums sind die Verringerung von leichten bis schweren Nebenwirkungen wie das Zytokin-Freisetzungssyndrom wichtige Herausforderungen für zukünftige Entwicklungen und klinische Studien. Weitere Informationen zum Nebenwirkungsmanagement sind in den Leitlinien der Fachgesellschaften zu finden.
Red. journalonko.de