Klinische Studien
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]- Interventionelle Studien
- Phase-I-Studie: Sicherheit, Dosierung und mögliche Nebenwirkungen
- Phase-II-Studie: Bewertung der Wirksamkeit und weitere Untersuchungen zur Sicherheit
- Phase-III-Studie: Vergleich des neuen Medikaments mit der Standardtherapie oder Placebo
- Phase-IV-Studie: Überwachung der langfristigen Sicherheit und Wirksamkeit
- Nicht-interventionelle Studien
- Weitere Fachbegriffe aus der klinischen Forschung
- Warum ist die kontrolliert randomisierte Studie (RCT) der Goldstandard?
- Wer bezahlt klinische Studien?
- Wer führt klinische Studien durch?
- Was verdient man bei klinischen Studien?
- Wie werden Teilnehmer:innen für klinische Studien gewonnen?
Interventionelle Studien
Interventionelle Studien, auch als experimentelle Studien bezeichnet, sind Studien, bei denen Teilnehmer gezielt eine Art von Intervention, wie etwa ein neues Arzneimittel, erhalten. Sie sind essenziell, um die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Therapien oder Medikamente zu prüfen.Phase-I-Studie: Sicherheit, Dosierung und mögliche Nebenwirkungen
Phase-I-Studien sind die ersten Studien, in denen ein neues Medikament oder eine neue Therapie an Menschen getestet wird. Sie konzentrieren sich auf die Sicherheit, Dosierung und mögliche Nebenwirkungen der Intervention. In dieser Phase wird eine kleine Gruppe gesunder Freiwilliger oder Patient:innen untersucht, um die maximale verträgliche Dosis und pharmakokinetische Eigenschaften zu ermitteln. Ziel ist es, die Verträglichkeit und das pharmakologische Profil eines neuen Wirkstoffs zu definieren, was oft mit intensiven Überwachungsmaßnahmen und engmaschigen Kontrollen verbunden ist. Diese Studienphase legt den Grundstein für alle nachfolgenden Untersuchungen, da sie die Parameter für die Dosierung und Anwendung des Medikaments festlegt. Ein weiterer Aspekt ist die Ermittlung der Pharmakodynamik, also wie der Wirkstoff im Körper wirkt und wie der Körper den Wirkstoff verarbeitet (Absorption, Verteilung, Metabolisierung und Ausscheidung). Die Ergebnisse dieser Phase-I-Studie helfen, Risiken besser zu verstehen und die Sicherheit der Patient:innen in den folgenden Studienphasen zu gewährleisten (1, 2).Phase-II-Studie: Bewertung der Wirksamkeit und weitere Untersuchungen zur Sicherheit
In Phase-II-Studien wird das Medikament oder die Therapie an einer größeren Gruppe von Patient:innen getestet, um die Wirksamkeit zu bewerten und weitere Informationen zur Sicherheit zu sammeln. Diese Phase dient dazu, die optimale Dosis und das Dosierungsschema festzulegen und erste Hinweise auf die therapeutische Wirkung zu erhalten. Diese Studien sind entscheidend, um zu prüfen, ob das Medikament die gewünschte Wirkung entfaltet und welche Nebenwirkungen bei der Zielpopulation auftreten. In Phase-II-Studien wird oft zwischen Phase-IIa und Phase-IIb unterschieden: Phase-IIa-Studien konzentrieren sich hauptsächlich auf die Wirksamkeit des Medikaments in einer spezifischen Dosierung, während Phase-IIb-Studien verschiedene Dosierungen vergleichen, um die optimale Dosis für die nächste Phase zu bestimmen. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis wird hier genau untersucht, um festzustellen, ob das Medikament einen therapeutischen Mehrwert gegenüber bestehenden Behandlungen bietet. Diese Studienphase spielt eine wesentliche Rolle, da sie das Vertrauen in das neue Medikament stärkt oder Zweifel daran aufzeigt, ob es in Phase III weiter untersucht werden sollte (1, 2).Phase-III-Studie: Vergleich des neuen Medikaments mit der Standardtherapie oder Placebo
Phase-III-Studien sind groß angelegte Studien, die an hunderten bis tausenden Patient:innen durchgeführt werden. Sie vergleichen die neue Intervention mit der Standardtherapie oder einem Placebo, um deren Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich zu bestehenden Behandlungen zu bestätigen. Diese Studien sind oft multizentrisch und international angelegt, um repräsentative Daten zu sammeln, die auf die allgemeine Bevölkerung übertragbar sind. Phase-III-Studien sind entscheidend für die Zulassung eines neuen Medikaments, da sie die Wirksamkeit und Sicherheit in einer größeren Population und unter realistischen Bedingungen demonstrieren müssen. Diese Studien werden oft als "pivotal trials" bezeichnet, weil ihre Ergebnisse direkt in die Zulassungsentscheidung durch Regulierungsbehörden wie die EMA (European Medicines Agency) einfließen. Neben der Effektivität wird in dieser Phase auch das Nebenwirkungsprofil des Medikaments genauer charakterisiert. Bei positivem Ausgang dieser Studienphase kann der Hersteller eine Marktzulassung beantragen (1-3, 4).Phase-IV-Studie: Überwachung der langfristigen Sicherheit und Wirksamkeit
Phase-IV-Studien werden nach der Zulassung eines Medikaments durchgeführt. Sie überwachen die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments in der breiten Anwendungspraxis. Hierbei können seltene Nebenwirkungen entdeckt werden, die in den vorherigen Phasen nicht aufgetreten sind. Diese Studien sind auch dafür ausgelegt, den langfristigen Nutzen eines Medikaments zu beurteilen und seine Wirksamkeit in spezifischen Subpopulationen zu untersuchen. In Phase-IV-Studien wird die Anwendung des Medikaments in der alltäglichen klinischen Praxis untersucht, was oft als "Real-World Evidence" bezeichnet wird. Diese Studien können auch neue Indikationen für das Medikament aufzeigen oder seine Wirksamkeit in Kombination mit anderen Therapien erforschen. Regulierungsbehörden können solche Studien verlangen, um die Sicherheit eines Medikaments weiterhin zu überwachen, insbesondere wenn es in breiten Patientengruppen eingesetzt wird. Phase-IV-Studien tragen dazu bei, das umfassende Sicherheitsprofil eines Medikaments über einen längeren Zeitraum zu erstellen und es in verschiedenen klinischen Kontexten zu validieren (1, 2, 4).Nicht-interventionelle Studien
Nicht-interventionelle Studien, auch Beobachtungsstudien genannt, erfassen und analysieren Gesundheitsdaten ohne direkte Einwirkung auf die Patient:innen. Sie sind wichtig, um Zusammenhänge zwischen Expositionen und Gesundheitszuständen zu identifizieren. Diese Studienform ist besonders wertvoll, um epidemiologische Daten zu sammeln und die natürlichen Verläufe von Krankheiten zu untersuchen (4).Kohortenstudien: Kausalzusammenhänge erkennen
Kohortenstudien verfolgen zwei oder mehr Gruppen von Menschen über einen bestimmten Zeitraum, um das Auftreten von Krankheiten oder anderen Gesundheitszuständen zu beobachten. Diese Längsschnittstudien sind nützlich, um Risikofaktoren zu identifizieren und die natürliche Entwicklung von Krankheiten zu untersuchen. In prospektiven Kohortenstudien wird die Population in die Zukunft beobachtet, während in retrospektiven Kohortenstudien bereits vorhandene Daten analysiert werden. Kohortenstudien sind besonders nützlich, um Kausalzusammenhänge zwischen Expositionen (wie Rauchen oder Ernährung) und dem Auftreten von Krankheiten (wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) zu erkennen. Diese Studien liefern meist Daten hoher Qualität und bieten daher eine hohe Aussagekraft, insbesondere wenn sie über einen langen Zeitraum durchgeführt werden, da sie sowohl die Inzidenz als auch die Verteilung von Krankheiten in verschiedenen Populationen aufdecken können. Der Nachteil dieser Studienform ist jedoch, dass sie zeitaufwendig und kostenintensiv sein kann. Zudem sind Kohortenstudien nicht geeignet, um seltene Erkrankungen zu untersuchen (4, 5).Fall-Kontroll-Studien: Geeignet für die Untersuchung seltener Erkrankungen oder solche mit sehr langer Expositionsdauer
Fall-Kontroll-Studien beginnen mit der Auswahl von Personen, die bereits eine bestimmte Krankheit haben (Fälle) und vergleichen diese mit einer Gruppe von Menschen ohne die Krankheit (Kontrollen). Ziel ist es, retrospektiv Risikofaktoren zu identifizieren, die zur Entstehung der Krankheit beigetragen haben könnten. Diese Studienform ist besonders nützlich, wenn die zu untersuchende Erkrankung selten ist oder eine sehr lange Expositionsdauer aufweist. Außerdem sind Fall-Kontroll-Studien weniger zeit- und kostenintensiv als Kohortenstudien. Des Weiteren sind sie in der Regel schneller durchführbar als Kohortenstudien, da sie sich auf bereits vorhandene Krankheitsfälle konzentrieren. Ein Nachteil dieser Studienform kann jedoch sein, dass sie anfälliger für Bias ist, insbesondere wenn es um die retrospektive Erfassung von Expositionen geht. Zudem stellt die Auswahl der Kontrollgruppe oft ein Problem dar, des Weiteren kann mittels Fall-Kontroll-Studien keine Aussage zur Inzidenz der untersuchten Erkrankung getroffen werden (4, 5).Querschnittsstudien: Bestimmung der Prävalenz von Krankheiten
In Querschnittsstudien wird eine Population zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht, um die Prävalenz von Krankheiten oder Gesundheitszuständen zu bestimmen. Diese Studien liefern Momentaufnahmen, die nützlich sind, um die Verbreitung von Gesundheitsproblemen zu bewerten und Hypothesen zu generieren. Querschnittsstudien eignen sich besonders gut, um Zusammenhänge zwischen Variablen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu identifizieren. Sie können jedoch keine Kausalzusammenhänge nachweisen, da sie lediglich eine Bestandsaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellen. Außerdem sind Querschnittsstudien nicht geeignet, um seltene Erkrankungen oder Expositionen zu untersuchen. Diese Studien sind häufig der Ausgangspunkt für weiterführende Forschung, um Hypothesen zu generieren, die dann in Längsschnittstudien oder experimentellen Studien überprüft werden können. Ein weiterer Vorteil von Querschnittsstudien ist, dass sie relativ schnell und kostengünstig durchzuführen sind (4, 5).Weitere Fachbegriffe aus der klinischen Forschung
Was bedeutet Randomisierung?
Randomisierung ist der Prozess, bei dem Studienteilnehmer nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Behandlungsgruppen zugeordnet werden. Dies minimiert Verzerrungen und gewährleistet, dass Unterschiede in den Ergebnissen wahrscheinlich auf die untersuchte Intervention und nicht auf andere Faktoren zurückzuführen sind. Randomisierung ist besonders wichtig in klinischen Studien, um die interne Validität der Ergebnisse zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Ergebnisse auf die getestete Intervention zurückzuführen sind und nicht auf externe Einflüsse (3).Warum sind kontrollierte Interventionsstudien wichtig?
In kontrollierten Interventionsstudien wird die neue Behandlung mit einer Kontrollgruppe verglichen, die entweder eine Standardbehandlung oder ein Placebo erhält. Dies ermöglicht eine präzise Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Therapie. Kontrollierte Studien sind essenziell, um die kausalen Wirkungen einer Intervention zu überprüfen und sie von zufälligen Effekten oder anderen Einflüssen zu trennen.Durch den Vergleich mit einer Kontrollgruppe können Forscher feststellen, ob die beobachteten Effekte tatsächlich auf die Intervention zurückzuführen sind oder ob sie durch andere Faktoren bedingt sind (3).
Wie trägt Verblindung zur Qualität einer Studie bei?
Verblindung bedeutet, dass weder die Studienteilnehmer noch die Forscher wissen, welche Behandlung eine bestimmte Person erhält. Dies verhindert, dass Erwartungen und Vorurteile das Studienergebnis beeinflussen. In doppelblinden Studien sind sowohl die Patient:innen als auch die behandelnden Ärzte und die Studienleiter verblindet, was Verzerrungen weiter minimiert. Verblindung ist besonders wichtig in klinischen Studien, um die Objektivität der Ergebnisse zu gewährleisten. Ohne Verblindung könnten unbewusste Vorurteile der Forscher oder Erwartungen der Patient:innen das Ergebnis beeinflussen. In einfach-blinden Studien wissen nur die Patient:innen nicht, welche Behandlung sie erhalten, während in doppelblinden Studien auch die Forscher und Ärzte keine Kenntnis über die Zuteilung haben. Dies reduziert das Risiko von Bias und trägt zur Zuverlässigkeit der Studienergebnisse bei (3).Warum ist die kontrolliert randomisierte Studie (RCT) der Goldstandard?
Die RCT gilt als Goldstandard unter den klinischen Studien, weil sie durch Randomisierung und Verblindung systematische Verzerrungen minimiert und so die kausale Beziehung zwischen Intervention und Ergebnis am besten nachweist. Dies macht sie unverzichtbar, um den tatsächlichen Nutzen oder Schaden einer Behandlung zu bestimmen. Die RCT ermöglicht es Forschern, die Effektivität einer Behandlung unter optimalen Bedingungen zu testen und dabei externe Einflüsse zu kontrollieren (3, 5). RCTs sind besonders wertvoll, weil sie eine hohe interne Validität bieten. Durch die zufällige Zuteilung der Teilnehmer zu den Behandlungsgruppen wird sichergestellt, dass die Gruppen zu Beginn der Studie vergleichbar sind, und Unterschiede in den Ergebnissen auf die untersuchte Intervention zurückgeführt werden können. Dies macht RCTs zur bevorzugten Methode in der klinischen Forschung, insbesondere bei der Entwicklung neuer Medikamente und Therapien (3, 4).Redaktion JOURNAL ONKO
Literatur:
(1) Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): „Wie funktionieren klinische Studien?" Abrufbar unter: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/wie-funktionieren-klinische-studien-6877.php (zuletzt aufgerufen am: 26.08.24)
(2) Comprehensive Cancer Center (CCC) Marburg: „Was sind klinische Studien?" Abrufbar unter: https://www.ccc-marburg.de/fuer-patienten/klinische-studien/was-sind-klinische-studien
(3) Kabisch et al. (2011): „Randomisiert kontrollierte Studien". Deutsches Ärzteblatt, DOI: 10.3238/arztebl.2011.0663
(4) Europische Arzneimittel-Agentur (EMA): „Clinical Trials Regulation" Abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory-overview/research-development/clinical-trials-human-medicines/clinical-trials-regulation (zuletzt aufgerufen am: 26.08.24)
(5) Klug et al. (2004): Wichtige epidemiologische Studien. Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag Stuttgart), DOI: 10.1055/s-2004-836076
(6) „Die Phasen klinischer Studien", IGWiG 2022. Abrufbar unter: https://www.iqwig.de/presse/mediathek/grafiken/die-phasen-klinischer-studien/ (zuletzt aufgerufen am: 28.08.24)