Shared Decision Making in der Onkologie: Kleiner Leitfaden für Ärzte
Antje Blum M.A.Shared Decision Making (SDM), oder partizipative Entscheidungsfindung, ist ein essenzielles Konzept in der modernen Onkologie. Dieser Ansatz setzt auf eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient, um Therapieentscheidungen basierend auf wissenschaftlicher Evidenz und individuellen Präferenzen gemeinsam zu treffen. Gerade in der Krebsbehandlung, wo es oft verschiedene Therapieoptionen mit unterschiedlichen Nebenwirkungsprofilen gibt, spielt SDM eine zentrale Rolle. Der folgende Artikel beleuchtet alle relevanten Aspekte von SDM in der Onkologie, inklusive Herausforderungen, internationaler Unterschiede und digitaler Unterstützungstools (1).
Definition von Shared Decision Making in der Onkologie
Shared Decision Making beschreibt den Prozess, bei dem Ärzt:innen und Patient:innen gemeinsam diagnostische und therapeutische Entscheidungen treffen. Dabei werden:
die bestverfügbare medizinische Evidenz,
die individuellen Werte und Präferenzen der Patient:innen sowie
das klinische Urteilsvermögen der Ärzt:innen integriert.
In der Onkologie hat SDM eine besondere Bedeutung, da Krebsbehandlungen oft komplex sind und erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen. Eine gut durchgeführte partizipative Entscheidungsfindung kann die Patientenautonomie stärken und zu einer besseren Adhärenz der Therapie führen.
Epidemiologie der Patientenpartizipation in der Onkologie
Studien zeigen, dass etwa 60-80% der Krebspatient:innen aktiv an Behandlungsentscheidungen beteiligt sein möchten. Dennoch variiert die Umsetzung von SDM stark, beispielsweise spielen Alter und Bildung eine Rolle: Jüngere und besser informierte Patient:innen sind oft aktiver in der Entscheidungsfindung.
Es bestehen kulturelle Unterschiede: In angelsächsischen Ländern wird SDM stärker praktiziert als in vielen europäischen und asiatischen Gesundheitssystemen. Patient:innen in frühen Krebsstadien sind oft engagierter als solche mit metastasierter Erkrankung.
Ätiologie: Einflussfaktoren auf die Implementierung von SDM
Die Implementierung von SDM hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Arztbezogene Faktoren: Fachwissen über SDM, Kommunikationsfertigkeiten und Zeitressourcen.
Patientenbezogene Faktoren: Gesundheitskompetenz, Entscheidungsfähigkeit und persönliche Präferenzen.
Systembezogene Faktoren: Vorhandensein von Entscheidungshilfen, institutionelle Unterstützung und Vergütungsstrukturen.
Pathogenese: Hindernisse und Barrieren bei der Umsetzung von SDM
Obwohl SDM empfohlen wird und ein Standard moderner Medizin sein sollte, bestehen Barrieren in der Praxis:
Zeitmangel: Onkolog:innen stehen oft unter Zeitdruck, sodass ausführliche Gespräche erschwert sind.
Fehlende Schulung: Viele Ärzt:innen erhalten während ihrer Ausbildung keine umfassende Schulung in SDM.
Komplexität der Information: Patient:innen können Schwierigkeiten haben, medizinische Informationen zu verstehen („Fachchinesisch“).
Klassifikation der Entscheidungsmodelle
In der Onkologie existieren unterschiedliche Entscheidungsmodelle:
Paternalistisches Modell: Der Arzt/die Ärztin entscheidet weitgehend allein.
Informiertes Modell: Der Patient/die Patientin entscheidet selbstständig nach umfassender Information.
Partizipatives Modell (SDM): Ärzt:innen und Patient:innen treffen die Entscheidung gemeinsam.
Studien belegen positive Effekte von SDM
Positive Effekte sind zum einen eine höhere Patientenzufriedenheit, da sich die Patient:innen gehört fühlen und ernst genommen werden. Zum anderen besteht eine bessere Therapieadhärenz: Die Patient:innen halten sich eher an die besprochenen Behandlungspläne. Und drittens berichten sie von weniger Ängsten und Unsicherheiten.
Die Rolle von SDM in der diagnostischen Entscheidungsfindung
Krebspatienten stehen oft vor der Wahl zwischen invasiven und nicht-invasiven diagnostischen Verfahren. SDM hilft, die individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen und die Patient:innen aktiv in die Entscheidung einzubeziehen.
Anwendung von SDM in der onkologischen Behandlung
SDM ist besonders wichtig bei der Auswahl zwischen kurativer versus palliativmedizinischer Therapie, verschiedenen chirurgischen Optionen sowie den unterschiedlichen Strahlen- oder medikamentösen Therapieansätzen.
Bedeutung von SDM in der Nachsorgeplanung
Nach Abschluss der Primärtherapie müssen Nachsorgepläne erstellt werden. Hier kann SDM dazu beitragen, patientenspezifische Bedürfnisse zu berücksichtigen und die Lebensqualität zu optimieren.
Prognose: Einfluss von SDM auf Behandlungsergebnisse
Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass SDM nicht nur die Zufriedenheit erhöht, sondern möglicherweise auch klinische Ergebnisse verbessert, indem Patient:innen eine aktive Rolle in ihrer Behandlung übernehmen.
SDM in der Prävention von Krebserkrankungen
SDM kann in der Prävention genutzt werden, z.B. bei der Entscheidung über Krebsvorsorgeuntersuchungen sowie Lebensstilinterventionen (Rauchstopp, Ernährung,...).
Literatur:
Häufig gestellte Fragen zum Shared Decision Making
Shared Decision Making bedeutet, dass Arzt und Patient gemeinsam Entscheidungen über medizinische Behandlungen treffen, basierend auf medizinischer Evidenz und den Wünschen des Patienten.