Anamnese und Diagnostik

Ein 67-jähriger Patient wurde im Rahmen einer Routineuntersuchung mit einem Hochrisiko-SMM (Smoldering Multiples Myelom), basierend auf der IMWG 2/20/20-Klassifikation diagnostiziert. Zusätzlich ergab das PANGEA-Modell bei dem pensionierten Lehrer eine Progressionswahrscheinlichkeit von fast 50% innerhalb von 5 Jahren. Die einzige Vorerkrankung des Patienten ist ein (gut kontrollierter) Bluthochdruck, die familiäre Tumoranamnese war negativ. Insgesamt beschreibt er sich als gesund, ist körperlich aktiv und reist leidenschaftlich gern. Seine physische Verfassung ist ausgezeichnet und er hat keine aktuellen Beschwerden oder Einschränkungen im Alltag.Was würden Sie dem Patienten in seiner Situation eines Hochrisiko-SMM vorschlagen?Stimmen Sie auf der nächsten Seite ab!

TED-Frage

Patientensituation

Die Erkrankung schwelt

Trotz seiner guten körperlichen Gesundheit erlebt der Patient eine erhebliche psychische Belastung. Das Wissen um eine potenziell nicht heilbare hämatologische Erkrankung, die momentan keine akute Behandlung erfordert, belastet ihn stark. Das Gefühl des Wartens auf eine mögliche Verschlechterung verursacht erhebliche Frustration und Angst. Er beschreibt Gefühle der Hilflosigkeit und Ängste in Bezug auf eine ungewisse Zukunft, begleitet von der Sorge, dass sich seine Situation schnell verschlechtern könnte.Zusätzlich äußert der Patient Frustration darüber, dass derzeit keine kurative Behandlung zur Verfügung steht und er das Gefühl hat, der Krankheitsentwicklung passiv ausgeliefert zu sein. Trotz dieser psychischen Belastung bemüht er sich, seinen aktiven Lebensstil beizubehalten. Er sucht aktiv nach Möglichkeiten, seine Lebensqualität zu verbessern und seine mentale Gesundheit zu stärken, beispielsweise durch regelmäßige sportliche Aktivitäten und Reisen, die ihm Freude bereiten.

Behandlungsstrategie

Watchful waiting

Während der Beratung über mögliche weitere Schritte inklusive einer Studienteilnahme wurde der Patient auch umfassend über die derzeitige Strategie des „watchful waiting“ aufgeklärt. Diese Strategie zielt darauf ab, regelmäßige Kontrolluntersuchungen – angepasst an das individuelle Risiko – durchzuführen, um eine mögliche Progression des Smouldering-Myeloms frühzeitig zu erkennen. Die Bedeutung einer positiven Lebensgestaltung und die Aufrechterhaltung eines aktiven Lebensstils wurden betont. Zusätzlich wurde psychologische Unterstützung angeboten, um dem Patienten bei der Bewältigung der emotionalen Herausforderungen zu helfen.

SLiM-CRAB-Kriterien

Bedeutung der SLiM-CRAB-Kriterien für das SMM

Das Smoldering Multiple Myelom (SMM) ist eine asymptomatische Plasmazellerkrankung mit einem hohen Progressionsrisiko zum symptomatischen Multiplen Myelom (MM). Die Diagnose eines SMM setzt das Fehlen jedweder SLiM-CRAB-Kriterien voraus. Zu den SLiM-CRAB-Kriterien zählen: • Sixty: 60% Knochenmarksinfiltration durch maligne Plasmazellen • Light chains: Leichtketten-Quotient (involvierte zu nicht-involvierte) > 100 • MRT: > 1 fokale Läsion > 5 mm in der Magnetresonanztomographie • Calcium: Erhöhte Serumkalziumwerte >0,25 mmol/l über dem oberen Normwert oder >2,75 mmol/l• Renal: Kreatinin ≥2,0 mg/dl oder GFR <40ml/min• Anemia: Hämoglobin < 10 g/dl oder < 2g/dl unter dem unteren Referenzwert • Bone lesions: Nachweis mindestens einer ossären Läsion in der Bildgebung

Risikostratifizierung

Risikostratifizierung des SMM

Die Risikostratifizierung des SMM erfolgt anhand Modelle wie der IMWG 2/20/20-Klassifikation (1), sowie einem erweiterten Modell, dem PANGEA-Modell (2), welches durch die dynamische Erfassung von Laborparametern eine differenzierte Einschätzung des Progressionspotenzials und damit eine bessere Vorhersage ermöglicht. In klinischen Studien werden aktuell 2 potenzielle Ansätze untersucht: eine präventive Strategie zur Verzögerung der Progression und ein kurativer Ansatz zur vollständigen Eradikation des neoplastischen Klons. Eine definitive Therapieempfehlung existiert jedoch bislang nicht. Durch verbesserte Risikostratifizierung könnte dabei geholfen werden, jene Patient:innen zu identifizieren, die am meisten von einer frühen Intervention profitieren. Die klinische Praxis sieht allerdings noch anders aus: So kam eine aktuelle US-amerikanischen Umfrage unter Ärzt:innen zu dem Ergebnis, dass die Behandlung eines Hochrisiko-SMM außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen wird (3).

Zusammenfassung

Fazit

Bisher liegen keine Studiendaten vor, die die Beeinträchtigung der Patient:innen durch Nebenwirkungen und therapieassoziierte Toxizität mit den psychischen Auswirkungen einer abwartenden Strategie auf die Lebensqualität vergleichen. Eine ähnliche Studie, die SPOTLIGHT-Studie (https://clinicaltrials.gov/study/NCT06212323), startet jedoch nun in den USA. Verbesserte psychosoziale Betreuung und gezielte Interventionen könnten dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen unabhängig von der gewählten Behandlungsstrategie zu steigern.Literatur:(1) Fernández De Larrea C, Isola I, Pereira A, Cibeira MT, Magnano L, Tovar N, et al. Evolving M-protein pattern in patients with smoldering multiple myeloma: impact on early progression. Leukemia. 2018 Jun;32(6):1427-34. (2) Cowan A, Ferrari F, Freeman SS, Redd R, El-Khoury H, Perry J, et al. Personalised progression prediction in patients with monoclonal gammopathy of undetermined significance or smouldering multiple myeloma (PANGEA): a retrospective, multicohort study. Lancet Haematol. 2023 Mar;10(3):e203-12. (3) Mohyuddin GR, Chakraborty R, Cliff ERS, Derman BA. Clinician preferences on treatment of smoldering myeloma: a cross-sectional survey. eClinicalMedicine. 2023 Nov;65:102272.Lesen Sie dazu auch:M. Al-Bazaz, J. Artzenroth, R. Kosch et al. Neue Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie des Smoldering Multiples Myelom. JOURNAL ONKOLOGIE 2025;1:15-22.Vielen Dank für Ihre Teilnahme an der interaktiven Kasuistik:Patient mit Hochrisiko-schwelendem Multiplen Myelom

Wenn Sie selbst interessante Fälle haben, die Sie Ihren onkologischen Kolleg:innen präsentieren möchten, wenden Sie sich jederzeit an JOURNAL ONKOLOGIE unter redaktion@journalonko.de (Die Redaktion behält sich die Veröffentlichung vor.)

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