Lebensgefährliche Organentzündungen durch Immuncheckpoint-Inhibitoren
Um die Schlagkraft des körpereigenen Immunsystems gegen Tumoren zu verstärken, kommen in der Krebstherapie seit einigen Jahren zunehmend Immuncheckpoint-Inhibitoren zum Einsatz. Ihre Entwicklung brachte einen Durchbruch in der Behandlung einiger bis dato schwer oder nicht therapierbarer Tumorerkrankungen. Da diese Medikamente allerdings auf einen wichtigen Regulationsmechanismus des Immunsystems einwirken, der Angriffe gegen körpereigenes Gewebe verhindert, kann es während der Behandlungsdauer zu lebensgefährlichen Entzündungen an verschiedenen Organen kommen.
Herzmuskelentzündung nach Immuntherapie – bisher noch keine Prognosefaktoren
„Entzündungen des Herzens sind dabei besonders kritisch, da es bei einem Teil der Betroffenen schnell zu gravierenden Herzschäden kommen kann, wenn die Schwere der Entzündung nicht rechtzeitig erkannt und gegengesteuert wird“, erläutert Prof. Dr. Norbert Frey, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie am UKHD. „Es fehlen bisher noch Prognosefaktoren, um Patient:innen mit einem hohen Risiko für diesen schweren Verlauf möglichst frühzeitig zu identifizieren.“
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Kardiovaskuläre Erkrankungen durch CAR-T-Zelltherapien
Erschienen am 13.04.2023 • Wie wirkt sich die CAR-T-Zelltherapie auf das Herzkreislaufsystem aus? Antworten darauf erhalten Sie hier!
Erschienen am 13.04.2023 • Wie wirkt sich die CAR-T-Zelltherapie auf das Herzkreislaufsystem aus? Antworten darauf erhalten Sie hier!
© SciePro – stock.adobe.com
Leitlinien empfehlen regelmäßigen Herzcheck
Rund 1% aller Patient:innen, die Immuncheckpoint-Inhibitoren erhalten, erkranken an einer Herzmuskelentzündung. Da die Entzündung anfangs meist ohne Symptome verläuft, empfehlen die Behandlungsleitlinien in den ersten Monaten der Immuntherapie einen regelmäßigen Herzcheck.
Grenzwert für Troponin T im Blut nach Immuntherapie
Dabei werden zwar bereits Herzproteine wie Troponin T erfasst, die nur dann in größeren Mengen ins Blut gelangen, wenn der Herzmuskel Schaden genommen hat. „Bisher ließ sich daraus nur auf die Herzschädigung als solche schließen. Wir haben anhand unserer Studie nun einen genauen Grenzwert definiert: Stieg die Troponin T-Menge im Blut in den ersten 72 Stunden nach Verabreichung der Immuntherapeutika über diesen Wert an, hatten die Patient:innen ein hohes Risiko, im Verlauf der nächsten 90 Tage eine schwere Herzkomplikation wie Rhythmusstörungen oder Herzversagen zu entwickeln“, so Erstautor Prof. Dr. Lorenz Lehmann, Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des UKHD. „Dagegen war das Risiko bei Patient:innen, deren Troponin T unter dem Grenzwert lag, gering. Troponin T könnte sich auf Basis unserer Ergebnisse hervorragend dazu eignen, zuverlässig und praxistauglich diejenigen Patient:innen zu identifizieren, die eine enge Überwachung und möglicherweise intensivere Unterstützung des Herzens benötigen.“ Vor der Anwendung in der Praxis müssen die Ergebnisse noch in weiteren Studien bestätigt werden.
Prof. Lehmann leitet die Sektion Kardio-Onkologie der Kardiologie und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT Heidelberg, in der jährlich rund 1.200 Patient:innen mit Herzerkrankungen in Folge einer Krebstherapie im Rahmen einer Spezialsprechstunde betreut werden. Dieses Angebot ist bislang einmalig in Deutschland und daher überregionaler Anlaufpunkt für Betroffene.