Für den Großteil der Krebspatient:innen ist eine Schmerztherapie indiziert
Rund 510.000 Tumorneuerkrankungen hatte das Robert-Koch-Institut für 2022 in Deutschland auf Grundlage von Daten aus vorangegangenen Jahren prognostiziert (1). Das Thema
Schmerz spielt bei einer onkologischen Erkrankung immer eine zentrale Rolle. So geht aus einem systematischen Review hervor, dass Schmerzen bei 33% der Patient:innen nach einer kurativen Behandlung auftreten, bei über 59% derjenigen, die eine Krebsbehandlung erhalten, und bei bis zu 64% der Patient:innen mit metastasierter, fortgeschrittener oder terminaler Erkrankung (2). Für den Großteil der Patient:innen mit fortgeschrittenem Krebs, nämlich 70 bis 90%, ist eine Schmerztherapie indiziert. Ziel der Behandlung ist es, das Schmerzniveau soweit zu senken, dass eine akzeptable Lebensqualität möglich ist.
Medizinisches Cannabis: Behandlungsalternative zu Opioiden
Opioide nehmen in der konventionellen medikamentösen Schmerztherapie einen wesentlichen Stellenwert ein (5, 6). Deren Einsatz kann allerdings auch problematisch sein (3, 5, 6), z.B. durch unzureichendes Ansprechen von Opioiden und anderen Analgetika, nichttolerable Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Eine Behandlungsalternative bzw. eine Ergänzung zur Therapie von schweren chronischen Schmerzen bietet
medizinisches Cannabis, welches seit 2017 verschreibungsfähig ist. Die Zahlen aus der nichtinterventionellen Begleiterhebung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zwischen April 2017 und März 2022 zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln zeigen, dass diese bereits häufig eingesetzt werden: In 76,4% aller erfassten Fälle wurde medizinisches Cannabis zur Behandlung chronischer Schmerzen angewendet. In 14,5% der Fälle lag eine Tumorerkrankung zugrunde (7).
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Erschienen am 12.04.2023 • Hydromorphonhydrochlorid ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerzen. Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie hier!
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Medizinisches Cannabis hat ein günstiges Nebenwirkungsprofil gegenüber Opioiden
Medizinisches Cannabis stellt eine adjuvante Therapieoption zu den üblichen Analgetika bei schweren chronischen Schmerzen dar. Gegenüber Opioiden bietet es ein günstiges Nebenwirkungsprofil bei fehlender Toleranzentwicklung im therapeutischen Bereich (5–30 mg THC) (8). Ein großer Vorteil der cannabisbasierten Schmerztherapie ist die mögliche Verringerung der Anwendung von Opioiden – oder sogar der vollständige Ersatz – und somit auch die Minderung von opioidinduzierten Nebenwirkungen (9. 10).
Verbesserte Lebensqualität durch medizinisches Cannabis
Mit Blick auf die onkologische Therapie wird deutlich, dass
medizinisches Cannabis die Lebensqualität der Patient:innen verbessern kann, gemäß der Ergebnisse einer prospektiven Analyse. Im Rahmen dieser wurden die Daten von insgesamt 2.970 Krebspatient:innen analysiert, die zwischen 2015 und 2017 mit medizinischem Cannabis behandelt wurden. Die Auswertung zeigt eine signifikante Verringerung der Schmerzintensität nach 6 Monaten Therapie mit medizinischem Cannabis (n = 1.144). Ebenso führte die Behandlung in diesem Zeitraum zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität – zu den Symptomen mit der größten Verbesserung zählten unter anderem Übelkeit und Erbrechen,
Schlafstörungen sowie Unruhe.
Verringerung der Opioidmedikation durch medizinisches Cannabis
Die Cannabistherapie trug außerdem zur Verringerung der Opioidmedikation bei: Zu Beginn der Behandlung erhielten 344 Patient:innen (33,9%) Opioide. Nach 6 Monaten konnten 124 Patient:innen (36,0%) die Opioide absetzen und 34 Patient:innen (9,9%) die Dosis reduzieren (11). Ob eine Therapie mit medizinischem Cannabis für Krebspatient:innen infrage kommt, hängt von individuellen Faktoren, wie zum Beispiel der Symptomatik, ihren bisherigen Erfahrungen mit Cannabis, der Verträglichkeit sowie möglichen Arzneimittelinteraktionen, ab. Auch die Wirkstoffapplikation wird individuell gewählt – in diesem Rahmen müssen die Dosis, die Darreichungs- und Anwendungsform festgelegt werden.
(1) Krebs in Deutschland für 2017/2018. Gemeinsame Publikation des Zentrums für Krebsregisterdaten und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V., 13. Ausgabe. Robert Koch-Institut, Berlin 2021.
(2) van den Beuken-van Everdingen MH et al. Prevalence of pain in patients with cancer: a systematic review of the past 40 years. Ann Oncol 2007; 18 (9): 1437–1449.
(3) Glare P. Choice of opioids and the WHO ladder. In: Davis MP, Glare P, Hardy J, eds. Opioids in cancer pain. Oxford, UK: Oxford University Press, 2005: 221–234.
(4) WHO guidelines for the pharmacological and radiotherapeutic management of cancer pain in adults and adolescents. World Health Organization 2018.
(5) Ahmedzai S et al. Transdermal fentanyl versus sustained-release oral morphine in cancer pain: preference, efficacy, and quality of life. The TTS-Fentanyl Comparative Trial Group. J Pain Symptom Manage 1997; 13 (5): 254–261.
(6) Caraceni A et al. Use of opioid analgesics in the treatment of cancer pain: evidence-based recom-mendations from the EAPC. Lancet Oncol 2012; 13: e58–e68.
(7) Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Abschlussbericht der Begleiterhebung nach § 31 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln.
(8) Reiman A et al. Cannabis as a Substitute for Opioid-Based Pain Medication: Patient Self-Report. Cannabis Cannabinoid Res 2017; 2 (1): 160–166.
(9) Maida V et al. Adjunctive nabilone in cancer pain and symptom management: a prospective observa-tional study using propensity scoring. J Support Oncol 2008; 6 (3): 119–124.
(10) Bachhuber MA et al. Medical cannabis laws and opioid analgesic overdose mortality in the United States, 1999–2010. JAMA Intern Med 2014; 174 (10): 1668–1673.
(11) Bar-Lev Schleider L et al. Prospective Analysis of Safety and Efficacy of Medical Cannabis in Large Unselected Population of Pa-tients with Cancer. Eur J Intern Med 2018; 49: 37–43.