Entartete Zellen im Knochenmark unterdrücken beim Multiplen Myelom die normale Blutbildung
Das Multiple Myelom wurde in Deutschland im Jahr 2016 bei 3.000 Frauen und bei 3.900 Männern neu diagnostiziert. Die Erkrankung war hierzulande 2016 für rund 2% der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich (1). Im Durchschnitt erkrankten Männer im Alter von 72 Jahren, Frauen mit 74 Jahren (2). Die relative 5-Jahres-Überlebensrate von 49% bei beiden Geschlechtern ist eher ungünstig, eine
dauerhafte Heilung wird nur selten erreicht (1).
Das Multiple Myelom ist durch die klonale Vermehrung von malignen Plasmazellen im Knochenmark oder extramedullär und die damit einhergehende klonale Vermehrung der
Immunglobuline (v.a. IgG, IgA) gekennzeichnet, welche in vielen Fällen dysfunktional sind und somit keine Abwehrfunktion erfüllen. Die Immunglobuline können entweder komplett oder inkomplett sein, werden als Paraprotein bezeichnet und lassen sich in Form von Leichtketten in Blut und/oder Urin nachweisen (2).
Als Vorstufen des Multiplen Myeloms gelten die Gammopathie unklarer Signifikanz, auch
M-Gradient unklarer Signifikanz (MGUS) genannt, und das
schwelende Myelom (smouldering myeloma) (2).
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Was ist ein Multiples Myelom? Wie wird es behandelt? Wie sollte man sich ernähren? Die Antworten auf diese...
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Unspezifische Symptome sorgen für späte Diagnose beim Multiplen Myelom
Die Symptomatik des Multiplen Myeloms ist sehr variabel und oftmals unspezifisch wie z.B. eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, Abgeschlagenheit, Müdigkeit oder Schwäche (1). „Ein Multiples Myelom kann seit Monaten bestehen, ohne dass es auffällt. Bei jedem vierten Betroffenen wird die Erkrankung zufällig im Rahmen einer Blutuntersuchung diagnostiziert“ (2), erklärt Dr. Hans Salwender, Sektionsleiter der Hämatologie und Sektionsleiter für das Multiple Myelom an den Asklepios Kliniken Altona und St. Georg in Hamburg.
Am häufigsten leiden Patientinnen und Patienten mit einem Multiplen Myelom bei Diagnosestellung unter:
- Knochenschmerzen (ca. 60%), meist im Bereich des Stammskeletts, verursacht durch lokalisierte oder generalisierte Osteodestruktion inkl. einem erhöhten Risiko für Frakturen (2)
- Fatigue (ca. 40%), häufig mitbedingt durch eine Anämie (2)
- Hyperkalzämie (ca. 10–20%), heutzutage relativ selten diagnostisch relevant (2)
- Infektneigung (ca. 10–20%), mitbedingt durch die Dysfunktionalität der Immunglobuline und sekundärem Antikörpermangel (2)
- Gewichtsverlust (ca. 25%) (2)
Therapie beim Multiplen Myelom zielt auf Verlangsamung des Krankheitsverlaufs ab
Die Erstlinientherapie besteht nach den aktuellen deutschen Leitlinien aus einer Kombinationschemotherapie im Rahmen einer
Induktionstherapie mit anschließender autologer Stammzellentransplantation gefolgt von einer Konsolidierungstherapie. Bei reduziertem Allgemeinzustand und fortgeschrittenem Alter ist in vielen Fällen lediglich eine rein medikamentöse Kombinationstherapie indiziert. Bei Knochenbeteiligung und Glukokortikoid-haltiger Therapie kommt zudem eine osteoprotektive Behandlung zum Einsatz (2).
Die Therapie von Rezidiven und therapierefraktären Fällen (Fortschreiten der Erkrankung unter Therapie oder innerhalb von 60 Tagen nach Therapieende) ist häufig (3) und gestaltet sich komplexer, v.a. durch die Entstehung zusätzlicher Mutationen in den Plasmazellklonen, die zur Therapieresistenz gegen eine oder mehrere Therapieoptionen führen. Problematisch ist, dass sich laut einer Studie mit jedem zusätzlichen Therapieversuch die Zeit bis zum Auftreten des nächsten Rezidivs verkürzt (4).
Allgemein gilt das Multiple Myelom aufgrund der hohen Rezidivrate mit den momentan verfügbaren Therapieoptionen als nicht heilbar (5). „Die Behandlung zielt darauf ab, die Krankheitsaktivität zu stoppen oder zumindest zu verringern, um so die Erkrankung in Schach zu halten und ihr Fortschreiten zu verlangsamen“, so Dr. Salwender. Denn mit jedem weiteren Rezidiv sinken die Tiefe und die Dauer des Ansprechens auf die Folgetherapie (6). „Daher sind regelmäßige Kontrollen essenziell, um rechtzeitig Rezidive zu erkennen und behandeln zu können.“
Alltag mit Multiplem Myelom
Neben den medikamentösen Therapieoptionen ist es auch wichtig, den Betroffenen zu motivieren, selbst etwas zu tun. Dr. Hans Salwender empfiehlt als Unterstützung neben einer allgemein gesunden Lebensführung eine ausgewogene Ernährung, ausreichendes Trinken, die Reduktion von Infektionsrisiken, Physiotherapie sowie sportliche Aktivität, die auf eventuell vorhandene Knochenschäden angepasst sein muss. Hierdurch können Patientinnen und Patienten ihre Lebensqualität steigern.
Laut Brigitte Reimann, Vorsitzende des Bundesverbandes Myelom Deutschland e.V. und selbst Myelom-Patientin, ist es für viele Patientinnen und Patienten hilfreich, über die Erkrankung Bescheid zu wissen und mit dem Arzt oder der Ärztin gemeinsam eine Therapieentscheidung zu treffen. Hier können neben den Ärztinnen und Ärzten, Angehörigen und Freundinnen und Freunden insbesondere Selbsthilfegruppen Unterstützung bieten. Ihre Botschaft an die Myelom-Patientinnen und -Patienten: „Die Angst vor einem Rezidiv kann Ihr Leben stark beeinflussen, wenn nicht sogar jahrelang einschränken. Darum versuche ich Betroffene nach erfolgreicher Therapie zu ermutigen, das Weiterleben nicht zu vergessen.“
(1) Robert-Koch Institut. Krebs in Deutschland 2015/16. 2019. Verfügbar unter https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2019/krebs_in_deutschland_2019.pdf (zuletzt abgerufen am 30.08.2021)
(2) Wörmann B et al. DGHO-Leitlinie Onkopedia. Multiples Myelom. Mai 2018. Verfügbar unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/multiples-myelom/@@guideline/html/index.html (zuletzt abgerufen am 30.08.2021)
(3) Kurtin SE. J Adv Pract Oncol 2013; 4(suppl 1): 5-14
(4) Ghandi UH et al. Leukemia 2019; 33(9): 2266-2275
(5) Dingli D et al. Mayo Clin Proc 2017; 92(4): 578–598
(6) Yong et al. British Journal of Haematology, 2016,175,252–264