Subjektiver Patient:innen-Nutzen der Therapie muss in Studien untersucht werden
Operationen auf dem Gebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde sind oft äußerst komplex. Nirgendwo sonst im Körper sind so viele Funktionen auf so engem Raum vereint wie an Kopf und Hals: Riechen, Schmecken, Hören, der Gleichgewichtssinn, Atmen, Sprechen, Schlucken, dazu eine Vielzahl von Nerven und Blutgefäßen, die auf keinen Fall verletzt werden dürfen. „Der technische Fortschritt auf diesem Gebiet ist rasant und eröffnet immer neue Behandlungsmöglichkeiten“, sagt Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans-Jürgen Welkoborsky, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde am KRH Klinikum Nordstadt in Hannover und Präsident der DGHNO-KHC. Als evidenzbasiertes Fach müsse die HNO bei jeder Neuentwicklung jedoch nicht nur nach dem objektiven therapeutischen Nutzen, sondern auch nach dem Nutzen aus Sicht der Patien:innten fragen. Auch dieser müsse im Rahmen von Studien belastbar untersucht werden.
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Lebensqualität als Zielparameter in der onkologischen Forschung und Praxis
Erschienen am 17.12.2019 • Lesen Sie jetzt auf www.journalonko.de: Unter dem Begriff der gesundheitsbezogenen Lebensqualität werden eine ganze Reihe verschiedener Aspekte körperlicher, psychischer und sozialer...
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Tumorentfernung im Mund-Rachen-Raum: Patient:innen haben anderen Fokus als Onkolog:innen
Wie unterschiedlich die Bewertung einer Therapie aus ärztlicher Sicht und aus Patient:innensicht sein kann, wird am Beispiel von
Tumoren im Mund-Rachenraum deutlich. Während aus onkologischer Sicht eine möglichst vollständige Entfernung des Tumors und eine Minimierung des Rückfallrisikos ausschlaggebend sind, hat für die Patient:innen darüber hinaus auch der Erhalt des Schluck- und Sprechvermögens einen sehr hohen Stellenwert. „Wie diese Faktoren gewichtet werden, ist individuell sehr unterschiedlich und auch vom Patient:innenalter und vom Zeitpunkt der Befragung in Bezug zur Therapie abhängig“, umreißt PD Dr. med. Timon Hussain, Oberarzt an der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Universitätsmedizin Essen, die Komplexität dieses Aspekts.
Rate an HPV-assoziierten Oropharynx-Tumoren steigt
Gerade auf dem Gebiet der
Oropharynx-Tumortherapie habe in den letzten Jahren zudem eine epidemiologische Verschiebung stattgefunden:
Die Zahl der Tumoren, die auf eine Infektion mit dem Humanen Papillomvirus (HPV) zurückgehen, nehme zu, diese Patient:innen seien im Schnitt jünger als HPV-negative Tumorpatient:innen, und vor allem seien ihre Heilungschancen deutlich besser. „Und mit der Lebenszeit, die durch die Therapie gewonnen wird, steigt auch die Bedeutung der Lebensqualität.“
Mehr Lebensqualität nach Entfernung eines Oropharynx-Tumors durch TORS?
In der Behandlung dieser Tumoren hat sich insbesondere in den USA die so genannte TORS (Transorale Robotische Chirurgie) durchgesetzt. „Dabei wird der Chirurg durch einen Roboter unterstützt, dessen Instrumental- und Kameraarme er per Fernsteuerung bedient“, erläutert Hussain, der das Verfahren auf der Pressekonferenz vorstellt. Die Feinheit der Instrumente erlaubt dabei einen minimalinvasiven Zugang durch die Mundhöhle – im Vergleich zum zuvor üblichen offenen Zugang, bei dem entweder der Hals seitlich eröffnet oder der Unterkiefer gespalten werden musste, ein deutlich schonenderes Verfahren. Auch im Vergleich zu einer Hochdosis-
Strahlentherapie kann die alleinige TORS das Ausmaß der Nebenwirkungen reduzieren. „Allerdings werden aktuell viele mittels TORS therapierte Patient:innen im Nachgang zusätzlich bestrahlt, was diesen Vorteil teilweise aufhebt“, betont Hussain. Hier seien die derzeit laufenden Therapie-Deeskalationsstudien besonders interessant, in denen untersucht wird, ob gerade bei HPV-positiven Patienten die Strahlendosis nach TORS reduziert werden kann, ohne die guten onkologischen Ergebnisse zu gefährden.
TORS-Verfahren vs. transorale Laser-Mikrochirurgie bei Oropharynx-Tumoren
Während sich das TORS-Verfahren in den USA bereits flächendeckend durchgesetzt hat, wird es in Europa noch weitaus seltener angewandt. „Der Grund hierfür liegt darin, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern die transorale Laser-Mikrochirurgie sehr verbreitet ist“, sagt Hussain. Mit diesem etablierten Verfahren könne bereits seit Jahrzehnten – also bereits vor der Entwicklung von TORS – weitgehend organerhaltend operiert werden und es würden sehr gute therapeutische und funktionale Ergebnisse erzielt. Direkte vergleichende Studien zu den beiden Operationstechniken liegen bislang noch nicht vor. Solche Studien seien die Voraussetzung für eine Identifikation idealer Anwendungsbereiche für die TORS in Europa – selbstverständlich unter Einbeziehung der Lebensqualität der Patient:innen, so der HNO-Experte.