Testosteronentzugstherapie und Blockade der Androgenrezeptoren
Die Testosteronentzugstherapie wurde bereits 1940 als effektive Methode von Charles Huggins beschrieben, der für diese Therapie den Nobelpreis erhielt.
Bei der Testosteronentzugstherapie werden hormonell wirksame Medikamente in das Unterhautfettgewebe des Patienten gespritzt. Dies wird alle 3 bis 6 Monate wiederholt. Da durch die Gabe von LHRH (luteinisierendes Hormon Releasing-Hormon) das Serum-Testosteronlevel zunächst ansteigen kann („flare phenomenon“), was Schmerzen, Harnverhalt oder neurologische Symptome beim Patienten auslösen kann, wird vorher ein Antiandrogen gegeben. Antiandrogene binden an den Androgen-Rezeptor und blockieren so die Bindung von Androgenen an diesen.
Das injizierte Hormon LHRH entspricht dem vom Körper selbst im Hypothalamus produzierten
GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon). GnRH wiederum bewirkt an der Hirnanhangsdrüse, dass vermehrt die beiden Hormone LH (luteinizing hormone und FSH (follicle-stimulating hormone) freigesetzt werden. LH bewirkt die erhöhte Freisetzung von Testosteron im Hoden. Werden also kontinuierlich sogenannte
GnRH-Analoga (früher: LHRH-Analoga; Agonisten und Antagonisten) verabreicht, wird die Testosteronproduktion im Hoden langsam herunterreguliert. Dadurch wird das Testosteron im Blut so stark erniedrigt, als wenn beide Hoden entfernt worden wären (
beidseitige Orchiektomie; operative Kastration), daher spricht man von einer „chemischen Kastration“. Bei diesem niedrigen Testosteron-Level stirbt ein großer Teil der Metastasen ab.
Zu ADT wird eine begleitende Therapie gegeben, weil sich eine Überlebensverlängerung gezeigt hat. Zur Kombination mit der ADT stehen für das metastasierte hormonsensitive Prostatakarzinom aktuell 3 Therapieoptionen zur Verfügung (Taxan, CYP17-Inhibitor und Zweitgenerations-Antiandrogene).
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Wie Man(n) mit Bewegung und Sport die Krebstherapie unterstützt
Erschienen am 20.02.2021 • Astellas macht auf die positiven Auswirkungen von Sport für die Prostatakrebstherapie aufmerksam. – Lesen Sie mehr auf www.journalonko.de!
Erschienen am 20.02.2021 • Astellas macht auf die positiven Auswirkungen von Sport für die Prostatakrebstherapie aufmerksam. – Lesen...
©CLIPAREA.com / Fotolia.de
Wirkweisen und Nebenwirkungen der ADT
Als Agonist wird ein Wirkstoff bezeichnet, der an einen Rezeptor bindet und so die gleiche Wirkung wie der körpereigene Ligand selbst entfaltet. LHRH-Agonisten (LHRH-Analoga) verringern die Testosteronproduktion im Hoden. Da hierbei der LHRH-Rezeptor stimuliert wird, steigt das Serum-Testosteronlevel zunächst an („flare phenomenon“), was für einige Patienten lebensbedrohlich sein kann. Dies kann durch eine Vorbehandlung mit Antiandrogenen verhindert werden. Akute Nebenwirkungen sind Hitzewallungen, Libidoverlust und erektile Dysfunktion. Chronische Nebenwirkungen sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, hämatologische und kardiovaskuläre Ereignisse.
Auch LHRH-Antagonisten verringern die testikuläre Testosteronproduktion. Sie blockieren den LHRH-Rezeptor. Im Gegensatz zu den LHRH-Analoga kommt es zu keinem initialen Androgenanstieg. Allergische Reaktionen und das QT-Syndrom können u.a. als Nebenwirkungen auftreten.
Da auch die Nebennieren aus Cholesterol-Vorstufen Androgene bilden können, lässt sich die Stimulation des Prostatakarzinoms durch Hemmung der testikulären Testosteronproduktion nicht vollständig blockieren. Durch die Inhibition von Cytochrom P450 17 (CYP17), das den letzten Schritt in der Androgenbiosynthese katalysiert, wird die Bildung von Androgenen in der Nebenniere gehemmt. Nebenwirkungen umfassen u.a. leichte Übelkeit, Erhöhung der Bauchspeicheldrüsenenzyme, Schwitzattacken.
Eine Problematik beim
Prostatakarzinom liegt darin, dass ein geringer Teil der Tumorzellen von Beginn an unempfindlich, d.h.
refraktär auf die Hormontherapie ist und sie „überlebt“. Im Verlauf der Erkrankung setzen sich diese Krebszellen durch, die ADT wirkt nicht mehr und man spricht man von einem
metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom, kurz mCRPC. In weit fortgeschrittenen Stadien oder bei sehr aggressiven Tumorvarianten findet eine Synthese von Testosteron in den Tumorzellen selbst statt.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Prostatakarzinom: Triple-Therapie mit Darolutamid wird für chemotherapie-geeignete Patienten empfohlen
Erschienen am 02.07.2024 • Darolutamid wird in Dreifach-Kombination mit Docetaxel und ADT für mHSPC empfohlen. Lesen Sie mehr zur Aktualisierung der S3-Leitlinie auf journalonko.de!
Erschienen am 02.07.2024 • Darolutamid wird in Dreifach-Kombination mit Docetaxel und ADT für mHSPC empfohlen. Lesen Sie mehr zur...
© Julien Tromeur - stock.adobe.com
Dauer der ADT
Die ADT kann dauerhaft durchgeführt werden oder intermittierend, d.h. mit Pausen. Dafür orientiert man sich am
PSA-Wert: Sinkt der PSA auf < 0,2 ng/ml (bzw. < 1,0 ng/ml) ab, ist davon auszugehen, dass der Patient auf die ADT die nächsten 4-6 Jahre anspricht, hier wäre eine intermittierende Therapie möglich. Sinkt der PSA-Wert nur auf > 4 ng/ml ab, muss von einer eher ungünstigen Prognose und einem kürzeren Überleben ausgegangen werden. Hier wird die ADT durchgehend gegeben und möglichst früh zusätzlich durch eine Chemotherapie ergänzt.
Weitere Therapien und Kombinationen
Trotz der Anwesenheit von Metastasen in anderen Organen wird das ursprüngliche Prostatakarzinom (sog.
Primarius) nicht vernachlässigt. Eine lokale Therapie des Primarius mittels einer sogenannten radikalen Prostatektomie (oder eine Bestrahlung) ist in der Lage, nicht nur Symptome zu lindern, sondern auch das mittlere Gesamtüberleben der Patienten und die Zeit bis zur Entwicklung eines kastrationsresistenten Prostatakarzinoms zu verlängern. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei Prostatakrebs mittlerweile bei 89%. Empfehlenswert ist immer die Behandlung in einem Prostatakarzinom-Zentrum.
Red. journalonko.de