Was ist das Multiple Myelom?
Das Multiple Myelom (MM), auch Morbus Kahler, ist eine Art Krebs. Die Erkrankung wird als B-Zell-Lymphom eingeordnet. Damit gehört sie zur Gruppe der B-Zell-
Non-Hodgkin-Lymphome. Beim Multiplen Myelom vermehren sich monoklonale Plasmazellen unkontrolliert. Plasmazellen haben die Aufgabe, Immunglobuline zu produzieren. Beim Multiplen Myelom entstehen nicht funktionsfähige Paraproteine. Im Knochenmark können sich die bösartigen Plasmazellvermehrungen an mehreren Stellen manifestieren (daher der Begriff Multiples Myelom). Die Inzidenz beträgt in Deutschland laut RKI pro 100.000 Einwohner 9,2 Männer und 7,4 Frauen.
Wodurch entsteht ein Multiples Myelom?
Die genaue Ursache ist unbekannt. Es besteht jedoch ein enger Zusammenhang zwischen dem Multiplen Myelom und einer Erkrankung namens monoklonale Gammopathie unbekannter Bedeutung (
MGUS). Bei MGUS liegt ein Überschuss an Eiweißmolekülen (Immunglobulinen) im Blut vor. Dies verursacht keine Symptome und muss nicht behandelt werden. Es gibt keine bekannte Möglichkeit, dies zu verzögern oder zu verhindern, daher werden Menschen mit MGUS regelmäßig auf Krebs untersucht. Der Diagnose liegen die CRAB-Kriterien zugrunde. CRAB steht für Calcium – Renal insufficiency – Anaemia – Bone lesions.
Wer erkrankt an einem Multiplen Myelom
Die Diagnose wird häufiger gestellt bei:
- Männern
- Erwachsenen über 60 – die meisten Fälle werden um das 70. Lebensjahr herum diagnostiziert, Betroffene unter 40 Jahren sind selten
- Schwarzen – das Multiple Myelom ist in der schwarzen Bevölkerung etwa doppelt so häufig wie in der weißen und asiatischen Bevölkerung
- Menschen mit einer Familiengeschichte von MGUS oder Multiplem Myelom
Wie wird ein Multiples Myelom diagnostiziert?
Da die Symptomatik oft unspezifisch ist, kann es einige Zeit dauern, bis die Diagnose Multiples Myelom sicher gestellt werden kann. Es stehen
3 Arten von Untersuchungen zur Verfügung:
Bildgebende Verfahren, Knochenmarkuntersuchungen sowie Laboruntersuchungen und Eiweißelektrophorese.
Bildgebende Verfahren beim MM
- Röntgen
- Kernspinresonanztomographie (Magnetresonanztomografie, MRT)
- Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
- Computertomographie (CT)
Knochenmarkuntersuchungen beim MM
Bei der Knochenmarkuntersuchung unterscheidet man zwischen dem Knochenmarkaspirat und der Knochenmarkbiopsie.
Knochenmarkaspirat beim MM
Unter örtlicher Betäubung wird flüssiges Knochenmark entnommen.
Knochenmarkbiopsie beim MM
Unter örtlicher Betäubung wird eine Probe des Knochenmarks zur weiteren Untersuchung entnommen.
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Laboruntersuchungen und Eiweißelektrophorese beim MM
Zur Abklärung der Diagnose werden auch Laborwerte von Blut und Urin bestimmt. Hierfür stehen mehrere Tests zur Verfügung:
Großes Blutbild beim MM
- Bestimmung der roten Blutkörperchen (zeigt, ob Anämie vorliegt),
- Bestimmung der weißen Blutkörperchen (zeigt, ob Infektionsrisiko besteht),
- Bestimmung der Anzahl der Blutplättchen (zeigt Risiko für Blutungen/Blutergüsse).
Blut- und Urintests beim MM
- Bestimmung von Beta-2-Mikroglobulin (β2M) (zeigt Ausmaß der Erkrankung),
- Bestimmung von Kreatinin und Harnstoff (zeigt, wie die Nieren arbeiten),
- Bestimmung von Albumin (Konzentration bei MM oft verringert),
- Bestimmung von Kalzium (bei MM oft erhöht)
Paraprotein-Spiegel (M-Protein) beim MM
Dabei wird angezeigt, wieviel Paraprotein im Körper vorhanden ist.
Detektion freier Leichtketten im Serum beim MM
Hierbei wird spezifisches MM angezeigt, bei dem kein Paraprotein vorhanden ist.
Welche Arten von Multiplen Myelomen gibt es?
Das MM lässt sich nach
- der Form der sezernierten Immunglobuline,
- nach dem Ort (Lokalisation) und
- nach Verlauf
einteilen. Außerdem gibt es Sonderformen.
Immunglobuline beim MM
Immunglobuline sind Antikörper. Je nachdem welche Unterart von Immunglobulinen durch das Multiple Myelom gebildet werden, unterscheidet man zwischen
- IgA-bildenden Myelomen (Immunglobulin A),
- IgG-bildenden Myelomen (Immunglobulin G),
- IgD-bildenden Myelomen (immunglobulin D),
- Leichtkettenmyelomen – sie produzieren ausschließlich Bence-Jones-Proteine (Bence-Jones-Proteinurie; freie Leichtketten).
Lokalisation beim MM
Bei der Lokalisation kann zwischen dem solitären Plasmozytom und dem multipel lokalisierten bzw. disseminierten Multiplen Myelom unterschieden werden:
- solitäres Plasmozytom: Krankheitsherd im Knochenmark
- multipel lokalisiertes Multiples Myelom: mehrere Krankheitsherde, meist in Lunge, Magen-Darm-Trakt und Rachenraum
- Plasmazell-Leukämie: Krankheitsherd im Blut
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Verlauf des MM
Beim Verlauf wird zwischen der Vorstufe, einem langsamen, einem schnellen Voranschreiten der Erkrankung und einer wieder auftretenden Form unterschieden.
- Vorstufe: Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS). Selten entwickelt sich daraus ein Sklerotisches Myelom.
- progredienter Verlauf: Die Erkrankung schreitet rasch voran
- Smouldering Myelom: langsamer Verlauf (= ohne CRAB-Symptomatik), wenig Komplikationen
- rezidiviertes Multiples Myelom: Die Krankheit tritt wiederholt auf.
- refraktäres Multiples Myelom: Die Krankheit spricht nicht mehr auf die Behandlung an.
Sonderformen und Unterarten des MM
- Plasmozytom
- osteosklerotisches Myelom mit POEMS-Syndrom (Hautveränderungen)
- AL-Amyloidose
Welche Symptome treten bei Multiplem Myelom auf?
Die Symptome des MM können sehr unterschiedlich sein. Im Frühstadium der Krankheit gibt es manchmal keinerlei Symptome. Anzeichen können sein:
- Knochenschmerzen, insbesondere in der Wirbelsäule oder im Brustkorb
- Übelkeit
- Verstopfung
- Appetitlosigkeit
- Geistige Vernebelung oder Verwirrung
- Müdigkeit
- Häufige Infektionen
- Gewichtsabnahme
- Schwäche oder Taubheitsgefühl in den Beinen
- Übermäßiger Durst
Welche Stadien des Multiplen Myeloms gibt es?
Die Einteilung des Multiplen Myeloms erfolgt nach dem Revised International Staging System (RISS) auf der Grundlage von 4 Faktoren:
- Menge an Albumin im Blut,
- Menge an Beta-2-Mikroglobulin im Blut,
- Menge an LDH im Blut,
- spezifische Genanomalie (Zytogenetik) des Krebses.
Welche Therapien gibt es beim Multiplen Myelom?
Zielgerichtete Therapie beim MM
Zielgerichtete medikamentöse Behandlungen konzentrieren sich auf bestimmte Schwachstellen in den Krebszellen. Durch die Blockierung dieser Anomalien kann diese gezielte medikamentöse Therapie das Absterben von Krebszellen bewirken.
Immuntherapie beim MM
Bei der
Immuntherapie wird das Immunsystem des Patienten oder der Patientin zur Krebsbekämpfung eingesetzt. Das körpereigene Immunsystem, das die Krankheit bekämpft, greift den Krebs möglicherweise nicht an, weil die Krebszellen Proteine produzieren, mit denen sie sich vor den Zellen des Immunsystems verstecken können. Diese Therapie wirkt, indem sie diesen Prozess unterbricht. Der wichtigste Wirkstoff aus der Klasse der Immunmodulatoren gegen das MM ist Lenalidomid.
Lenalidomid beim MM
Lenalidomid
- hemmt die Proliferation bestimmter hämatopoetischer Tumorzellen
- hemmt die Produktion entzündungsfördernder Zytokine (besonders TNF-α und Interleukin-6)
- verhindert oder mindert Gefäßneubildung
- stimuliert T-Zellen und natürliche Killerzellen (NK-Zellen)
- erhöht Anzahl der natürlichen Killer-T-Zellen (NKT-Zellen)
- steigert die Blutbildung.
Chemotherapie beim MM
Bei der
Chemotherapie werden Medikamente eingesetzt, um Krebszellen abzutöten. Die Medikamente töten schnell wachsende Zellen ab, auch Myelomzellen. Vor einer Knochenmarktransplantation werden hohe Dosen von Chemotherapeutika eingesetzt. Führt diese Therapie nicht zum Erfolg, kann eine Hochdosis-
Chemotherapie zum Einsatz kommen.
Kortikosteroide beim MM
Kortikosteroid-Medikamente regulieren das Immunsystem, um Entzündungen im Körper zu kontrollieren. Diese Therapie ist auch gegen Myelomzellen wirksam.
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Knochenmarktransplantation beim MM
Eine Knochenmarktransplantation, auch Stammzelltransplantation genannt, ist ein Verfahren, bei dem das kranke Knochenmark durch gesundes Knochenmark ersetzt wird. Vor einer Knochenmarktransplantation werden blutbildende Stammzellen aus dem Blut entnommen. Anschließend wird eine Hochdosis-
Chemotherapie gegeben, um krankes Knochenmark zu zerstören. Anschließend werden die Stammzellen im Körper infundiert, wo sie zu den Knochen wandern und mit dem Wiederaufbau des Knochenmarks beginnen.
Strahlentherapie beim MM
Bei der
Strahlentherapie werden energiereiche Strahlen aus Quellen wie Röntgenstrahlen und Protonen eingesetzt, um Krebszellen abzutöten. Die Therapie kann eingesetzt werden, um Myelomzellen in einem bestimmten Bereich schnell schrumpfen zu lassen – zum Beispiel, wenn eine Ansammlung abnormer Plasmazellen einen Tumor (Plasmozytom) bildet, der Schmerzen verursacht oder einen Knochen zerstört.
Welche Nebenwirkungen treten bei der Behandlung des Multiplen Myeloms auf?
Jede Behandlung, die gegen das MM zur Verfügung steht, kann mit Nebenwirkungen verbunden sein.
Die häufigsten sind:
- Knochenschmerzen – Schmerzmedikamente, Strahlentherapie und Operationen können helfen, Knochenschmerzen zu kontrollieren.
- Komplikationen der Nieren – Patientinnen und Patienten mit schweren Nierenschäden benötigen möglicherweise eine Dialyse.
- Infektionen – Patientinnen und Patienten können mit bestimmten Impfungen Infektionen vorbeugen (z.B. Pertussis, COVID, Influenza)
- Knochenschwund – Hierfür stehen knochenaufbauende Medikamente zur Verfügung
- Anämie – Anämische Patientinnen und Patienten können Medikamente einnehmen, die die Anzahl der roten Blutkörperchen öhen
Welche Ernährung bei Multiplen Myelom?
Bei einer bösartigen Erkrankung wie dem MM rückt das Thema Ernährung in den Fokus. Wichtig ist, dass bis heute keine Ernährung, Diät oder Essen bekannt ist, die Krebs heilen kann. Es wurde bislang keine Form der Ernährung gefunden, die die Gesundheit einer Patientin oder eines Patienten mit MM wiederherstellt. Dennoch gibt es einige Erkenntnisse aus der Ernährungsberatung, die dazu beitragen, das Leben von Patientinnen und Patienten mit dieser Krankheit zu verbessern. Ganz allgemein sollten Patientinnen und Patienten mit MM auf eine gesunde Ernährung achten. Die eine richtige Ernährung gibt es nicht, aber es gibt Lebensmittel, die die Therapie besser unterstützen als andere.
Diese Lebensmittel sollten bei Patientinnen und Patienten mit MM im Fokus der Ernährung stehen:
- Obst und Gemüse (Stichwort Vitamin)
- Vollkornprodukte
- Milch und Milchprodukte
- Fisch
- viel trinken, v.a. Wasser
Diese Lebensmittel sollten bei MM vermieden werden
- Alkohol
- zuckerhaltige Getränke
- roher Fisch
- Rohmilchprodukte
Bei Übelkeit und Appetitlosigkeit kann es außerdem helfen, viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen. Große Mengen an Essen sollten vermieden werden.
Red. journalonko.de