Mittlerweile gibt es sehr viel genauere Methoden, um Zellen zu untersuchen. Mit der Single-Cell-Analyse können Biowissenschaftler:innen die verschiedenen messenger RNA (mRNA)-Moleküle in einzelnen Zellen bestimmen. Diese Botenstoffe überbringen die Information aus dem Erbgut im Zellkern, der DNA, in das Zellplasma, wo die mRNA in Eiweiß übersetzt wird. In jeder Zelle ist der Gehalt und die Zusammensetzung der mRNA individuell verschieden. "Das ermöglicht uns, viel feinere Unterschiede zwischen Zellen festzustellen“, sagt Simon Haas. "So können wir mittlerweile verschiedene Entwicklungsstadien der Zellen erkennen, was zum Beispiel wichtig ist, um Blutkrebs genauer zu diagnostizieren oder den Alterungsprozess von Blutzellen zu verstehen.“ Für die tägliche Routine im Klinikbetrieb ist die Single Cell Diagnostik jedoch noch viel zu aufwändig und teuer. "Wir haben uns deshalb überlegt, ob man die Single-Cell-Analyse nicht mit der FACS-Analyse kombinieren kann.“
Hochpräzise Karte der Blutentwicklung
Dazu untersuchten die Wissenschaftler:innen um Simon Haas gemeinsam mit ihren Kolleg:innen am Heidelberger Institut für Stammzelltechnologien und Experimentelle Medizin (HI-STEM) am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), am Europäischen Molekularbiologischen Labor (EMBL) in Heidelberg und am Centre for Genomic Regulation (CRG) in Barcelona zunächst hunderttausende von Blutzellen verschiedener Stadien im Labor mit der Single-Cell-Analyse und erstellten so eine hochpräzise Karte der Entwicklung von Zellen des Blutsystems, sowohl von gesunden Spendern als auch von Leukämiepatienten. So konnten sie die normalen Alterungsprozesse nachvollziehen, aber auch erkennen, wie aus Stammzellen Leukämiezellen entstehen. Dabei entdeckten sie auch neue Markerproteine auf den Zelloberflächen, die wesentlich genauere Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Zelltypen erlaubten.
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"Das ist ganz wichtig, zum Beispiel bei der Diagnose und Therapie von Blutkrebserkrankungen“, betont Simon Haas. „Hier entwickeln sich die Zellen nicht in funktionstüchtige fertige Blutzellen, sondern bleiben während ihrer Entwicklung auf einer bestimmten Stufe stehen und vermehren sich immer weiter. Das geht so lange, bis das Blut überschwemmt ist von weißen Blutkörperchen, das Merkmal der Leukämie, des „weißen Blutes“. Damit wir diese Zellen zielgerichtet bekämpfen können, ist es notwendig, sie genau zu kennen und von gesunden Blutzellen unterscheiden zu können.“ Die Wissenschaftler verknüpften daher die neu gefundenen Informationen über die verschiedenen Zellstadien mit den herkömmlichen Oberflächenmarkern, die beim FACS zum Einsatz kommen. Ergänzt um die neuen Markerproteine konnten sie mithilfe künstlicher Intelligenz die Ergebnisse aus den Single-Cell Analysen mit den FACS-Ergebnissen kombinieren. „Wir benutzen jetzt neue Kombinationen von Antikörpern, die uns die KI vorschlägt, um ganz bestimmte Zellstadien besser identifizieren zu können“, erklärt Haas.
Single-Cell-Ansätze für die personalisierte Medizin
Die Nachwuchsgruppe von Simon Haas gehört dem gemeinsamen Forschungsfokus „Single-Cell-Ansätze für die personalisierte Medizin“ an, den das BIH in der Charité gemeinsam mit dem MDC und der Charité – Universitätsmedizin Berlin gegründet hat. Die klinische Anwendung seiner Ergebnisse verfolgt Simon Haas nun mit seinen klinischen Partnern an der Charité, den Direktoren der Medizinischen Kliniken mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie, Professor Lars Bullinger am Charité Campus Virchow-Klinikum (CVK) sowie Professor Ulrich Keller am Charité Campus Benjamin Franklin (CBF). „Unser Ziel ist, Leukämien so besser zu diagnostizieren und die Blutkrebszellen präzise bekämpfen zu können.“
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Sergio H. Triana, Dominik Vonficht, Lea Jopp-Saile, Simon Haas et al.. „Single-cell proteo-genomic reference maps of the hematopoietic system enable the purification and massive profiling of precisely defined cell states“, Nature Immunology, https://doi.org/10.1038/s41590-021-01059-0