Epigenetik: Vielversprechender Ansatz zur Heilung von Krankheiten
Da
epigenetische Modifikationen bei allen physiologischen Prozessen eine entscheidende Rolle spielen, können Fehlfunktionen dieser Modifikationen zu einer Reihe von Erkrankungen führen, darunter Krebs, Entwicklungsstörungen und geistige Behinderungen, der Studienleiter Dr. Till Bartke, München (1). Im Laufe des Lebens akkumulieren epigenetische Veränderungen und können durch Umweltfaktoren, Ernährungsgewohnheiten oder Lebensstil beeinflusst werden. Dies kann beispielsweise zur Ausbildung von Diabetes beitragen oder auch zu altersbedingten Krankheiten führen.
Epigenetische Komplexität: Interaktionen von DNA mit epigenetischen Mechanismen
Der menschliche Organismus besteht aus einer Vielzahl verschiedener Zelltypen, von denen jede ihre eigene Form und Funktion hat. Obwohl alle Zellen die gleiche DNA besitzen, wird diese nicht in gleicher Weise transkribiert. Epigenetische Modifikationen in den Zellen fungieren als chemische Markierungen, die den Zellen anzeigen, welche Teile der DNA sie verwenden sollen.
Die epigenetische Regulation ist ein komplexer Prozess. Es gibt viele verschiedene Modifikationen, die entweder direkt an unserer DNA oder an Histonproteinen appliziert werden. Histone sind kleine Proteine, um die unsere DNA gewickelt ist und die so der Verpackung des Erbguts dienen, erklärte Bartke. Je nach chemischer Veränderung der Histone oder der DNA, können sie die DNA unterschiedlich beeinflussen und dadurch die Genaktivität steuern. In der Gesamtheit bilden epigenetische Modifikationen den epigenetischen Code, der es den Zellen ermöglicht, Gene entsprechend ihren spezifischen Bedürfnissen ein- oder auszuschalten.
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Erschienen am 01.07.2021 • Wie die Entdeckung der epigenetischen Mechanismen bei Leukämie-Patienten zu neuen Therapieoptionen beitragen kann, erfahren Sie hier!
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Epigenetischen Code im Reagenzglas entschlüsseln
Während viele "Leser" einzelner DNA- und Histon-Modifikationen beschrieben wurden, ist es eine offene Frage, wie Chromatinzustände, die zusammengesetzte Modifikationssignaturen, Histonvarianten und internukleosomale Linker-DNA umfassen, interpretiert werden. Um den epigenetischen Code zu entschlüsseln wurde eine große Anzahl epigenetischer Modifikationen im Reagenzglas nachgebaut und untersucht, wie die Modifikationen mit den Proteinen in unseren Zellen interagieren. Eine multidimensionale Proteomik-Strategie wurde verwendet, um systematisch die Interaktion von rund 2.000 Kernproteinen mit über 80 modifizierten Dinukleosomen zu untersuchen, die Promotor-, Enhancer- und Heterochromatin-Zustände repräsentieren.
Epigenetische Modifikationen wirken normalerweise im Zusammenspiel mit sogenannten epigenetischen Leserproteinen, die die Modifikationen erkennen können und so nachgelagerte Vorgänge bewirken, erklärt Dr. Andrey Tvardovskiy, München. Herauszufinden, wie diese epigenetischen Leserproteine komplexe Modifikationsmuster interpretieren, ist daher der entscheidend, um die Funktionsweise des Genoms und wie Fehler hierbei zu Krankheiten führen, zu verstehen. Die Forschenden konnten in dieser Studie erstmals zeigen, wie unterschiedliche Kombinationen von Modifikationen in den Zellen von epigenetischen Proteinen ausgelesen und interpretiert werden.
Entschlüsselung der Sprache der Epigenetik mit KI
Die Entschlüsselung der epigenetischen Modifikationen wurde mit neu entwickelten KI-Methoden durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass einige Bestandteile des epigenetischen Codes einen die Leserproteine stark beeinflussen (insbesondere in Gen-aktivierenden Abschnitten der DANN), während andere nur einen geringeren Einfluss ausüben.
Aus diesen Informationen wurden mehrere grundlegende Regeln ermittelt, wie das Erbgut in den Zellen organisiert und kontrolliert wird. Diese Erkenntnisse sind für Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachgebiete von großer Bedeutung und bilden die Grundlage für weitere zukünftige Forschungsaktivitäten. Die Ergebnisse sind auf der Website „Modification Atlas of Regulation by Chromatin States“ (
https://marcs.helmholtz-munich.de) verfügbar.
(1) Lukauskas, Tvardovskiy, Nguyen et al., (2024): Decoding Chromatin States by Proteomic Profiling of Nucleosome Readers. Nature. DOI: 10.1038/s41586-024-07141-5.