Resistenzmechanismen erschweren Therapie beim Glioblastom
In Deutschland erkranken alljährlich 4.000 bis 5.000 Menschen an einem
Glioblastom. Nur jeder 20. der Betroffenen ist nach 5 Jahren noch am Leben. Die Ursachen für diese düsteren Aussichten sind vielschichtig. Einer der Gründe für die verbesserungswürdige Bilanz sind die
Resistenzmechanismen, die die Tumoren gegenüber
Chemotherapeutika entwickeln.
Blut-Hirn-Schranke erschwert Passage ins Gehirn
Zum einen ist es für viele dieser Medikamente per se schon schwierig, ins Gehirn zu gelangen, da der Körper sein Denk- und Gefühlszentrum mit der Blut-Hirn-Schranke schützt. „Glioblastome sind nun in der Lage die Blut-Hirn-Schranke auch während des Tumorwachstums zum Teil aufrecht zu erhalten. Diese Blut-Tumor-Schranke erschwert dann die Passage für Therapeutika“, sagt Prof. Glaß, Experte für neurochirurgische Forschung am LMU Klinikum. Zum anderen entwickeln die Hirntumorzellen Mechanismen, mit denen sie viele Schäden reparieren können, die eine Chemotherapie in ihnen anrichtet.
Humanin als Schlüsselmolekül der Therapieresistenz
„Wir haben nun herausgefunden, dass es in Glioblastomen – nicht in allen, aber in einigen – einen koordinierenden Mechanismus gibt, der beides bewerkstelligt“, erklärt Prof. Glaß. Durch ein Zusammenspiel der Tumorzellen mit den sie umgebenden Immunzellen wird ein molekularer Signalweg ausgelöst, der letztlich zur Ausschüttung des Stoffes „Humanin“ führt. In Glioblastomen aktiviert Humanin ein Oberflächenmolekül, den Rezeptor GP130, der sowohl auf den Tumorzellen als auch auf den Blutgefäßen im und um das Tumorgewebe vorhanden ist.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Glioblastom: Neuer Wirkstoffkandidat in klinischer Studie
Erschienen am 21.03.2023 • Ein neu entwickelter Antikörper zur Behandlung von Glioblastomen startet in eine klinische Studie. Mehr dazu lesen Sie hier!
Erschienen am 21.03.2023 • Ein neu entwickelter Antikörper zur Behandlung von Glioblastomen startet in eine klinische Studie. Mehr...
© peterschreiber.media – stock.adobe.com
Reparatur der Chemotherapie-induzierten Schäden sowie Verstärkung der Blut-Tumor-Schranke
Die Folgen: Einerseits kommt es in den Tumorzellen selbst zu einer großangelegten Reparatur der Schäden, die durch Chemotherapeutika verursacht werden. Andererseits signalisiert Humanin den Gefäßen um den Tumor, die Blut-Tumor-Schranke auszubauen. „Dann gelangt eine geringere Menge des Chemotherapeutikums zu den Tumorzellen“, sagt Prof. Glaß, „und diese verminderte Dosis wird in ihrer Wirkung blockiert, indem die Resistenzmechanismen hochgefahren sind.“
Blockade von GP130: Bazedoxifen als potenzielles Mittel gegen Resistenz
Und jetzt die Hoffnung: Blockieren die Forscher:innen den Rezeptor GP 130 mit einem Medikament, das zur Therapie des Knochenschwunds zugelassen ist, kann Humanin dort nicht mehr andocken. “Damit verhindern wir beide Resistenzmechanismen, wir schlagen sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe“, so Prof. Glaß.
Bisher funktioniert das alles im Zell- und Tierversuch. „Selbstverständlich benötigen wir klinische Studien mit Glioblastom-Patienten, um die Wirkung des Medikaments beim Menschen zu beurteilen“, erklärt Prof. Glaß. Das Medikament heißt Bazedoxifen und kann als eines von wenigen die Blut-Hirn-Schranke passieren. Der Pferdefuß: Es verändert die Wirkung des weibliches Geschlechtshormons Östrogen und dadurch entstehende Nebenwirkungen müssten, vor allem bei Frauen, eventuell medikamentös kompensiert werden. Weibliche Mäuse reagierten jedenfalls mit Gewichtsverlust auf das Medikament.
Kurzum: Es braucht nun klinische Forschung, die zeigen muss, ob diese potenziell neue Therapie für das Glioblastom deutlichen Nutzen für die Patient:innen bringt.
(1) Cheng J et al. (2024): Myeloid cells coordinately induce glioma cell-intrinsic and -extrinsic pathways for chemoresistance via GP130 signaling. Cell reports. Medicine, DOI: 10.1016/j.xcrm.2024.101658.