Darmkrebs: Cyclin K/CDK12 – Neuer Ansatzpunkt für Therapie?
27. Juli 2021
Durch das Ausschalten eines bestimmten Protein-Komplexes ließen sich Krebszellen in Tumormodellen gezielt bekämpfen. Zugleich entdeckte eine Gruppe aus Forschenden eine bislang unbekannte Substanz aus der neuartigen Wirkstoffgruppe der molekularen Klebstoffe, die den Proteinkomplex inaktivieren kann. Die erzielten Forschungsergebnisse können als Grundlage für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Darmkrebs dienen.
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Darmkrebs: Bedarf an wirksamen Therapieoptionen
Das Team aus Forschenden hat nun mit dem Proteinkomplex Cyclin K/CDK12 eine Struktur identifiziert, an der sich die Tumorzellen besonders aggressiver Darmkrebsformen sehr gezielt angreifen lassen. „Dies ist eine wichtige Grundlage, um künftig neue Medikamente für Betroffene mit Darmkrebs zu entwickeln oder vorhandene CDK12-Inhibitoren auf ihre Wirksamkeit gegen diese Tumoren zu testen“, sagt Prof. Hanno Glimm, einer der geschäftsführenden Direktoren am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC).
Testung der Wirksamkeit von 80.000 Substanzen
Bei ihrer Suche nach neuen Ansätzen für die Darmkrebstherapie züchteten die Forschenden im Labor aus patienteneigenen Tumorzellen 3-dimensionale Modelle, die den Aufbau und das Zusammenspiel unterschiedlicher Zellen in menschlichen Darmtumoren besonders gut repräsentieren. Insgesamt 24 unterschiedliche 3D-Zellkulturen (Sphäroide) bildeten hierbei wichtige genetische Unterformen von Darmkrebs ab. An diesen Modellen testeten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Wirksamkeit von 80.000 Substanzen. Bei diesem Screening erwies sich ein Stoff als besonders wirkungsvoll, der den Abbau von Cyclin K und CDK12 auslöste.
Protein CDK12: Möglicher Angriffspunkt für verschiedene Tumorarten
Das Protein CDK12 ist seit kurzem als möglicher Angriffspunkt für verschiedene Tumorarten ins Blickfeld der Forschung gerückt. Für Darmkrebs wurde dieser Zusammenhang bislang nicht erforscht. Im Verbund mit Cyclin K reguliert CDK12 wichtige DNA-Reparaturmechanismen in Krebszellen. Wird der Cyclin K/CDK12-Komplex vermehrt abgebaut, kann dies dazu führen, dass Zellen DNA-Schäden anhäufen und absterben.
Abbau von Cyclin K und CDK12
Bei einem Teil der Darmkrebs-3D-Zellmodelle war die Inaktivierung von Cyclin K/CDK12 besonders wirksam. Diese wiesen genetische Veränderungen auf, die mit einer besonders schlechten Prognose und hohen Wahrscheinlichkeit für Metastasen verbunden sind (molekularer Subtyp 4). Weitere Zellexperimente zeigten, dass sich Cyclin K/CDK12 sehr spezifisch angreifen lässt, ohne dass andere Eiweißstoffe beeinflusst werden, deren Hemmung zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen kann. „Diese sehr spezifische Möglichkeit der Adressierung ist für uns von hoher Relevanz. Sie erhöht die Chance, dass klinisch anwendbare Substanzen, die den Abbau von Cyclin K und CDK12 auslösen, künftig bei einer klar definierten Gruppe von Betroffenen mit besonders schlechter Prognose hoch wirksam und gut verträglich sein könnten“, erklärt Prof. Glimm. Weitere Experimente deuteten zudem darauf hin, dass die Hemmung von CDK12 auch in Kombination mit in der Darmkrebs-Therapie gängigen Chemotherapeutika effektiv gegen das Tumorwachstum wirkt.
Molekulare Klebstoffe – Hohe Effektivität neuer Wirkstoffklasse
Die Forschenden fanden zudem heraus, dass es sich bei der im Zellexperiment erfolgreichen, bislang uncharakterisierten Substanz zur Cyclin K/CDK12-Inaktivierung um einen Wirkstoff aus der neuartigen Substanzklasse der molekularen Klebstoffe handelt. Molekulare Klebstoffe greifen Krebszellen über einen innovativen Mechanismus an: Anders als vorhandene Medikamente hemmen sie krebstreibende Strukturen oder deren Aktivität nicht direkt, sondern führen sie der zelleigenen Eiweißabbaumaschinerie zur Entsorgung zu.
Aus der Gruppe der molekularen Klebstoffe sind bislang nur wenige Vertreter bekannt. „Unsere neu entdeckte Substanz belegt erneut die hohe Effektivität dieser neuen Wirkstoffklasse. Wir gehen davon aus, dass sich in Zukunft mit molekularen Klebstoffen Zielstrukturen hemmen lassen, die mit bisherigen Medikamenten nicht angreifbar sind“, sagt Erstautor Dr. Sebastian Dieter. Künftig wollen die Wissenschaftler den neu entdeckten molekularen Klebstoff nach Möglichkeit so verändern, dass er als klinisch anwendbarer Wirkstoff genutzt werden kann. Alternativ sollen ähnliche Substanzen mit gleichem Wirkmechanismus erforscht werden.
Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden