Frauenärzte der GenoGyn fordern Maßnahmen gegen riskanten Alkoholkonsum
Krebsrisiken, Gesundheitsschäden und Milliardenkosten
23. Februar 2017
Beim Alkoholkonsum belegt Deutschland im weltweiten Vergleich stets Spitzenplätze: Rund zehn Liter reinen Alkohols werden hierzulande nach aktuellen Informationen des Bundesgesundheitsministeriums jedes Jahr pro Kopf getrunken und verursachen alljährlich volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 26,7 Milliarden Euro. „Obwohl Erkenntnisse über das Suchtpotenzial von Alkohol in der Gesellschaft inzwischen hinlänglich verbreitet sind, finden Bier, Wein und Hochprozentiges weiterhin oft unkritische Akzeptanz. Die Leberschädigung ausgenommen, werden gesundheitliche Folgen des Alkoholkonsums häufig ausgeblendet oder sind weniger bekannt. Dazu gehört auch ein erhöhtes Krebsrisiko“, sagt Dr. Jürgen Klinghammer, Vorstandsvorsitzender der Ärztlichen Genossenschaft GenoGyn. Als Frauenarzt ist er besonders alarmiert, dass viele Frauen selbst in der Schwangerschaft nicht auf Alkohol verzichten und ihre Kinder dadurch der Gefahr irreparabler Schädigungen aussetzen. Vor dem Hintergrund des drastischen Konsums, der schwerwiegenden Gesundheitsfolgen und des volkswirtschaftlichen Schadens fordert die GenoGyn die Politik auf, endlich nachhaltige Maßnahmen zur Reduzierung des riskanten Konsums der Volksdroge Nr. 1 auf den Weg zu bringen.
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Eindeutige Grenzwerte für einen risikoarmen Konsum von Alkohol gibt es nicht: Als Richtwerte haben sich für Männer jedoch maximal 20 bis 24 Gramm reinen Alkohols und für Frauen 10 bis 12 Gramm pro Tag etabliert, wobei mindestens zwei Tage pro Woche völlig alkoholfrei bleiben sollten. Wer beim Trinken die empfohlenen Richtwerte überschreitet betreibt riskanten Alkoholkonsum, der leicht in Abhängigkeit münden kann. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums konsumieren rund 9,5 Millionen Menschen in Deutschland Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Etwa 1,8 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig. Das Phänomen zieht sich durch alle Schichten der Gesellschaft. „Zum Beispiel stellen gutsituierte und gut ausgebildete Frauen mittleren Alters eine Risikogruppe dar“, so Dr. Klinghammer.
Die gesundheitlichen Folgen des schädlichen Alkoholkonsums, egal ob durch regelmäßiges Trinken in gewohnter Überdosierung oder durch sporadisches Rauschtrinken, sind vielfältig: Sie spannen sich von schweren körperlichen Einschränkungen bis zu psychischen Störungen. Steigender Blutdruck, Beeinträchtigungen des Nervensystems, des Gehirns und der Muskulatur, aber auch Veränderungen an Organen wie der Bauchspeicheldrüse oder der Leber sind als Folgen belegt. An der Leber kann sich dies durch Verfettung, chronische Entzündung, Zirrhose (Schrumpfleber) und schließlich auch Leberkrebs äußern.
Studien haben eindeutige Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und erhöhtem Krebsrisiko gezeigt. Dr. Klinghammer nennt etwa Tumorerkrankungen in Mund und Rachen, am Kehlkopf und an der Speiseröhre. Zudem sei festgestellt worden, dass auch Magen- und Darmkrebs sowie bei Frauen Brustkrebs durch Alkohol begünstigt werden. Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung hat errechnet, dass alkoholische Getränke für jede zehnte Krebsneuerkrankung bei Männern in Europa mitverantwortlich sind, bei Frauen für eine von 33. In Deutschland wird die Zahl der Todesfälle in Folge von Alkohol mit jährlich mindestens 74.000 beziffert.
Als besonders dramatisch betrachten die Frauenärzte der GenoGyn, dass in Deutschland jede fünfte Frau auch während der Schwangerschaft Alkohol trinkt, jede zwölfte Schwangere sogar im Bereich des riskanten Konsums. „Jedes Glas, das die Mutter konsumiert, muss ihr ungeborenes Kind mittrinken, denn Alkohol macht vor der Plazenta nicht halt“, warnt Dr. Klinghammer. Die vielfältigen Folgen können sich für die Kinder lebenslang in körperlichen Symptomen, psychischen Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und Lernstörungen auswirken. Medizin und Wissenschaft bezeichnen sie mit dem Begriff Fetale Alkohol Spektrum Störungen (FASD), hinter dem Fetales Alkoholsyndrom (FAS), alkoholbedingte neurologische Entwicklungsstörungen (ARND) und alkoholbedingte Geburtsfehler (ARBD) zusammenfasst werden. In Deutschland kommen nach Informationen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen jährlich geschätzt 3000 bis 4000 Neugeborene mit FASD zur Welt. Da die alkoholbedingten gesundheitlichen Schädigungen nicht immer frühzeitig diagnostiziert werden oder nur unauffällig ausgeprägt sind, wird von einer Dunkelziffer um die 10.000 ausgegangen. Alarmierend: Nach einer Umfrage von TNS Infratest im Jahr 2014 wussten nur 56 Prozent der Befragten, dass Alkohol in der Schwangerschaft zu lebenslangen schweren Behinderungen beim Kind führen kann.
Die Präventionsexperten der GenoGyn sehen nicht nur für die Intensivierung der Aufklärung über die Risiken des Alkoholkonsums erheblichen Bedarf. Zugleich fordern sie von der Politik, allen Konsum fördernden Faktoren entgegenzutreten. Wie für Tabak sollte auch Alkoholwerbung stärker eingeschränkt werden. Ebenso könnten unübersehbare Warnhinweise auf Flaschen und Getränkedosen sowie eine deutlich spürbare Verteuerung von Alkoholika durch höhere Steuern dazu beitragen, riskanten Alkoholkonsum und Alkoholmissbrauch zu drosseln. „Schon Gramm-Angaben zum enthaltenen reinen Alkohol auf Getränkeflaschen könnten den maßvollen Umgang erleichtern“, appelliert GenoGyn-Vorstand Dr. Klinghammer.