Darmkrebserkrankungen als Spätfolge der Corona-Pandemie?
Prof. Dr. Steffen Pistorius ist spezialisiert auf onkologische Darmerkrankungen und deren operative Behandlung. Er arbeitet eng mit dem Universitätsklinikum Dresden zusammen. Seit Beginn des Jahres schlägt Pistorius die Alarmglocke, denn er bemerkt einen klaren Trend bei der Häufigkeit der
Darmkrebserkrankungen, die eine Operation benötigen: „Unsere operativen Eingriffe steigen. Viele Operationen wären vermeidbar gewesen, wenn der Krebs eher erkannt worden wäre.“ Zwar sieht der Fachmann auch eine demografische Beeinflussung durch das gestiegene Alter der Patient:innen, aber die Versäumnisse während der
Corona-Pandemie tragen einen deutlichen Anteil daran.
Unerkannter Darmkrebs kann in 2 oder 3 Jahren kritisches Stadium erreichen
„Viele Menschen haben sich wegen der Corona-Pandemie nicht mehr aus dem Haus getraut und die Vorsorge- oder Kontrolltermine bewusst vernachlässigt“, so Pistorius und ergänzt: „Ein unerkannter Darmkrebs kann in 2 oder 3 Jahren ein kritisches Stadium erreichen. Dann hilft nur noch eine Operation; häufig hat der Darmkrebs dann auch bereits gestreut.“ Der Experte sieht rückblickend die Sorge vor einer Ansteckung mit Covid-19 bei vielen Patient:innen als einen Hauptgrund. „Allerdings war für manche die Pandemie ein willkommenes Alibi, nicht zur unbeliebten
Vorsorge- Darmspiegelung zu gehen“, vermutet der Experte.
Unbedingt beachten – Expertentipps bei der Arztwahl
Die Sorge sei allerdings unbegründet. „Die meisten Operationen führen wir heute minimalinvasiv durch. Die Narbe ist meist kaum noch zu sehen“, sagt Prof. Pistorius. Aber die neueste Technik im OP-Saal ist immer nur so gut wie die Person dahinter. Erfahrung hätte nicht die Technik, sondern die Ärzt:innen, die sie bedienten. „Holen Sie sich immer eine Zweitmeinung ein. Fragen Sie nach der Anzahl der bisherigen Operationen, nach der Erfahrung des Operateurs“, empfiehlt Prof. Pistorius.
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Junge Erwachsene und Darmkrebs
Erstaunt zeigt sich der Experte über die tendenziell steigende Zahl an
jungen Darmkrebspatient:innen. „Zunehmend müssen wir auch jüngere Patient:innen mit Darmkrebs operieren“, sagt Prof. Dr. Steffen Pistorius. Obwohl Darmkrebs bei Jüngeren seltener ist als bei Älteren, erfordern die Behandlung und das Management neben perfekten Operationstechniken häufig auch die Einleitung einer genetischen Beratung und Diagnostik, da in dieser Altersgruppe der Darmkrebs häufiger familiär auftritt und genetisch bedingt ist.
Operationstechnik und interdisziplinäres Management
„In den letzten Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der Behandlung von Darmkrebs erzielt“, fügt Pistorius an.
- Minimalinvasive Chirurgie: Sie hat in der chirurgischen Onkologie große Fortschritte gemacht. Statt eines großen Bauchschnitts werden mehrere kleine Schnitte durchgeführt, um eine Kamera und spezielle Instrumente einzuführen. Dies führt zu einer schnelleren Genesung, kürzeren Krankenhausaufenthalten und weniger postoperativen Komplikationen, insbesondere weniger Wundheilungsstörungen.
- Multidisziplinärer Ansatz: Die Behandlung von Darmkrebs erfordert häufig einen multidisziplinären Ansatz, bei dem verschiedene Fachgebiete wie onkologische Chirurgen und Internist:innen, Strahlentherapeut:innen und Gastroenterolog:innen zusammenarbeiten. Ein interdisziplinäres Team von Ärzt:innen entwickelt im gemeinsamen Tumorboard einen individualisierten Behandlungsplan für alle Patient:innen, der sowohl die besten chirurgischen Techniken als auch ggf. zusätzlich notwendige Therapien wie Chemotherapie, Antikörpertherapie oder Bestrahlung einschließt.
Darmkrebs – Risikofaktoren in der Ernährung
Viele klinische Studien sehen einen Zusammenhang zwischen bestimmten
Ernährungsgewohnheiten und einem erhöhten Risiko für Darmkrebs.
- Hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch: Der regelmäßige Verzehr von rotem Fleisch wie Rind, Schwein oder Lamm sowie von verarbeitetem Fleisch wie Wurstwaren, Speck und Aufschnitt kann das Darmkrebsrisiko erhöhen. Der hohe Gehalt an gesättigten Fettsäuren und die Entstehung von krebserregenden Substanzen bei der Zubereitung von Fleisch könnten hierbei eine Rolle spielen.
- Mangel an Ballaststoffen: Eine ballaststoffarme Ernährung, die arm an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten ist, kann das Risiko für Darmkrebs erhöhen. Ballaststoffe spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung einer gesunden Darmfunktion und der Verhinderung von Krebs.
- Übergewicht und Adipositas: Eine ungesunde Ernährung, die reich an Kalorien und Fett ist, kann zu Übergewicht und Adipositas führen. Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko für verschiedene Krebsarten, einschließlich Darmkrebs.
Die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung und Prävention: „Es ist wichtig zu betonen, dass eine einzelne Ernährungskomponente allein nicht die Ursache von Darmkrebs ist. Darmkrebs wird durch eine Kombination von Faktoren beeinflusst, zu denen neben der Ernährung auch genetische und Umweltfaktoren gehören. Dennoch ist eine ausgewogene Ernährung, die reich an Ballaststoffen, Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist und den Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch begrenzt, Teil einer gesunden Lebensweise und kann das Risiko für Darmkrebs verringern“, sagt Prof. Dr. Steffen Pistorius.
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