Was erwartet Sie in der dritten Folge der 2. Staffel des Podcasts O-Ton Onkologie?
Dies sind die
Highlights (Minuten:Sekunden)
- 02:55 Wie definiert man Integrative Medizin?
- 06:08 Warum fordern gerade Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren diese integrativen Angebote ein?
- 09:45 Wie können sich Mediziner:innen außerhalb des Medizinstudiums Wissen zur Integrativen Medizin aneignen?
- 13:07 Welche wissenschaftlich untermauerten positiven Aspekte werden für Brustkrebs und auch für andere gynäkologische Tumoren empfohlen?
- 18:34 Wie kann man die integrativen Behandlungskonzepte in den Klinik- oder Praxisalltag am besten einbinden?
- 24:28 Wie ist es in Deutschland um das Angebot komplementär-medizinischer Verfahren bestellt?
Hören Sie rein!
Shownotes zur Podcast-Folge „Integrative Medizin: Gynäkoonkologie“
Dieser Podcast ist eine Kooperation zwischen dem JOURNAL ONKOLOGIE und der Medical Tribune Onkologie/Hämatologie. Abonnieren Sie uns, wenn Ihnen der Podcast gefällt. Neue Folgen gibt es alle 14 Tage mittwochs.
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Transkript zur Podcastfolge „Integrative Medizin: Gynäkoonkologie“
(Es gilt das gesprochene Wort.)
O-Ton: Diese ganze Kneipp Medizin – das kommt ja aus Deutschland. Die anthroposophische Medizin kommt aus Deutschland. Wir haben hier die Pharmafirmen ansässig, die eben Phytotherapeutika, homöopathische Medikamente herstellen. Also, wir könnten eigentlich Vorreiter sein in ganz Europa für die komplementäre Medizin. Aber was machen wir? Wir schaffen es gerade wieder ab und zwingen ja dann auch wieder Patienten, sich anders zu orientieren, woanders hinzugehen. Die Menschen heute lassen sich nicht bevormunden und am besten ist, dass wir es anbieten in einem Gesamtkonzept.
Intro: O-Ton Onkologie – der Podcast für Mediziner:innen. Hier wird alles besprochen, was mit Krebs zu tun hat.
Antje Blum: Herzlich willkommen bei O-Ton Onkologie, dem Podcast für Mediziner:innen. Mein Name ist Antje Blum. Ich bin die Chefredakteurin des Journal Onkologie in Regensburg und mir digital zugeschaltet ist Dr. Astrid Heine, die stellvertretende Chefredakteurin. Hallo, Astrid.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Hallo, Antje!
Antje Blum: Moderne Krebstherapien bewirken heute, dass viele Patient:innen geheilt werden oder zumindest lange in Remission gehalten werden können. Viele, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen, haben ein großes Interesse daran, nicht nur die für sie bestmögliche Therapie zu erhalten, sondern aktiv weitere Maßnahmen zu ergreifen, um diese Zeit besser zu überstehen, um Langzeittoxizitäten möglichst zu vermeiden und natürlich auch, um den Wiedereinstieg in den Beruf hinterher gut zu schaffen.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Dieses Interesse, selbst dafür beizutragen, den Krebs zu überwinden, ist ja vor allem bei gynäkologischen Patientinnen sehr hoch. Daher waren und sind Entitäten wie Brustkrebs und Ovarialkarzinom sozusagen die Vorreiter für die evidenzbasierte integrative Medizin. Über dieses Thema wollen wir mit Dr. Daniela Paepke sprechen, die Oberärztin der Frauenklinik im Klinikum rechts der Isar und stellvertretende Vorsitzende der AGO Kommission Integrative Medizin der Deutschen Krebsgesellschaft ist: Herzlich willkommen bei O-Ton Onkologie! Frau Dr. Paepke, schön, dass Sie heute digital bei uns sind.
PD Dr. Daniela Paepke: Ja, hallo. Guten Morgen! Ich danke für die Einladung und freue mich auch, dass ich heute hier sein darf.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Liebe Frau Dr. Paepke, integrative Medizin ist ein breiter Begriff. Dass bei einer Krebserkrankung schulmedizinisch empfohlene Therapien unterlassen und stattdessen ominöse Kräuter aus dem Amazonas verwendet werden, ist ja vermutlich eher eine Ausnahme, denn die Patientinnen sind ja wirklich sehr interessiert und recherchieren auch sehr genau. Wie definiert man integrative Medizin und wie passen andere Begrifflichkeiten wie Komplementär-, Supportiv- oder Alternativmedizin da hinein oder eben nicht?
PD Dr. Daniela Paepke: Also, der Begriff der integrativen Onkologie hat ja eine zunehmende Verbreitung erfahren, ohne dass eigentlich immer klar ist, was damit gemeint ist. Integrative Medizin jetzt in Bezug auf die AWMF-Leitlinie oder WHO ist definiert als Best Practice von konventioneller und komplementärer Medizin und man versucht das zu einem sinnhaften Gesamtkonzept zusammenzufassen. Und damit reicht der Begriff über die konventionelle Medizin hinaus, und meint eben nicht nur die Hinzunahme einzelner komplementärer Methoden, sondern zielt eben darauf ab, dass man halt ein sinnhaftes Gesamtkonzept für die Patientinnen oder Patienten erstellt. Warum wählt man zudem den Begriff "integrativ"? Weil in dem Begriff der Komplementärmedizin jetzt im Englischen Complementary und Alternativ Medicine die Alternativmedizin mit drin ist. Und die Alternativmedizin möchte man eben nicht in Konkurrenz zur konventionellen Medizin sehen. Deswegen wird das in den Leitlinien abgelehnt – im Bereich der Onkologie. Und das sage ich noch mal ganz speziell. Und da ist es mir auch ganz wichtig, dass wir eben in der Onkologie integrativ arbeiten, weil da haben wir keine Alternative. Das ist jetzt anders, wenn ich eine Patientin sehe, die hat Hitzewallungen, sie hat einen Blaseninfekt oder auch eine Erkältung. Ja, natürlich kann ich da alternativ-medizinisch arbeiten, aber nicht in Bezug auf die Onkologie. Und für mich selbst bedeutet integrativ-medizinisch zu arbeiten und zu therapieren, dass ich mich eben auf den ganzen Menschen konzentriere. Und dadurch entsteht eben auch eine andere Patientin-Behandler-Beziehung, in der eben auch die therapeutische Beziehung eine ganz wichtige Rolle spielt. Das heißt, ich richte den Tumor ... ich richtet den Blick halt eben nicht nur auf den Tumor und seine Biologie, sondern eben auch auf den Menschen, in dem der Tumor entstanden ist. Und dann geht es darum, Lifestyle, Lifestyle-Veränderungen, die herbeigeführt werden sollen – was ja nicht einfach ist, das sein Leben einfach mal umzustellen. Es geht um eine heilsame Ernährung, um ein Zurückfinden in ein gesundes Gewicht. Es geht um Bewegung. Und es geht natürlich in der integrativen Onkologie auch um komplementär-medizinische Medikamente. Am besten da, wo man halt ein Level of Evidence haben. Das wäre zum Beispiel die Misteltherapie, um die Heilung zu unterstützen. Wir arbeiten bei uns in der Klinik sehr viel mit äußeren Anwendungen im Sinne der anthroposophischen Pflege oder der Kneipp Medizin. Und da kann man eben wunderbar diese Seite von "Pflege Vademecum" empfehlen, wo ganz viele gute Tipps enthalten sind zur äußeren Anwendung.
Antje Blum: Und was denken Sie, Frau Dr. Paepke, warum jetzt gerade Patientinnen mit – Patientinnen nicht gegendert –, mit gynäkologischen Tumoren diese integrativen Angebote einfordern? Also, gerade diese Patientengruppe?
PD Dr. Daniela Paepke: Viele Studien zeigen ja, dass gerade junge Patienten offen sind für die Komplementärmedizin. Und unsere Brustkrebspatienten sind zum Teil ja sehr jung. Also, ich habe Patienten sind gerade mal ein paar 20 Jahre alt. Dann weiß man, dass Frauen der Komplementärmedizin per se offener gegenüberstehen. Viele interessieren sich in der Schwangerschaft um die sanfte Medizin, kennen das auch bei ihren Kindern, das ja eher mit Globuli arbeiten wollen als mit der schulmedizinischen Therapie, was man auch mitunter machen kann. Und was ich aber noch mal ganz wichtig finde, dass es die gebildeten Frauen sind, die das einfordern. Junge, gebildete Frauen mit einem guten Verdienst, die auch auf ihre Lifestyle achten. Das sind die Frauen, die auch die Komplementärmedizin mit ins Boot haben wollen.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Wird denn im Medizinstudium ausreichend auf integrative Medizin eingegangen, damit die Patientinnen, die – wie sie eben erläutert haben – sehr an komplementär-medizinischen Verfahren interessiert sind, auf diesem Gebiet auch entsprechend unterstützt werden können.
PD Dr. Daniela Paepke: Nee, also, leider ist das nicht so. Es ist – also, aus meiner Erfahrung – genau das Gegenteil, dass man das Gefühl hat, es wird einem wirklich im Medizinstudium geradezu abtrainiert, den Menschen ganzheitlich anzuschauen. Und das war bei mir im Studium genauso... (Und bei mir...) Ich war ja früher Hebamme und habe natürlich auch schon ein bisschen anderen Background gehabt, ja. Habe auch als Hebamme in der Schweiz gearbeitet, wo ja die Naturheilkunde und die Medizin ganz anders betrieben wird, ja. Und mir war ab dem zweiten Semester ganz klar: Also, so werde ich als Arzt nicht arbeiten. Die Schulmedizin ist wichtig und die habe ich auch gelernt – ich bin ja auch an der Universität –, aber ich wollte zudem mich eben naturheilkundlich ausbilden lassen, habe dann komplett mein ganzes Studium über eine anthroposophische Ausbildung gemacht in der Medizin, dann während meiner Facharztausbildung die klassische Naturheilverfahren und habe die Ausbildung in der Homöopathie und jetzt auch noch die Zusatzbezeichnung für die Ernährungsmedizin, weil dann ergibt es eben ein ganzes Bild. Was ich ganz traurig finde: Es gibt wirklich Studien, die zeigen, dass die Empathiefähigkeit (der Medizin zu...) der Medizinstudenten während des Studiums abnimmt. Und das liegt komplett an unserem Medizinsystem, an dem Arbeitsdruck, an der Arbeitsbelastung, sodass man ja (gar...) kaum noch Zeit hat, sich wirklich mal empathisch offen einem Patienten gegenüber zu nähern. Und das ist wirklich ganz traurig.
Antje Blum: Ja, es hat sicher auch so ein bisschen mit Selbstschutz zu tun, dass sich Ärzte ein bisschen abgrenzen müssen (von ihren..) von dem Leid der Patienten.
PD Dr. Daniela Paepke: Ich glaube, das ist es gar nicht. Ich glaube, das ist wirklich – wissen Sie –, wenn ich halt einfach nur zehn Minuten für ein Gespräch habe, dann ist es natürlich schwieriger und ich muss in zehn Minuten den Patienten sozusagen durchschleusen. Aber wenn ich jetzt mal eine halbe Stunde, 3/4 Stunde Zeit habe, mal wirklich zuzuhören: Was bewegt den Patienten? (Und dann kann ich auch...) Da werde ich auch mir gerecht. Es ist ja nicht so, dass ich sage, wir werden dem Patienten nicht gerecht. Wir werden uns Ärzten auch nicht mehr gerecht – durch diese hohe Arbeitsbelastung.
Antje Blum: Wie können sich denn Mediziner:innen und Onkolog:innen dann zumindest später – also außerhalb des Medizinstudiums – das Wissen aneignen für die integrative Medizin, um dann auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen?
PD Dr. Daniela Paepke: Also im Prinzip muss man sich erst selbst organisieren, so wie ich das auch gemacht habe. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich ausbilden zu lassen. Das macht man dann in seiner Freizeit. Das ist natürlich zeit und kostenintensiv (, dass...).Daran hapert es natürlich auch bei einigen. Und da gibt es mehrere Möglichkeiten, wo man sagt, "Okay, ich kann jetzt erst mal einen Kneipp in den klassischen Naturheilverfahren machen." Ich kann sagen, "Ich interessiere mich für die anthroposophische Medizin." Da gibt es ein ganzes Curriculum. Die klassische Homöopathie gab es auch über die Ärztekammer mit Prüfung. Das ist ja gerade die Diskussion, ob man das abschaffen wird oder nicht. Was ich sehr traurig finde. Und wenn man sagt, "Okay, ich möchte jetzt einfach mal einen Überblick verschaffen." Dann gibt es von der AGO Kommission Integrative Medizin seit drei Jahren einen Zertifizierungskurs. Da gibt es ein sehr breites e-Learning-Programm. Also man kann das wirklich im Homeoffice zu Hause machen und hat dann drei Wochenende in Essen an der Klinik in Präsenz und hat dann eben einen Einblick in die Integrativ-Onkologie. Das ist ein sehr schöner Kurs. Da bin ich als Referentin dabei, habe ihn aber auch selbst durchlaufen. Und dann hat man mal einen Einblick, was gibt es überhaupt? Und kann sich dann noch mal überlegen: "Okay, möchte ich vielleicht lieber in Richtung Akupunktur? Will ich da einen TCM-Master machen?" Also (was?...) wo liegt auch meine Interessensschwerpunkt?
Antje Blum: Können Sie noch mal kurz definieren, was anthroposophische Medizin beinhaltet?
PD Dr. Daniela Paepke: Das ist im Prinzip ähnlich, (wie man...) wie man die ganze traditionelle Chinesische Medizin sehen würde. Das ist ein Teil, da geht es um Lebensführung, Achtsamkeit auch, ja, die Heileurythmie, was ja ähnlich ist wie die Qigong, ja. Es geht um Ernährung, es geht um Kunsttherapien, aber eben auch um Medikamente, (die halt eben in die...) also wo man halt einfach sagen muss, das sind Medikamente... (, klar, da kann ich sagen...) Ich gebe Arnika beim Bluterguss, ich gebe dir Kalendula einer eitrigen Entzündung. Da gibt es auch so Standard-Medikamente oder die Misteltherapie jetzt bei Krebs. Aber alle anderen Medikamente sind schon so, dass man den Patienten wirklich ganzheitlich betrachten muss mit einer ausführlicheren Anamnese und dann eben den Menschen damit therapiert. Das hat also auch ein bisschen die Philosophie dahinter, an der stören sich einige. Was ich auch verstehen kann. Es nicht so einfach, Steiner zu lesen und zu verstehen. Also von daher...
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Sie sagten, dass im Medizinstudium ja leider die integrative Medizin kaum gelehrt wird und dass Mediziner:innen sich selbst um die Weiterbildung in diesem Bereich kümmern müssen. In den Leitlinien sind komplementäre Verfahren – beispielsweise bei Brustkrebs – durchaus schon längere Zeit enthalten, denn es hat sich gezeigt, dass begleitende Therapien wie Sportprogramme und Ernährungskonzepte zusätzlich zu einer Krebstherapie die Lebensqualität und möglicherweise den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Welche wissenschaftlich untermauerten positiven Aspekte werden für Brustkrebs und auch für andere gynäkologische Tumoren denn empfohlen?
PD Dr. Daniela Paepke: Genau. Also, es gibt ja in der AGO-Leitlinien oder AGO-Empfehlungen Mamma. Da ist wirklich ein kleines Kapitel zur komplementären Medizin mit drin. (Und da sieht man halt eben auch...) Das ist ja den Patientinnen geschuldet, die einfach das einfordern. Das finden Sie jetzt nicht in den Empfehlungen, bei den Urologen zum Beispiel. Neu ist die S-3-Leitlinie zur Komplementärmedizin. Da wird über alle Tumorarten Empfehlungen ausgesprochen oder auch Kann-Empfehlungen. Das ist relativ neu. Die gibt es seit letztem Jahr. Da bin ich auch sehr dankbar, dass sich da die Kollegen zusammengefunden haben. Ja, was sagt die AGO Mamma? (Die...) Wir haben wunderbare Studien zur Sportstherapie und da gibt es einen Level of Evidence von 1A, dass die Patientin mit Brustkrebs zur Rezidiv-Prävention und auch zur Verbesserung des Gesamttüberlebens 5-mal die Woche Sport machen sollen. (So, und das halt ist eben...) Das sage ich einen Patienten auch, aber ich guck halt auch auf mich selbst. Ich mache gerne Sport. Mache ich 5-mal die Woche Sport? Nein, schaffe ich nicht, ja... Und das finde ich auch immer ganz schwierig, dass man auch irgendwo gucken muss, wo bleibt es realistisch (...ja)? Und dass man dann natürlich auch mit der Patientin wirklich ins Gespräch gehen muss. Was heißt denn Sport (...ja)? Und wenn Sie sich die Studienlage angucken, dann reicht das, dass man sagt, 5-mal die Woche, eine halbe Stunde einen flotten Spaziergang. Und wenn es geht, bitte 2-mal die Woche Physiotherapie oder (halt, das sage ich denen, ...) melden Sie sich im Fitnessstudio an, machen Sie ein so ein Zirkeltraining – das eine halbe Stunde. Und das ist ausreichend, mehr braucht es nicht. Und da ist halt auch das Gespräch nötig, um rauszufinden, wo steht die Patientin, was kann ich ihr empfehlen? Wissen Sie: Wenn ich ja einer 60-jährigen Frau, die vom Dorf kommt, sage, Sie müssen jetzt Yoga machen, weil die Daten für Yoga sind. (Dann...) Dann fragt die mich, Sie spinnen ja, wie soll ich eine Yoga-Kerze hinkriegen, wenn ich 80 Kilo wiege (...ja)? Und da finde ich schon auch, da muss man einfach die Frau angucken und das braucht Zeit (...ja), Erfahrung und auch das ist in der Diag-chie(Therapie???) halt nicht abgebildet, diese Art von Gesprächen. Und deswegen kommen die Patienten zu mir. Ich bespreche das mit jeder Patientin und fast alle Patienten sagen mir, "Das hat mir noch keiner gesagt."
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Das hätte ich Sie jetzt nämlich sowieso gefragt. Was verstehen Sie genau unter 5-mal Sport? Aber 5 flotte Spaziergänge mache ich natürlich mit Hund.
PD Dr. Daniela Paepke: Obwohl man sagen muss, man darf halt eben auch das Krafttraining nicht (...ja...) aus den Augen lassen. Also, ich fand es ganz spannend: wir haben jetzt neu eine BIA-Waage – eine Bio-Impedance-Analyse-Waage – bekommen, und wir haben uns einfach alle mal so draufgelegt und wir waren wirklich erstaunt, wie schnell man in so eine Sarkopenis kommt (...ja). Und das ist eben dieser Muskelschwund, den wir alle im Alter haben (...ja). Und das weiß man eben auch, vor allen Dingen auch bei Ovarialkarzinom (...ja), dass Patientinnen, die gut in der Muskulatur sind, also die wirklich trainiert sind, die keine Sarkopenie haben, vertragen die Therapien besser und Leben länger. Und wenn man Patienten eben auf so eine Waage liegt (und ich bin auch...) Das haben wir über (die...) eine Stiftung bekommen (...Gelder). Ich bin da wahnsinnig dankbar, weil da kann man wirklich visualisieren und sagen: "Gucken Sie mal, da ist zu viel Fett, da ist zu wenig Muskulatur. Versuchen Sie mit dem Gewicht ein bisschen runterzugehen und gehen Sie wirklich ins Kraftstudio und machen 2-mal die Woche Krafttraining, um eben gegen die Sarkopenie zu wirken." Aber das sind halt alles Angebote, die muss man einfach haben. Und wie gesagt, wir haben jetzt diese Waage über eine Stiftung bekommen. Die hat halt auch nicht jeder Arzt. Nicht jeder Arzt ist ausgebildet, eine Ernährungsberatung durchzuführen, und nicht jeder Arzt hat halt Zeit, diese Gespräche mit den Patienten zu führen.
Antje Blum: Sie haben ja schon kurz erwähnt, (dass...) wie schwierig es ist, Gewohnheiten zu ändern. Wie kann das gelingen? Also, was sagen Sie den Patient:innen?
PD Dr. Daniela Paepke: Also im Prinzip (sage ich den wirklich...), ich zeig denen (die...) die Daten, (Und ich glaube...) (wenn man...) (wissen, Sie...) (Und ich sagen...) so wie wir Daten zur Chemotherapie haben (...ja), (wie...) die Überlebensbenefit von 5%, 7%, 15% (...ja), haben wir Daten? Das kann man visualisieren, die habe ich bei mir auf dem Computer und sage: "Gucken Sie mal: Wenn Sie 5-mal die Woche Sport machen, haben wir einen Überlebensvorteil von fast 50%. Das bringt keine Chemotherapie. Und wenn Sie dann gesund sich ernähren (...ja): über die gesunde Ernährung, Nikotinabstinenz, wenig Alkohol, wenig tierische Fette. Also man muss denen wirklich auch genau sagen, was ist denn eine mediterrane Ernährung? Es gibt Patienten, die versteht unter einer mediterranen Ernährung: Ich nehme Olivenöl und trink abends ein Glas Wein (...ja). (Tatsäch... ist so) Und da muss man sich nur wundern. Und mittlerweile mache ich bei all meinen Patienten wirklich eine ganz adäquate Ernährungsberatung, eine Bewegung- und Sportberatung und zeige das denen am Computer, damit die wirklich die Daten sehen, wo die auch verstehen, wenn die schwer übergewichtig sind, wirkt eine Chemotherapie oder eine antihormonelle Therapie weniger. Und dann sind sie auch dankbar.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Wie kann man jetzt die integrativen Behandlungskonzepte in den Klinik- oder Praxisalltag am besten einbinden? Wird die schon erwähnte Misteltherapie besonders häufig eingesetzt oder gibt es auch noch andere Verfahren, die genauso belegt sind?
PD Dr. Daniela Paepke: Absolut, absolut. Also, bei uns ist es so, dass im Prinzip jede Patientin, die bei uns in der Klinik behandelt wird, kann zu mir in die Sprechstunde kommen. (Wird entweder...) Wir haben hier Flyer oder ich sehe die auch schon, wenn ich die im Brustzentrum die Erstdiagnose stelle – ich bioptiere ja auch. Oder Kollegen aus München schicken mir halt Patienten auch gezielt in die Sprechstunde zu. Dann gucke ich erst mal, hat die Patientin schon eine Therapie und wenn ja, wie verträgt sich die? Also, hat die ganz spezielle Fragen in Bezug auf die Nebenwirkungen. Und dann konzentriere ich mich darauf. Aber die meisten Patientinnen kommen zu mir vor Beginn der Chemotherapie und sagen: "Okay, ich habe Angst vor der Chemotherapie. Was kann ich tun, um besser durchzukommen?" Das ist mir natürlich am liebsten, weil man von Anfang an damit arbeiten kann. Und deswegen finde ich es auch so wichtig, dass wir Ärzte oder auch die Onkologen das anbieten, weil ich weiß, (okay...), was ist die Nebenwirkung unter Paclitaxel, was wird die Nebenwirkung sein unter Cyclophosphamid? Und dann kriegt die für jeden Zyklus, für jede Chemotherapie einen neuen Behandlungsplan von mir. Dass ich halt sage: Okay, (was bei der Pulne...) beim Paclitaxel habe ich die Polyneuropathie – also kriegt sie Empfehlungen zur Verhinderung der Polyneuropathie (...ne). Beim Capecitabin haben wir das Hand-Fuß-Syndrom und da kriegt sie halt Empfehlungen, wie kann ich ein Hald-Fuß-Syndrom versuchen zu verhindern? (Und ja...) Noch mal zur Mistel: Ich arbeite sehr viel mit der Mistel. Also, fast alle meine Patienten haben eine Misteltherapie. Einfach weil wir wahnsinnig gute Evidenz haben – Level of Evidence von 1a. Es ist in der AGO Mamma-Empfehlung abgebildet. Es ist in der S3-Leitlinie abgebildet. Also, da ist man schon mal rechtlich auf der sicheren Seite. Und ich arbeite seit 20 Jahren mit der Misteltherapie und habe einfach unglaublich gute Erfahrungen. Und es gibt von den verschiedenen Herstellern Mistel-Seminare, wo man sich einfach weiterbilden kann, wie ich einfach eine Misteltherapie anwende. Dann versuche ich halt immer zu gucken, hat eine Patientin Vitamin D-Mangel? Das habe ich gesehen, das haben wirklich fast alle meine Krebspatienten. Dann wird der Vitamin D-Mangel verifiziert und dann substituiere ich. Und dann guck ich halt, was hat die Patientin? Hat die Schlafstörungen? Hat die Hitzewallungen? Hat die Gelenkbeschwerden? Und dann würde man eben aus dem Bereich der äußeren Anwendungen, aus dem Bereich von Lifestyle-Änderung, aber auch aus dem Bereich der Phytotherapie und der Homöopathie dann ganz gezielt therapieren.
Antje Blum: Ja, wie sieht denn die ambulante Nachsorge für die Patientin nach Abschluss ihrer Therapie aus?
PD Dr. Daniela Paepke: Ja, da ist es so, dass die Patientin, wenn die dann bei uns die Strahlentherapie dann auch abgeschlossen hat – also Chemotherapie, Operation, Strahlentherapie –, geht die wieder zurück zu den niedergelassenen Frauenärzte-Hausärzten, die ja auch während der Behandlung mit eingebunden waren. Und dann ist es tatsächlich so und da sind auch viele Patienten natürlich dann traurig, weil dann fallen die auch aus meiner Sprechstunde raus. Ich kann keine Nachsorge-Patienten mit aufnehmen, weil das würde ich einfach von der Kapazität nicht schaffen. Und die wenigsten niedergelassenen Ärzte bieten halt eine integrative Behandlung an, obwohl es ja auch da Sinn machen würde, in der Nachsorge das wieder mit einzubinden. Auch da ist halt einfach Bedarf an Ausbildung. Und das andere ist, dass die Patienten das draußen eben als IGEL-Leistung in Anspruch nehmen müssen, weil die Ärzte das halt auch nicht vergütet bekommen. Das muss man auch sagen. Auch da müsste sich eigentlich was ändern.
Antje Blum: Ja, also, die Ressourcen sind sehr knapp. Wenn Sie sich jetzt etwas wünschen könnten – in dem jetzigen Medizinbetrieb –, was wäre das in Bezug auf die integrative Medizin?
PD Dr. Daniela Paepke: Also da würde ich mir schon mal wünschen, dass es im Studium mit dazu ist, dass also Studenten genau auch darin ausgebildet werden. Dann, dass man eben als Arzt – oder auch die Schwestern haben ja auch zum Teil eine gute Ausbildung –, dass man einfach mehr Zeit hat, um alle diese Themen mit dem Patienten in Ruhe zu besprechen, damit man einfach den Bedürfnissen der Patienten gerecht wird. Aber auch, dass wir uns Ärzte oder die Pflege sich wieder gerecht wird (...ja), weil das ist ja auch nicht gegeben. Dann würde ich mir wünschen, dass (...ja...) unser Gesundheitssystem einfach die sprechende Medizin aufwertet und dann auch besser vergütet wird. Und man sollte meiner Meinung nach die komplementäre Medizin oder die integrative Medizin fest in jedes onkologische Zentrum verankern, zum Wohle der Patienten. Und dann müssten diese Therapien, die ja ein gutes Level of Evidenz haben – so wie zum Beispiel jetzt eben die Misteltherapie –, müssten dann auch von den Krankenkassen ganz klar getragen werden. Und das andere – das hören die Patienten nicht so gerne –, dass ich auch der Meinung bin, man muss die Patienten auch mehr wieder in die eigene Verantwortung nehmen. Dass man schon sagt, also, Sport und gesunde Ernährung und Lifestyle, das ist halt ihre eigene Verantwortung und das müssen sie leisten.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Weil die Patienten wollen ja eigentlich Komplementärmedizin – so wie ich das sehe. Und dann ist es ja so, dass viele Patientinnen das auch nutzen, ohne dem Arzt/der Ärztin Bescheid zu geben. Kann man denn sagen, dass es in Deutschland schon (...ja...) besonders schlecht bestellt ist um komplementär-medizinische Verfahren? Sind wir da so ein bisschen im Hintertreffen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern oder im Vergleich zu USA?
PD Dr. Daniela Paepke: Nein, das glaube ich nicht. Also, jetzt im Vergleich zu der Schweiz: Ja. In der Schweiz wird das ganz klar über die Krankenkassen vergütet. Aber in der Schweiz hat man per se mehr Zeit für Patienten, auch für Patientengespräche. Das ist auch ein Grund, warum ich ab Januar in der Schweiz arbeiten werde. Da wird es einem als Arzt einfach einfacher gemacht, wirklich noch Patienten-gerecht und Arzt-gerecht zu arbeiten. Aber wenn wir jetzt mal in die skandinavischen Ländern blicken, da ist die Komplementärmedizin gar nicht verankert. Ich habe vor Jahren einen Vortrag gehalten in Belgien, die wussten überhaupt nicht, wovon ich rede. Das fand ich ganz spannend. Also, es ist schon sehr in Deutschland verankert, in der Schweiz verankert, auch noch Österreich. Und die USA, da lebt halt auch so ein bisschen (die...) die Komplementärmedizin, aber das ist mehr dann MBSR, eher auch so ein bisschen TCM Medizin. Ich würde nicht sagen, dass sie viel weiter sind als wir hier in Deutschland. Also, wir haben ja auch – wissen Sie – diese ganze Kneipp-Medizin. Das kommt ja aus Deutschland (...ne). Die Homöopathie kommt aus Deutschland, die anthroposophische Medizin kommt aus Deutschland. Wir haben hier die Pharmafirmen ansässig, die eben Phytotherapeutika, homöopathische Medikamente herstellen. Also, wir könnten eigentlich Vorreiter sein in ganz Europa für die komplementäre Medizin. Aber was machen wir? Wir schaffen es gerade wieder ab und zwingen ja dann auch wieder Patienten, sich anders zu orientieren, woanders hinzugehen (...ja). (Dann...) Ich habe zum Teil Patienten gehabt, die waren im Amazonas und waren dort mit irgendwelchen Heiler verbunden. Und das passiert halt, wenn wir den Patienten eben nichts an die Hand geben. Die Menschen heute lassen sich nicht bevormunden. Wenn die eine integrative, eine komplementäre Medizin wollen, dann suchen die sich's. Und am besten ist, dass wir es anbieten in einem Gesamtkonzept, so wie das bei uns im Klinikum rechts der Isar eben gemacht wird. (Dann muss...) Von meinen Patienten muss niemand in den Amazonas fliegen. Die muss auch nicht einen Heilpraktiker aufsuchen, sondern die haben alles, was sie brauchen, kriegen die bei uns am Zentrum. Und so sollte es eigentlich wirklich sein.
Antje Blum: Ja, vielen Dank (...also...) für diese Anregungen. Für die Politik auch.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Sehe ich auch so.
Antje Blum: Jetzt, Frau Dr. Pape, sind Sie ja zu Gast in einem Podcast und ich komme zu meiner Abschlussfrage: Hören Sie denn selber Podcasts und wenn ja, welche?
PD Dr. Daniela Paepke: Also, ehrlich gesagt habe ich bisher noch keinen gehört, (weil ich einfach...) das ist eine Zeitfrage (und dann...), ich lese einfach. Ich bin, glaube ich, die Generation, die halt Bücher liest. Aber ich weiß, dass meine Kinder wahnsinnig viele Podcasts hören und auch viele Informationen über YouTube und so sich holen. Aber ich glaube, (das ja...) da muss ich mich nochmal ein bisschen schlauer machen, weil das hat jetzt auch wahnsinnig viel Spaß gemacht. Und ich könnte mir schon vorstellen, dass ich das zum Anlass nehme, in Zukunft eben auch mal mehr Podcasts anzuhören.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Vielen Dank, Frau Dr. Paepke, für das interessante Gespräch. Wir bedanken uns ganz herzlich, dass Sie heute bei uns waren. Bis zum nächsten Mal!
Antje Blum: Bis zum nächsten Mal! Liebe Hörer:innen, dieser Podcast ist eine Kooperation zwischen dem Journal Onkologie und der Medical Tribune Onkologie/Hämatologie. Abonnieren Sie uns, wenn Ihnen der Podcast gefällt. Neue Folgen gibt es alle 14 Tage mittwochs. Schreiben Sie uns auch gerne Ihre Kommentare und Themenvorschläge. An O-Ton-Onkologie@MedTriX.Group. Den Link finden Sie auch noch mal in den Shownotes.
Dr. med. vet. Astrid Heinl: Besuchen Sie auch unsere Seite www.journalonkologie.de und registrieren Sie sich kostenlos für unseren Newsletter. Dann verpassen Sie auch nicht die nächste aktuelle Ausgabe von Journal Onkologie.
Outro: Das war O-Ton Onkologie, der Podcast für Mediziner:innen. Dieser Podcast dient ausschließlich der neutralen Information bzw. Fortbildung und richtet sich primär an Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinstudierenden.