Journal Onkologie
SCLC
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Was ist ein SCLC?

Das SCLC ist eine hochaggressive Form des Lungenkrebses und macht etwa 13–15% aller Lungenkrebserkrankungen aus. Es zeichnet sich durch ein rasches Tumorwachstum und eine frühe Metastasierung aus. Zum Zeitpunkt der Diagnose befinden sich mehr als zwei Drittel der Patient:innen bereits in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Histologisch besteht SCLC aus kleinen, ovalen Zellen mit spärlichem Zytoplasma und dichtem Chromatin. Obwohl das SCLC initial gut auf eine Kombinationstherapie aus Chemotherapie und/oder Strahlentherapie anspricht, kommt es nahezu immer zu einem Rückfall, da die Erkrankung rasch Resistenzen entwickelt. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt unter 7% [1].

Subtypen des SCLC

Das SCLC wird histologisch in zwei Hauptformen unterteilt [2]:

  • Reines kleinzelliges Karzinom: Besteht ausschließlich aus kleinzelligen Tumorzellen.

  • Kombiniertes kleinzelliges Karzinom (c-SCLC): Enthält neben kleinzelligen Komponenten auch Anteile von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), wie z. B. Adenokarzinom oder Plattenepithelkarzinom .

Neuere molekulare Studien haben jedoch vier distinkte Subtypen von SCLC identifiziert, die auf der Expression spezifischer Transkriptionsfaktoren basieren [2]:

  • SCLC-A (ASCL1-dominant): Zeigt eine hohe Expression von ASCL1, einem Transkriptionsfaktor, der mit neuroendokriner Differenzierung assoziiert ist.

  • SCLC-N (NEUROD1-dominant): Charakterisiert durch eine dominante Expression von NEUROD1, ebenfalls verbunden mit neuroendokrinen Eigenschaften.

  • SCLC-P (POU2F3-dominant): Weist eine hohe Expression von POU2F3 auf, einem Marker für tuftzellähnliche Eigenschaften.

  • SCLC-Y (YAP1-dominant): Definiert durch eine dominante Expression von YAP1, einem Transkriptionsfaktor, der mit nicht-neuroendokrinen Eigenschaften assoziiert ist.

Diese molekularen Subtypen zeigen unterschiedliche biologische Merkmale und könnten zukünftig eine personalisierte Therapie ermöglichen. Derzeit werden sie jedoch in klinischen Leitlinien noch nicht berücksichtigt.

Das kleinzellige Lungenkarzinom unterscheidet sich vom NSCLC durch folgende Merkmale [3]:

  • Wachstumsgeschwindigkeit: Das SCLC wächst in der Regel schneller als NSCLC.

  • Metastasierung: Das SCLC neigt zu einer frühzeitigen und schnellen Ausbreitung auf andere Organe.

  • Therapieansprechen: Das SCLC spricht initial gut auf Chemotherapie und Strahlentherapie an, zeigt jedoch häufig schnelle Rückfälle.

  • Paraneoplastische Syndrome: Das SCLC ist häufiger mit paraneoplastischen Syndromen assoziiert, wie z. B. dem SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) oder dem Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom.

Wie entsteht das SCLC?

Das SCLC entsteht primär aus pulmonalen neuroendokrinen Zellen (PNECs), die entlang der Atemwege in sogenannten neuroepithelialen Körperchen (NEBs) lokalisiert sind. Diese Zellen sind durch die Expression spezifischer neuroendokriner Marker wie ASCL1, NCAM1 und CGRP charakterisiert [1].

In genetischen Mausmodellen wurde gezeigt, dass die gleichzeitige Inaktivierung der Tumorsuppressorgene TP53 und RB1 in PNECs effizient zur Entwicklung von SCLC führt. Interessanterweise können auch alveoläre Typ-2-Zellen (AT2-Zellen), die normalerweise für die Produktion von Surfactant verantwortlich sind, unter bestimmten genetischen Bedingungen (Verlust von TP53 und RB1) in SCLC transformieren, wenn auch mit geringerer Effizienz [1].

Chronische entzündliche Prozesse, wie sie beispielsweise bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) auftreten, können das Risiko für die Entwicklung von SCLC erhöhen. Entzündungsbedingte Veränderungen im Lungenmikromilieu fördern die Tumorentstehung und -progression [4].

Was sind die Risikofaktoren für ein SCLC?

Das Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, wird durch folgende Faktoren erhöht [5]:

  • Rauchen, auch Passivrauchen

  • Inhalation von Dämpfen („vaping“) aus elektronischen Zigaretten mit Flüssigkeiten, die chemische Karzinogene wie Acetaldehyd und Formaldehyd enthalten

  • Ionisierende Strahlen (hohe Umwelt-Radonbelastung, Uranbergbau, medizinische Strahlenexposition)

  • Feinstaub

  • Dieselmotorabgase

  • Asbest

  • Quarzstäube

  • chronische Infektionen

  • Personen mit einer positiven Lungenkrebs-Anamnese bei einem oder mehreren Verwandten ersten Grades haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko

Welche Symptome treten bei einem SCLC auf?

Etwa 10% der SCLC-Fälle werden zufällig bei bildgebenden Untersuchungen wie Thorax-Röntgen oder CT entdeckt, ohne dass zuvor Symptome aufgetreten sind. Diese Zufallsdiagnosen betreffen häufiger das NSCLC sind aber auch bei SCLC möglich. Die meisten Patient:innen berichten über Symptome, die weniger als 12 Wochen vor der Diagnosestellung aufgetreten sind. Typischerweise liegt die Symptomdauer zwischen 8 und 12 Wochen [6].

Lokal Tumor-bedingt [5]:

  • Husten

  • Dyspnoe

  • Thoraxschmerzen

  • Abhusten von Blut

  • Dysphagie

  • Pfeifendes Geräusch beim Einatmen

  • Heiserkeit

  • Armschwäche

  • Horner Syndrom

Metastasen-bedingt [5]:

  • Schmerzen, z.B. Knochen- und Kopfschmerzen

  • Schwindel, Kopfschmerzen, neurologische Ausfälle, Verwirrtheit, Krampfanfälle

  • Lymphknotenschwellung (supraklavikulär)

  • Ikterus

Allgemein [5]:

  • Gewichtsverlust

  • Schwäche

  • Fieber

  • Nachtschweiß

Paraneoplastische Syndrome

Wichtige Syndrome, die im Rahmen eines SCLC auftreten können [7]:

  • Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH): Das SIADH tritt bei etwa 10% der SCLC-Patient:innen auf. Es resultiert aus einer übermäßigen Produktion von antidiuretischem Hormon (ADH) durch den Tumor, was zu einer Wasserretention und Hyponatriämie führt. Klinisch äußert sich dies in Symptomen wie Übelkeit, Verwirrtheit und Krampfanfällen.

  • Ektopes ACTH-Syndrom (Cushing-Syndrom): Bei etwa 2–5% der SCLC-Patient:innen produziert der Tumor adrenokortikotropes Hormon (ACTH), was zu einem Cushing-Syndrom führt. Die Symptome umfassen Gewichtszunahme, Hypertonie und Muskelschwäche.

  • Hyperkalzämie:Obwohl häufiger bei anderen Lungenkarzinomen, kann Hyperkalzämie auch bei SCLC auftreten. Sie entsteht durch die Produktion von parathormonähnlichem Peptid (PTHrP) durch den Tumor und führt zu Symptomen wie Müdigkeit, Übelkeit und Verwirrtheit.

  • Lambert-Eaton-Myasthenisches Syndrom (LEMS): LEMS tritt bei etwa 3% der SCLC-Patient:innen auf. Es handelt sich um eine autoimmune Störung, bei der Antikörper gegen präsynaptische Kalziumkanäle gebildet werden, was zu Muskelschwäche, insbesondere in den unteren Extremitäten, führt.

  • Hypertrophe Osteoarthropathie (Marie-Bamberger-Syndrom):Obwohl häufiger bei nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, kann diese Erkrankung auch bei SCLC auftreten. Sie ist durch periostale Knochenneubildungen und Gelenkschmerzen gekennzeichnet.

  • Trommelschlegelfinger: Die Prävalenz von Trommelschlegelfingern bei SCLC-Patient:innen liegt unter 1%. Bei Erwachsenen sind sie in über 80 % der Fälle auf eine bösartige Grunderkrankung zurückzuführen. Sie können in allen Tumorstadien auftreten und sind häufiger als die hypertrophe Osteoarthropathie (HPO).

  • Andere Neuropathien: Bis zu 5% der Patient:innen leiden an anderen Neuropathien.

Wie wird ein SCLC diagnostiziert?

Bildgebende Verfahren [5]:

  • Computertomographie (CT): Eine kontrastverstärkte CT des Thorax ist der erste Schritt zur Beurteilung von Tumorgröße, -lokalisation und Lymphknotenbefall.

  • Positronen-Emissions-Tomographie (PET-CT): Wird zur Beurteilung der metabolischen Aktivität des Tumors und zur Detektion von Fernmetastasen eingesetzt.

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Empfohlen bei Verdacht auf Hirnmetastasen oder bei neurologischen Symptomen.

Gewebegewinnung und histologische Sicherung [5]:

  • Bronchoskopie: Ermöglicht die direkte Inspektion der Atemwege und die Entnahme von Gewebeproben.

  • Endobronchialer Ultraschall (EBUS): Wird zur gezielten Biopsie von mediastinalen Lymphknoten verwendet.

  • Transthorakale Nadelbiopsie: Wird bei peripher gelegenen Tumoren unter CT-Kontrolle durchgeführt.

Zytologische Untersuchungen [5]:

  • Sputumzytologie: Kann bei zentral gelegenen Tumoren hilfreich sein, hat jedoch eine geringere Sensitivität im Vergleich zu Biopsien.

Immunhistochemische Marker [5]:

  • Zur Bestätigung der Diagnose SCLC sollten mindestens zwei neuroendokrine Marker wie TTF-1, CD56, Synaptophysin oder Chromogranin positiv sein. Die Proliferationsrate (Ki-67) liegt typischerweise über 70%.

In welche Stadien wird das SCLC eingeteilt?

Zur Diagnose der Ausbreitung des SCLC verwenden Ärzt:innen ein zweistufiges System [5], welches klinisch relevant ist. Zudem wird die detailliertere TNM-Klassifikation verwendet, um eine präzisere Prognose und Therapieplanung zu ermöglichen.

  • Very Limited Disease (VLD): Tumor begrenzt auf einen Lungenlappen, keine Beteiligung der Lymphknoten, ohne Fernmetastasen.

  • Limited Disease (LD): Tumor begrenzt auf einen Hemithorax, einschließlich ipsilateraler und mediastinaler Lymphknoten, ohne Fernmetastasen.

  • Extensive Disease (ED): Tumor mit Ausbreitung über den Hemithorax hinaus, einschließlich Fernmetastasen.

Wie wird ein SCLC behandelt?

Die Therapie des SCLC richtet sich nach dem Krankheitsstadium und dem Allgemeinzustand der Patient:innen [5]:

SCLC – Stadien I–III (Very Limited Disease, Limited Disease)

Kurative Therapieansätze:

  • Operation: In ausgewählten Fällen mit sehr begrenzter Erkrankung (Stadium I) kann eine chirurgische Resektion erwogen werden. Dies sollte jedoch nur nach sorgfältiger interdisziplinärer Abwägung erfolgen.

  • Kombinierte Chemotherapie und Strahlentherapie: Standardtherapie ist die gleichzeitige (konkomitante) Chemotherapie mit Cisplatin und Etoposid in Kombination mit einer thorakalen Bestrahlung. Eine prophylaktische kraniale Bestrahlung (PCI) wird bei Patient:innen mit gutem Ansprechen empfohlen, um das Risiko von Hirnmetastasen zu reduzieren.

SCLC – Stadium IV (Extensive Disease)

Palliative Therapieansätze:

  • Systemische Therapie: Die Standardbehandlung besteht aus einer Kombination von Chemotherapie (Cisplatin oder Carboplatin mit Etoposid) und einer Immuntherapie mit einem PD-L1-Inhibitor (z. B. Atezolizumab oder Durvalumab). Diese Kombination hat das Gesamtüberleben im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie signifikant verbessert.

  • Prophylaktische kraniale Bestrahlung (PCI): Kann bei ausgewählten Patient:innen mit gutem Ansprechen auf die Erstlinientherapie in Erwägung gezogen werden, um das Risiko von Hirnmetastasen zu verringern.

Medikamentöse Therapieoptionen

  • Erstlinientherapie: Kombination aus platinhaltiger Chemotherapie (Cisplatin oder Carboplatin) mit Etoposid und einem PD-L1-Inhibitor.

  • Zweitlinientherapie: Topotecan ist die einzige derzeit speziell für die Second-Line-Therapie des SCLC zugelassene Therapie und wurde daher in Studien als Standard im Vergleichsarm eingesetzt.

Wie sieht die Prognose für das SCLC aus?

Die relative 5-Jahres-Überlebensrate für SCLC liegt in Deutschland für den Zeitraum 2017–2019 bei etwa 8,2%. Diese Rate ist im Vergleich zu früheren Jahren nur geringfügig gestiegen und bleibt damit weiterhin niedrig. Die Überlebensrate variiert stark je nach Stadium der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose [5].

Patienten-FAQ

Häufig gestellte Fragen zum Thema SCLC

Rund um das Thema kleinzelliges Lungenkarzinom stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patienten-FAQ finden Sie die häufigsten Fragen – und aktuelle, medizinisch fundierte Antworten, verständlich und klar erklärt.

Literatur:

(1)

Solta A et al. Mol cancer 2024; 23(1:41). DOI: 10.1186/s12943-024-01953-9

(2)

Guo H et al. Chin Med J 2023;137(2):130-139. DOI: 10.1097/CM9.0000000000002693

(3)

Small Cell Lung Cancer vs. Non-small Cell Lung Cancer: What’s the Difference?, National Foundation for Cancer Research, 04.11.2020. Abrufbar unter: https://www.nfcr.org/blog/small-cell-lung-cancer-vs-non-small-cell-lung-cancer-whats-the-difference/ (letzter Aufruf: 03.07.25)

(4)

Hamilton & Rath Wien Med Wochenschr 2015;165:379-386. DOI: https://doi.org/10.1007/s10354-015-0381-6

(5)

Onkopedia-Leitlinie SCLC, Stand April 2025. Abrufbar unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-nicht-kleinzellig-nsclc/@@guideline/html/index.html (letzter Aufruf: 03.07.25)

(6)

Small Cell Lung Cancer (SCLC) Clinical Presentation, Medscape, 18.12.2024. Abrufbar unter: https://emedicine.medscape.com/article/280104-clinical?utm_source=chatgpt.com (letzter Aufruf: 03.07.25)

(7)

Hauber H.-P. Pneumologie 2011;65:347-358. DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0030-1256118