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Wie funktioniert die zielgerichtete Krebstherapie?

Das Prinzip der zielgerichteten Krebstherapie beruht darauf, molekulare Veränderungen in Tumorzellen gezielt zu hemmen, um ihr Wachstum zu stoppen oder sie zum Absterben zu bringen. Typische Angriffspunkte sind Mutationen, veränderte Rezeptoren oder Signalwege, die das Zellwachstum regulieren. Ein Beispiel dafür ist der Epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR), der bei bestimmten Tumoren überaktiv ist und durch EGFR-Inhibitoren blockiert werden kann (1).

Ein zentrales Merkmal dieser Therapien ist die molekulare Diagnostik im Vorfeld: Sie stellt sicher, dass die Tumorzellen die Zielstrukturen aufweisen, gegen die die Medikamente wirken. Dadurch können unwirksame Behandlungen vermieden werden. Zudem bietet die präzise Ausrichtung der Therapie häufig den Vorteil, dass gesunde Zellen geschont werden und weniger schwere Nebenwirkungen auftreten als bei herkömmlichen Chemotherapien (2).

Wie wirken zielgerichtete Therapien?

Die Wirkweisen zielgerichteter Krebstherapien sind vielfältig und können auf unterschiedliche Mechanismen abzielen (1, 3, 4):

  • Blockade von Signalwegen: Einige Medikamente hemmen Signalwege, die für das Wachstum und Überleben von Tumorzellen entscheidend sind (z. B. Hemmung von Tyrosinkinasen).

  • Inhibition von Gefäßneubildung (Anti-Angiogenese): Bestimmte Wirkstoffe verhindern die Bildung neuer Blutgefäße, die den Tumor mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.

  • Förderung des programmierten Zelltods (Apoptose): Zielgerichtete Wirkstoffe können Signale aktivieren, die den programmierten Zelltod der Tumorzellen auslösen.

  • Verhinderung der Zellteilung: Einige Substanzen blockieren Mechanismen, die für den Zellzyklus der Tumorzellen erforderlich sind.

  • Unterdrückung der DNA-Reparatur: PARP-Inhibitoren verhindern die Reparatur von DNA-Schäden in Tumorzellen, was letztlich zum Zelltod führt.

  • Markierung der Tumorzellen für das Immunsystem: Monoklonale Antikörper können Tumorzellen markieren, sodass diese leichter von Immunzellen erkannt und zerstört werden.

  • Verstärkung der Immunantwort: Immun-Checkpoint-Inhibitoren deaktivieren hemmende Signale, die das Immunsystem daran hindern, Krebszellen anzugreifen.

Diese verschiedenen Mechanismen können einzeln oder in Kombination wirken, um Tumorzellen möglichst effizient zu bekämpfen und Resistenzen vorzubeugen (5).

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Für wen ist die zielgerichtete Krebstherapie geeignet?

Diese Therapieform eignet sich vor allem für Patient:innen, deren Tumore bestimmte genetische oder molekulare Marker aufweisen, wie Mutationen in den Genen EGFR, HER2 oder BRCA1 (3).

Typische Anwendungsgebiete sind:

Welche Wirkstoffgruppen gibt es und wie wirken diese?

  • Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs): TKIs blockieren Enzyme, die als Schaltstellen für Wachstumssignale dienen. Durch die Hemmung dieser Tyrosinkinasen wird die Weiterleitung der Signale unterbrochen, was die Zellteilung verhindert und das Tumorwachstum stoppt (2).

  • Monoklonale Antikörper: Diese binden spezifisch an Oberflächenmoleküle der Krebszellen und blockieren Rezeptoren, die das Zellwachstum fördern. Sie markieren die Krebszellen zudem für das Immunsystem, das die Zellen anschließend zerstört (4).

  • Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC): Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bestehen aus einem monoklonalen Antikörper, der an ein Zytostatikum gekoppelt ist. Der Antikörper transportiert das Chemotherapeutikum direkt in die Krebszelle und setzt es dort frei, wodurch die Präzision der Therapie erhöht und systemische Nebenwirkungen reduziert werden (5).

  • Angiogenesehemmer: Sie blockieren Wachstumsfaktoren, die für die Bildung neuer Blutgefäße notwendig sind. Tumore sind auf eine ausreichende Blutversorgung angewiesen, um weiter wachsen zu können. Wird die Bildung dieser Blutgefäße unterbrochen, wird der Tumor „ausgehungert“ (1).

  • Immun-Checkpoint-Inhibitoren: Diese Wirkstoffe hemmen Proteine, die das Immunsystem bremsen. Durch die Blockade dieser Checkpoints wie PD-1 oder CTLA-4 wird das Immunsystem reaktiviert und kann die Tumorzellen gezielt angreifen (2).

  • PARP-Inhibitoren: PARP-Inhibitoren blockieren ein Enzym, das für die DNA-Reparatur in Krebszellen notwendig ist. Ohne diese Reparaturmechanismen können die Krebszellen nicht überleben und sterben ab (4).

Modifiziert nach (6)

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Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Obwohl zielgerichtete Therapien in der Regel gezielter und schonender wirken als klassische Chemotherapien, treten auch bei diesen Behandlungen Nebenwirkungen auf. Häufig sind:

  • Hautreaktionen: Dazu zählen Ausschläge, Juckreiz und Trockenheit der Haut, insbesondere bei Tyrosinkinase-Inhibitoren (3).

  • Durchfall und Übelkeit: Diese treten häufig aufgrund der Veränderung der Zellregulation im Magen-Darm-Trakt auf (2).

  • Müdigkeit und allgemeine Schwäche: Ein Symptom, das oft durch eine veränderte Zellkommunikation verursacht wird (4).

  • Autoimmunreaktionen: Immun-Checkpoint-Inhibitoren können Autoimmunreaktionen auslösen, die Entzündungen an Organen wie der Lunge (Pneumonitis) oder der Leber (Hepatitis) verursachen können (5).

Häufige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Zielgerichtete Therapien, insbesondere Tyrosinkinase-Inhibitoren, werden häufig über das Enzym CYP3A4 in der Leber verstoffwechselt. Medikamente wie bestimmte Antibiotika, Antimykotika oder Antiepileptika können die Wirkung von TKIs beeinflussen, indem sie die Aktivität dieses Enzyms verstärken oder hemmen (5).

Immun-Checkpoint-Inhibitoren weisen weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf. Jedoch können Immunsuppressiva wie Kortikosteroide die Immunantwort des Körpers unterdrücken und den Effekt der Therapie abschwächen (3). Daher ist es wichtig, den Medikamentenplan der Patient:innen regelmäßig zu überprüfen und Wechselwirkungen zu minimieren.

Fazit

Die zielgerichtete Krebstherapie bietet durch ihre molekulare Präzision eine vielversprechende Behandlungsoption, insbesondere für Tumore mit spezifischen genetischen Mutationen. Sie zeichnet sich durch eine individuell angepasste Behandlung und häufig eine bessere Verträglichkeit aus. Gleichzeitig erfordert sie jedoch eine genaue molekulare Diagnostik sowie eine kontinuierliche Überwachung zur frühzeitigen Erkennung von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen.

Häufig gestellte Fragen zu zielgerichteten Therapien

Literatur:

(1) Padma V. BioMed 2015; 5,19. DOI: https://doi.org/10.7603/s40681-015-0019-4
(2) Targeted Therapy to Treat Cancer (National Cancer Institute, 2022) Abrufbar unter: https://www.cancer.gov/about-cancer/treatment/types/targeted-therapies (zuletzt aufgerufen am: 27.01.25)
(3) Zielgerichtete Krebstherapie: Das Tumorwachstum punktgenau hemmen (Deutsches Krebsforschungszentrum/Krebsinformationsdienst, 2019) Abrufbar unter: https://www.krebsinformationsdienst.de/zielgerichtete-krebstherapie
(4) Tsimberidou A. Caner Chemother Pharmcol. 2015;76(6):1113-32. DOI: 10.1007/s00280-015-2861-1
(5) Zhong L. et al. Sig Transduct Target Ther 2021;6(1):201. DOI: 10.1038/s41392-021-00572-w
(6) Smith & Prasad Am Fam Physician. 2021;103(3):155-163. Abrufbar unter: https://www.aafp.org/pubs/afp/issues/2021/0201/p155.html (zuletzt aufgerufen am: 27.01.25)